231 Tage vor der Olympia-Eröffnungsfeier hat Thomas Bachs IOC das Spiel auf Zeit beendet und Russlands Sportlern den Weg nach Paris geebnet! Die Spitze des Internationalen Olympischen Komitees erteilte Einzelsportlern aus Russland und Belarus am Freitag unter bestimmten Auflagen die Starterlaubnis für die Sommerspiele 2024, sofern sie die Quali-Bedingungen erfüllen. Damit folgte das IOC um Präsident Bach einer Aufforderung der internationalen Sommersport-Verbände und der Nationalen Olympischen Komitees, endlich eine Entscheidung in dieser seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine umstrittenen Frage zu treffen.
Von einem Olympia-Boykott der Ukraine geht das IOC nicht aus, wie auch ÖOC-Präsident Karl Stoss Freitagabend im ORF erklärte. „Da ist im Moment nichts ersichtlich. Es wäre auch wünschenswert, wenn das nicht so wäre, weil dann wäre es wieder eine rein politische Entscheidung. Es gibt sehr viele Athletinnen und Athleten, auch aus der Ukraine, die sagen: Wie komme ich dazu, wenn ein Politiker einen möglichen Boykott ausruft? Ich kann dafür gar nichts.“ In der UN-Vollversammlung hat sich Russland in einer Resolution über einen olympischen Waffenstillstand zumindest der Stimme enthalten. „Es wäre ein klares Signal im Sinne der olympischen Bewegung: Lasst die Waffen ruhen, reicht euch die Hände, gerade in Krisen und Kriegen“, erläuterte Stoss weiter.
„Friedensmission der olympischen Bewegung“
Bedingung für die Zulassung ist wie bereits für die Rückkehr in internationale Wettbewerbe, dass Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus nur unter neutraler Flagge in Paris dabei sein dürfen. Mannschaften sind nicht zugelassen. Damit darf für die Starter dieser Länder auch ihre Nationalhymne nicht bei Olympia in Paris gespielt werden, nationale Symbole und Fahnen sind für sie ebenso untersagt. Außerdem dürfen diese Athleten keine Verbindung zur Armee und den Sicherheitsorganen haben und nicht aktiv ihre Unterstützung für den Krieg in der Ukraine gezeigt haben. Unklar blieb, wie diese Zugangsbeschränkung flächendeckend geprüft und abgesichert werden soll. Zudem müssen die Anti-Doping-Richtlinien erfüllt sein - auch eine Vorgabe, deren Umsetzung dem Weltsport bei Russlands langem Doping-Sündenregister noch Debatten bescheren dürfte.
Als zusätzliche Auflage fordert das IOC von allen Athleten ein schriftliches Bekenntnis zur Olympischen Charta und damit auch zur „Friedensmission der olympischen Bewegung“. Bisher wären nach IOC-Angaben acht Russen und drei Belarussen für Olympia in Paris qualifiziert.
"Sehr froh, dass IOC menschliche Entscheidung getroffen hat!“
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba kritisierte die Entscheidung scharf. „Das Internationale Olympische Komitee hat Russland grünes Licht gegeben, Olympia als Waffe zu benutzen“, schrieb Kuleba bei Twitter. Wadym Hutzajt, Chef des ukrainischen Olympischen Komitees, hatte kurz vor dem IOC-Beschluss noch die Forderung nach einem Komplett-Ausschluss russischer Sportler bekräftigt. Unter den rund 4600 schon teilnahmeberechtigten Athletinnen und Athleten seien mehr als 60 Ukrainer, hieß es. In Russland wurde die IOC-Entscheidung dagegen erwartungsgemäß begrüßt. „Ich bin sehr froh, dass das IOC eine menschliche Entscheidung getroffen hat“, sagte die frühere Eiskunstlauf-Startrainerin Tatjana Tarassowa dem Portal „Sport Express“. „Das ist ein großer Sieg“, fügte Tarassowa hinzu.
Russlands Sportminister Oleg Matyzin bezeichnete die Auflagen als diskriminierend. Eine Olympia-Teilnahme sei für Sportler selbstverständlich ein Traum, sagte Matyzin der staatlichen Nachrichtenagentur TASS zufolge. „Aber die Bedingungen, die uns geboten werden, laufen grundlegenden olympischen Prinzipien zuwider.“
IOC hatte Tür zu großen Sportbühnen geöffnet
Nach Russlands Angriff auf die Ukraine waren Sportler aus Russland und Belarus zunächst von internationalen Sportevents ausgeschlossen worden. Belarus unterstützt Russland in dem Konflikt. Bereits im Frühjahr hatte das IOC beiden Ländern aber wieder die Tür zu den großen Sportbühnen geöffnet und den Rahmen für die Teilnahme an Wettkämpfen festgelegt. So sollte es den Sportlern auch ermöglicht werden, die Qualifikationskriterien für die Sommerspiele zu erfüllen. Eine Reihe von Weltverbänden folgte in den vergangenen Monaten den Vorgaben des IOC und ließ Russen und Belarussen wieder zu. Die Gruppe der internationalen Verbände um die Leichtathletik, die Sportler aus beiden Ländern weiter aussperren, schrumpfte in den vergangenen Monaten stetig. Auch die Mehrheit der internationalen Athletengemeinde sei für eine Starterlaubnis für russische und belarussische Sportler, versicherte das IOC immer wieder.
Die Entscheidung über die Olympia-Teilnahme hatte sich der Dachverband bis zuletzt offengelassen. Im September hob auch das Internationale Paralympische Komitee seinen Komplett-Bann gegen Russland auf und erlaubte russischen Behindertensportlern unter neutraler Flagge den Start bei den Paralympics in Paris. Dies wurde bereits als Vorbote für einen entsprechenden Entschluss des IOC gewertet.
Doping-Kontrollen in Russland trotz Krieges gesichert
Auch der jüngste Zwist zwischen dem IOC und Russland verhinderte die Olympia-Zulassung nicht. Wegen der Aufnahme regionaler Sportverbände in besetzten ukrainischen Gebieten in das Nationale Olympische Komitee Russlands (ROC) hatte die IOC-Exekutive das ROC suspendiert. Die Entscheidung vom 5. Oktober, die regionalen Sportverbände Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischja aufzunehmen, verletze die Olympische Charta, weil sie die territoriale Integrität des ukrainischen olympischen Komitees missachte, hieß es zur Begründung. Das IOC verwies im Zuge seiner Entscheidung darauf, dass neben den Sommersport-Verbänden, vielen Athleten und Olympia-Komitees auch viele Regierungen seinen Kurs unterstützen würden. Zudem habe die Welt-Anti-Doping-Agentur festgestellt, dass Doping-Kontrollen in Russland trotz des Krieges gesichert seien. Mehr als 10.500 Tests seien in diesem Jahr vorgenommen worden.
Der IOC-Beschluss änderte indes nichts an der Position des Leichtathletik-Weltverbandes: „Die Position, die unser Verband hat, ist unverändert. Ich kann dem nichts hinzufügen“, sagte Präsident Sebastian Coe nach einer Councils-Sitzung von World Athletics am Freitag in Monte Carlo. Der Weltverband hatte schon im März entschieden, dass Russland und Belarus wegen des Ukraine-Krieges auch mit neutralen Sportlern und Sportlerinnen nicht bei internationalen Wettkämpfen und Weltmeisterschaften von World Athletics starten dürfen.
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