Russland blutet in der Ukraine aus. Fast neun von zehn Soldaten, die die russischen Streitkräfte zu Beginn der Invasion für den Krieg gegen die Ukraine abgestellt hatten, sind tot, vermisst, gefangen oder verwundet. Zu diesem Schluss kommt eine Auswertung der US-Geheimdienste. Sie zeigt auch erhebliche Verluste an Kriegsgerät.
Fast zwei Jahre, nachdem das Regime von Wladimir Putin sein Nachbarland überfallen hat, tobt auf dem Schlachtfeld in der Ukraine ein verlustreicher Abnützungskrieg. Eine ukrainische Gegenoffensive, auf die viele im Westen ihre Hoffnungen gesetzt hatten, hat sich im Lauf des Herbsts in den russischen Minenfeldern festgefahren, aufgrund der russischen Luftüberlegenheit konnten nur wenige nennenswerte Vorstöße erzielt werden.
Ukraine hofft auf Wende
Mit weiterer Hilfe aus dem Westen hoffen die Verteidiger auf eine Wende. Am Dienstag war der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Washington, um für weitere US-Militärhilfen für sein bedrängtes Land zu werben. Pünktlich dazu haben die US-Geheimdienste dem Parlament in Washington eine Einschätzung der russischen Verluste übermittelt, wie eine ungenannte Quelle dem US-Sender CNN bestätigte.
Die US-Geheimdienstinformationen haben es in sich: Russland hat demnach seit Kriegsbeginn 87 Prozent seiner Truppen, die für die Invasion abgestellt waren, verloren. Die Soldaten wurden also entweder bei Gefechten getötet, wurden gefangen genommen, sind vermisst oder so schwer verwundet, dass sie nicht weiterkämpfen können.
Russland verlor 315.000 Soldaten
Insgesamt sind demnach 360.000 moskautreue Truppen in die Ukraine eingefallen, 315.000 davon hat Russland bis Ende November verloren. Die Gesamtzahl der aktiven russischen Streitkräfte betrug dabei 900.000 Mann. Von den 3500 Kampfpanzern, die das russische Militär in die Schlacht warf, wurden 2200 Stück zerstört oder gekapert. Bei gepanzerten Fahrzeugen und Truppentransportern betrug die Verlustrate 32 Prozent. 4400 von 13.600 Vehikeln wurden zerstört.
Die US-Angaben zu, die als verlässlich gelten, sind überraschend nahe an den Zahlen, die regelmäßig vom ukrainischen Generalstab veröffentlicht und von westlichen Militärexperten meist als überhöht eingeschätzt werden. Diesen Angaben verlor Russland bis 13. Dezember 341.500 Mann.
Für größere Offensiven fehlt Ausrüstung
„Bis Ende November hat Russland mehr als ein Viertel seiner vor der Invasion vorhandenen Bestände an Ausrüstung für die Bodentruppen verloren“, zitiert CNN aus dem Geheimdienstbericht. Dies habe „die Komplexität und den Umfang der russischen Offensivoperationen verringert, die seit Anfang 2022 keine größeren Erfolge in der Ukraine erzielt haben.“ Sprich: Den Invasoren fehlte die Ausrüstung für entscheidende Durchbrüche. Den ukrainischen Verteidigern geht es aber genauso. In den kommenden Monaten wird Kiew es kaum schaffen, größere Fortschritte bei der Rückeroberung des besetzten Territoriums zu erzielen.
Ob sich das ändert, hängt stark von den USA ab. Weitere Militärhilfen in Höhe 60 Milliarden US-Dollar (rund 56 Mrd. Euro) sind unterdessen weiter in der Schwebe. Ob Selenskyjs Überzeugungsversuche im US-Kongress gefruchtet haben, wird sich erst weisen. Das Spielen der US-Geheimdienstauswertung über die russischen Verluste an den US-Kongress verfolgte dabei gewiss den Zweck, den Abgeordneten deutlich zu zeigen, dass westliche Militärhilfe sehr wirksam ist.
Biden muss Aussichten dämpfen
US-Präsident Joe Biden hatte beim Besuch seines ukrainischen Amtskollegen jedenfalls Aussichten auf eine schnelle Bewilligung weiterer Hilfen gedämpft. Er räumte ein, er könne „keine Versprechungen“ machen, sei aber hoffnungsvoll, dass es eine Einigung im Kongress - wo besonders republikanische Abgeordnete auf der Bremse stehen - geben werde. Zugleich gab er 200 Millionen US-Dollar Hilfe für Kiew frei.
Mit weiterer Unterstützung von USA, EU und weiteren westlichen Partnern erhofft sich Selenskyj, im Jahr 2024 die Flugabwehr der Ukraine zu stärken, um die Hoheit über den Luftraum wiederzuerlangen. Davon verspricht sich Selenskyjs auch Erfolge am Boden.
Russland scheint zu glauben, dass ein Stillstand während des Winters die westliche Unterstützung für die Ukraine aufzehren wird.
Der Nationale Sicherheitsrat der USA
Zahlenmäßig konnte Russland die schweren Verluste, die es in den vergangenen knapp zwei Jahren erlitt, wieder ausgleichen. Dazu mussten aber Standards bei der Rekrutierung von Soldaten herabgesetzt und auf veraltetes Equipment aus Sowjetzeiten zurückgegriffen werden.
Putin setzt auf Stellungskrieg
Russlands Präsident Wladimir Putin ist jedenfalls entschlossen, mit seinen Truppen weiter vorzurücken. Er setzt offenbar auch darauf, dass in den kommenden kalten Monaten in der Ukraine kaum Manöver möglich sind. „Russland scheint zu glauben, dass ein militärischer Stillstand während des Winters die westliche Unterstützung für die Ukraine aufzehren und Russland trotz Verlusten und des anhaltenden Mangels an geschultem Personal, Munition und Ausrüstung letztlich einen Vorteil verschaffen wird“, so ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats der USA gegenüber CNN.
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