Laut Armee „Versehen“

Israel: Erschossene Geiseln trugen weiße Fahne

Nachrichten
16.12.2023 16:27

Israels Feldzug gegen die Hamas zieht immer mehr Kritik auf sich. Nun wurde bekannt, dass die am Freitag versehentlich vom israelischen Militär im Gazastreifen erschossenen drei Geiseln eine weiße Flagge hochgehalten hatten. Auch hatten sie ihre Kleidung ausgezogen. Das gehe aus ersten Ermittlungsergebnissen hervor, teilte das israelische Militär am Samstag mit. 

Der Vorfall rund um die drei erschossenen Geiseln schlägt immer höhere Wellen. Denn wie der britische „Guardian“ nun berichtet, hatten die drei Männer, die aus der Geiselhaft der Hamas-Terroristen entkommen waren, nicht nur eine weiße Fahne getragen - sie hatten auch ihre Kleidung ausgezogen, sodass die israelischen Soldaten erkennen konnten, dass sie unbewaffnet waren.

Auf Hebräisch um Hilfe gefleht
Alon Shamriz, Samer El-Talalka und Yotam Haim hatten sich in Gaza City als Israelis zu erkennen gegeben, wie aus einem Bericht der Armee hervorgeht. Sie hatten ihre Oberbekleidung ausgezogen und sich auf ein Dach begeben. 

v.l.n.r.: Yotam Haim, Samer El-Talalka und Alon Shamriz wurden versehentlich von israelischen Soldaten in Gaza City erschossen. (Bild: twitter.com/MarioNawfal)
v.l.n.r.: Yotam Haim, Samer El-Talalka und Alon Shamriz wurden versehentlich von israelischen Soldaten in Gaza City erschossen.

Ein Soldat habe die drei Geiseln in mehreren Metern Entfernung auftauchen sehen, bestätigte ein Sprecher. Laut dem Zeitungsbericht soll er daraufhin das Feuer auf die Männer, alle um die 20 Jahre alt, eröffnet und „Terroristen“ gerufen haben. 

Während zwei der Israelis sofort getroffen zu Boden gingen, schaffte es einer der Männer, in ein nahegelegenes Gebäude zu flüchten. Der kommandierende Offizier befahl der Einheit daraufhin, das Haus zu stürmen. Obwohl er auf Hebräisch um sein Leben flehte, wurde der Mann von den Soldaten erschossen. 

Nachdem versehentlich drei Geiseln von Israels Armee erschossen worden waren, protestierten Angehörige in Tel Aviv. (Bild: AFP)
Nachdem versehentlich drei Geiseln von Israels Armee erschossen worden waren, protestierten Angehörige in Tel Aviv.

„Zusätzliche Vorsicht walten lassen“
Die israelischen Streitkräfte seien nach der versehentlichen Tötung der drei Geiseln im Gazastreifen zu erhöhter Vorsicht angewiesen worden. „Wir haben unseren Soldaten gesagt, dass sie zusätzliche Vorsicht walten lassen sollen, wenn sie mit Personen in Zivilkleidung konfrontiert werden“, sagte Armeesprecher Jonathan Conricus dem US-Fernsehsender CNN. Hunderte Israelis gingen am Freitag in Tel Aviv aus Protest gegen den Vorfall auf die Straße.

Der Sprecher wies darauf hin, dass viele Kämpfer der militanten Palästinenser-Organisation Hamas in Zivilkleidung gegen Israels Armee kämpften. „Ein trauriges Ereignis wie dieses wird unsere Entschlossenheit nicht erschüttern und uns nicht von unserem klaren Ziel ablenken, die Hamas zu zerschlagen“, betonte Conricus.

Geiseln absichtlich zurückgelassen?
Die Armee hatte am Freitagabend bekannt gegeben, dass die eigenen Streitkräfte während eines Einsatzes in der Hamas-Hochburg Shejaiya im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens die drei männlichen Geiseln fälschlicherweise als Bedrohung identifiziert und auf sie geschossen hätten. Es sei bisher unklar, wie sie in das Gebiet des Kampfgeschehens geraten konnten.

Nach wie vor befinden sich zahlreiche Geiseln in den Händen der Hamas. (Bild: AFP)
Nach wie vor befinden sich zahlreiche Geiseln in den Händen der Hamas.

Möglicherweise seien die Geiseln auch absichtlich zurückgelassen worden. Die Kämpfe fänden in einer zivilen und daher sehr herausfordernden Umgebung statt, sagte Conricus. So seien fast alle gegnerischen Einheiten, die die israelischen Truppen mit Panzerbüchsen angriffen, in Zivil gekleidet.

Verhandlungen um Freilassung
In Norwegen hatten Vertreter Israels und Katars unterdessen am Samstag einen Neustart der Verhandlungen über die Freilassung von Geiseln in der Gewalt der militanten Palästinenser-Organisation Hamas im Gazastreifen begonnen. 

Dabei gehe es um Bemühungen zu weiteren Freilassungen von Geiseln, die während des Massakers am 7. Oktober aus Israel in den Gazastreifen verschleppt worden waren, wie die US-Zeitung „The Wall Street Journal“ und das Nachrichtenportal „Axios“ berichteten. Derzeit befinden sich noch immer rund hundert Geiseln in den Händen der Hamas.

Am 1. Dezember waren eine Feuerpause zwischen der israelischen Armee und den Kämpfern der radikal-islamischen Hamas und damit auch der Austausch von Geiseln und Gefangenen ausgelaufen. Die Feuerpause im neuen Nahost-Krieg seit den Hamas-Massakern in Israel vom 7. Oktober dauerte sieben Tage. Mehr als 1.200 Menschen wurden bei den Hamas-Massakern getötet und rund 240 Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel reagierte mit massiven Luftangriffen und begann Ende Oktober mit einer Bodenoffensive. Nach jüngsten Angaben der Hamas wurden bisher rund 18.700 Menschen bei Angriffen im Gazastreifen getötet.

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