Vizebürgermeister und Integrationsstadtrat Christoph Wiederkehr sieht den Bund und andere Bundesländer beim Thema Migration in der Pflicht. Statt „absurder und scheinheliger“ Debatten über die Arbeitspflicht von Asylwerbern brauche es konkrete Schritte, um Integration zu beschleunigen.
Flüchtlinge, und da wiederum vor allem Frauen, möglichst bald ins Arbeitsleben zu integrieren und dabei auch deren Qualifikationen zu nützen, ist eine der aktuellen Kernforderungen des Wiener Integrationsrats. Das sei „ungehobenes Potenzial“ gerade im Hinblick auf den wachsenden Fachkräftemangel und eine der größten „Lücken in der Arbeitsmarkt-Integration“, wurde bei der Präsentation des neuen Berichts des Integrationsrats unterstrichen.
Wien „allein gelassen“?
Die Aufgaben im Zusammenhang mit Migration und Integration könne Wien aber „nicht allein leisten“, übte Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr gemeinsam mit den Wissenschaftlerinnen Judith Kohlenberger und Sieglinde Rosenberger deutliche Kritik am Bund und fehlenden Grundlagen im Fremdenrecht, aber auch an anderen Bundesländern - weil diese ihre Asylquoten weiterhin nicht erfüllen und auch durch andere Maßnahmen für ein Ungleichgewicht mit Wien sorgen.
Als Beispiel für die übermäßige Last, die Wien im Zusammenhang mit Integration zu tragen habe, nannte Wiederkehr die Schulen: In den nächsten Monaten erwarte man monatlich 300 neue Schulkinder mit Migrationshintergrund in Wiens Schulen - auch, weil Familien aus anderen Bundesländern, wo sie für sich keine Zukunft sehen, nach Wien kommen. Mit seiner Forderung nach einer Wohnsitz
„Jahrelang hat man gesagt, sie dürfen nicht. Jetzt sagt man, sie müssen.“
Die aktuelle Debatte um eine Arbeitspflicht hält Wiederkehr vor allem auf Seiten der ÖVP für „scheinheilig und absurd“: „Jahrelang hat man gesagt, Asylwerber dürfen nicht arbeiten, jetzt sagt man, sie müssen. Ich sage: Sie sollen.“ Kohlenberger pflichtete bei: „Wenn Geflüchtete ohne Hürden arbeiten können, steigt die Erwerbsquote massiv an, auch ohne Arbeitspflicht.“ Umgekehrt wirke „alles Negative, was in den ersten Wochen und Monaten nach der Ankunft in Österreich geschieht“, bei der Integration lange nach.
Forderungen an den Bund
Mangelnde Integration verursache nicht nur soziale Probleme, sondern auch immense Kosten, unterstrich Wiederkehr - nicht nur im Sozialbereich, sondern auch durch wirtschaftlichen Schaden: Allein innerhalb des letzten Jahres sei die Liste der Mangelberufe von 66 auf 111 angewachsen. Viele davon - Wiederkehr nannte etwa das Beispiel von ukrainischen Ärztinnen - würden durch geltendes Recht an einer Arbeit entsprechend ihren Qualifikationen gehindert.
Vom Bund fordert Wiederkehr vor allem drei gesetzliche Änderungen: eine Erleichterung von Nostrifizierungen ausländischer Ausbildungen, eine Reform bei der Rot-Weiß-Rot-Karte („die ist sehr kompliziert und sehr bürokratisch“) und die Möglichkeit eines aufenthaltsrechtlichen „Spurwechsels“ für gut qualifizierte Migranten, vor allem von einem Asylverfahren in die reguläre Zuwanderung, wenn alle Voraussetzungen dafür vorliegen. Für Wien selbst kündigte Wiederkehr eine Erhöhung des Budgets für Basisbildung um 70 Prozent an, was Platz für über 700 zusätzliche Kursteilnahmen schafft.
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