Plant „Schocktherapie“

Javier Milei als Präsident Argentiniens angelobt

Ausland
10.12.2023 19:21

Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise ist der ultraliberale Ökonom Javier Milei am Sonntag vor dem Parlament in Buenos Aires als argentinischer Präsident vereidigt worden. In seiner Antrittsrede stimmte der 53-Jährige die Bevölkerung auf eine wirtschaftliche Rosskur ein. Es gebe keine Alternative zu einer finanzpolitischen Schocktherapie, so Milei.

Die Vorgängerregierung habe leere Kassen hinterlassen und das Land auf einen Pfad hin zur Hyperinflation geschickt. Das Budget müsse angepasst werden. „Heute fängt eine neue Ära an. Heute beginnt der Wiederaufbau Argentiniens“, sagte Milei in seiner Antrittsrede auf den Stufen des Kongresses. „Es gibt keine Alternative zum Sparprogramm, es gibt keine Alternative zur Schocktherapie. Ich sage es wieder: Wir haben kein Geld.“

Spaniens König Felipe und Orban bei Zeremonie
Zu der Zeremonie waren unter anderen Spaniens König Felipe VI., der chilenische Präsident Gabriel Boric, Uruguays Staatschef Luis Lacalle Pou, der paraguayische Präsident Santiago Peña und der ungarische Regierungschef Viktor Orban in die argentinische Hauptstadt gekommen. Am Sonntag jährte sich auch Argentiniens Rückkehr zur Demokratie nach der Militärdiktatur zum 40. Mal. „Es lebe die Freiheit, verdammt nochmal“, rief Milei zum Abschluss der Rede seinen jubelnden Anhängern zu.

Der scheidende Staatschef Alberto Fernández legte Milei die Präsidentenschärpe um. (Bild: APA/AFP/ALEJANDRO PAGNI)
Der scheidende Staatschef Alberto Fernández legte Milei die Präsidentenschärpe um.

Selenskyj-Besuch sorgt für Aufsehen
Für Aufsehen sorgte der Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj in Buenos Aires. Es war das erste Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf sein Land, dass der Regierungschef nach Südamerika reiste. Im Gegensatz zur linken Vorgängerregierung in Buenos Aires gilt Milei als entschlossener Unterstützer der Ukraine. Gleich nach seinem Wahlsieg vor drei Wochen hatten die beiden telefoniert. „Ich habe ihm für seine klare Haltung gedankt. Kein Abwägen zwischen Gut und Böse. Nur eine klare Unterstützung für die Ukraine. Das wird von den Ukrainern sehr wohl wahrgenommen und geschätzt“, erklärte Selenskyj damals.

Mit seiner Reise nach Argentinien dürfte sich Selenskyj die Unterstützung von Ländern des sogenannten Globalen Südens sichern wollen. Viele von ihnen tun sich schwer, die harte Linie westlicher Industrienationen gegenüber Russland mitzutragen. So hat der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva den russischen Überfall auf die Ukraine zwar kritisiert, mit deutlichen Worten gegenüber Moskau hält er sich aber zurück. Zuletzt warb er wiederholt für eine internationale Vermittlungsinitiative zur Beilegung des Krieges in der Ukraine, ohne bisher allerdings konkrete Vorschläge zu unterbreiten.

Selenskyj gratulierte seinem frisch angelobten Amtskollegen. (Bild: APA/AFP/Luis ROBAYO)
Selenskyj gratulierte seinem frisch angelobten Amtskollegen.

Ukraine setzt auf Unterstützung in Südamerika
Bei Mileis Amtseinführung hatte Selenskyj die Gelegenheit, mehrere konservative Regierungschefs aus der Region zu treffen, die ebenfalls auf der Seite der Ukraine stehen. Dazu zählen Uruguays Staatschef Lacalle Pou, der paraguayische Präsident Peña und Ecuadors Staatschef Daniel Noboa. „Ich hoffe, so viele lateinamerikanische Länder wie möglich bei den nächsten Gesprächen über die Friedensformel im Jänner 2024 in der Schweiz zu sehen“, schrieb Selenskyj auf X. „Die Unterstützung und die starke gemeinsame Stimme der lateinamerikanischen Länder, die dem ukrainischen Volk in seinem Kampf für Freiheit und Demokratie zur Seite stehen, ist für uns sehr wichtig.“

Orban hatte Milei bereits am Samstagabend in Buenos Aires persönlich zum Wahlsieg gratuliert und bilaterale Verhandlungen geführt. Dabei ging es um den gemeinsamen, effektiveren Kampf gegen die internationale Linke sowie um die Möglichkeiten der Entwicklung der ungarisch-argentinischen Beziehungen gegangen. Orban traf in Buenos Aires auch katholische Abgeordnete und Staatssekretäre sowie den früheren brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro.

US-Dollar neue Währung in Argentinien?
Milei hatte die Wahl in Argentinien mit exzentrischem Gebaren und radikalen Forderungen nach einer wirtschaftlichen und politischen Kehrtwende gewonnen. Er kündigte an, den US-Dollar als gesetzliches Zahlungsmittel einzuführen, die Zentralbank sowie viele Ministerien abzuschaffen und die Sozialausgaben drastisch zu kürzen. Mittlerweile hat er sich im Ton deutlich gemäßigt und viele seiner ursprünglichen Pläne aufgeschoben oder abgeschwächt. Zudem holte er eine Reihe erfahrener Politiker in sein Kabinett, die er zuvor als Mitglieder der von ihm verachteten „Kaste“ geschmäht hatte. Da er im Parlament über keine Mehrheit verfügt, muss Milei ohnehin Allianzen bilden.

Gleich nach Amtsantritt will Milei ein umfangreiches Gesetzespaket ins Parlament einbringen, das den argentinischen Staat grundlegend umbauen soll. Die Zahl der Ministerien und Behörden soll deutlich reduziert, öffentliche Unternehmen privatisiert und die Bürokratie stark abgebaut werden, um Investitionen anzulocken. „Ich weiß nicht, wie viele Gesetze wir aufheben werden, aber es werden sehr viele sein“, sagte die neue Außenministerin Diana Mondino.

Ein Unterstützer Mileis hält ein Plakat in Gestalt eines 100-Dollar-Scheines mit dem Porträt des Präsidenten hoch. Fraglich ist, ob der Plan gelingen kann, den Dollar als neue Währung einzuführen. (Bild: APA/AFP/Luis ROBAYO)
Ein Unterstützer Mileis hält ein Plakat in Gestalt eines 100-Dollar-Scheines mit dem Porträt des Präsidenten hoch. Fraglich ist, ob der Plan gelingen kann, den Dollar als neue Währung einzuführen.

Die Einführung des US-Dollars war eines der wichtigsten Versprechen im Wahlkampf, jetzt hat das neue Staatsoberhaupt den Plan erst einmal zurückgestellt. In den vergangenen Wochen erwähnte er sein früheres Herzensprojekt kaum. „Das ist nur realistisch, denn das Land verfügt einfach nicht über genügend Devisen, um eine Dollarisierung vernünftig umzusetzen“, sagte der argentinische Wirtschaftswissenschaftler Eduardo Levy Yeyati.

40 Prozent leben unter Armutsgrenze
Milei übernimmt Argentinien in einer schweren Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate liegt bei über 140 Prozent, rund 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unterhalb der Armutsgrenze. Südamerikas zweitgrößte Volkswirtschaft leidet unter einem aufgeblähten Staatsapparat, geringer Produktivität der Industrie und einer großen Schattenwirtschaft, die dem Staat viele Steuereinnahmen entzieht. Die Landeswährung Peso verliert gegenüber dem US-Dollar immer weiter an Wert, der Schuldenberg wächst.

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