Österreich bekennt sich im Rahmen der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen zur Chancengleichheit. Um diesem Bekenntnis ein weiteres Stück näherzukommen, will die Regierung das System der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen Schritt für Schritt umstellen. Anstatt für ihre Arbeit in „Werkstätten“ lediglich ein Taschengeld zu bekommen, das durch andere staatliche Leistungen ergänzt wird, sollen sie in Beschäftigungsverhältnisse mit sozialversicherungspflichtiger Entlohnung überführt werden.
Derzeit sind rund 28.000 Menschen mit Behinderung in Tages- und Beschäftigungsstrukturen („Werkstätten“) der Bundesländer tätig. Die Angebote reichen dabei von basalen Förderungen von Personen mit hohem Unterstützungsbedarf über berufliche Qualifizierungsangebote bis zu arbeitsmarktähnlichen Tätigkeiten. Dafür bekommen sie ein Taschengeld, das je nach Bundesland zwischen 35 und 100 Euro im Monat ausmacht, und sind unfallversichert.
Eine vom Sozialministerium im Jahr 2021 beauftragte Studie hat sich mit den möglichen Auswirkungen einer solchen Umstellung befasst. Dazu haben Forscherinnen und Forscher der Wirtschaftsuniversität den Ist-Zustand mit einem Alternativsystem verglichen, bei dem eine Entlohnung von 1180 Euro brutto (14-mal im Jahr) das Taschengeld ersetzt.
Die Gewinner und Verlierer des neuen Modells
Ab dieser Höhe fließen vielfach keine weiteren Leistungen aus der Sozialhilfe, außerdem fallen Leistungen wie lebenslange Waisenpensionen oder Familienbeihilfe weg, die Invalidenpension würde auf eine Teilpension reduziert. Gleichzeitig erwerben die Personen aber Versicherungszeiten und damit Anspruch auf eine Alterspension.
Das Ergebnis: Die meisten „Player“ in dem System steigen positiv bzw. neutral aus, lediglich die Länder haben hohe Verluste. Auf einen durchschnittlichen Menschen mit Behinderung bezogen, würde die Sozialversicherung mit einem Positivsaldo von rund 5800 Euro pro Jahr aussteigen. Bund (plus 76 Euro/Jahr) und Trägereinrichtungen (plus 44 Euro/Jahr) würden in etwa gleich abschließen, das jeweilige Bundesland mit einem Negativsaldo von rund 11.100 Euro pro Jahr. Klar auf der Gewinnerseite wäre auch die behinderte Person selbst mit rund 5200 Euro pro Jahr.
Rauch: „Integrationspolitisch geboten“
Unter der Annahme, dass die Länder das Entgelt bezahlen, würden diese wohl im Rahmen des Finanzausgleichs dafür Ausgleichsforderungen stellen, hielt Studienautor Christian Grünhaus am Dienstag im Rahmen einer Pressekonferenz im Beisein von Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) fest. Rauch bekannte sich zu einer Änderung: „Wenn wir das System ändern, ist das integrationspolitisch geboten, volkswirtschaftlich sinnvoll und für den Arbeitsmarkt positiv.“
Nun sollen Pilotprojekte folgen
Sowohl der Sozialminister als auch sein Kollege aus dem Arbeitsministerium sprachen sich für eine schrittweise Umsetzung aus. Nun sollen Gespräche mit den Bundesländern folgen, um auszuloten, wo welche Pilotprojekte durchführbar wären.
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