Das Schauspielhaus Graz lädt zur Nabelschau: Mit Sivan Ben Yishais „Bühnenbeschimpfung“ zeigt man ein preisgekröntes Stück, das derzeit landauf, landab gespielt wird. Es handelt vom Theater und seinen Schwachstellen.
Die Darsteller zucken jedes Mal zusammen, wenn das Wort „Skript“ fällt. Wochenlang haben sie freudig den Stücktext auswendig gelernt, jede Silbe auf ihre emotionale Aussage und ihre Wahrhaftigkeit abgeklopft. Und nun, endlich auf der Bühne, tragen sie es voller Überzeugung einem Publikum vor, das einzig und allein deshalb gekommen ist, um sich von diesen Worten ihr Leben bereichern zu lassen. Echt jetzt?
Bitterböse Abrechnung mit Institution Theater
Natürlich nicht! Denn das ist nur die Fantasie, der sich Theatermacher und Besucher seit Jahrhunderten hingeben. In Wahrheit nämlich, sind die Darsteller sehr oft nur wenig überzeugt von den Worten, die ihnen da in den Mund gelegt werden. Und in Wahrheit schielen auch im Publikum viele nur auf die Uhr und hoffen, dass es bald vorbei ist. Wie lange noch?
Es ist eine bitterböse Abrechnung mit der Institution Theater, die Sivan Ben Yishai mit ihrem preisgekrönten und derzeit landauf landab gespielten Stück „Bühnenbeschimpfung“ vorlegt - inspiriert freilich von Handkes „Publikumsbeschimpfung“. In einer Post-Corona-Welt, in der sich mehr denn je die Frage stellt, wie (system-)relevant das Theater noch ist, klopft die Autorin die Institution auf ihre Schwachstellen ab: Finanzielle und emotionale Abhängigkeiten spielen da genauso eine Rolle, wie die Frage nach dem Mitspracherecht des einzelnen in einem letztlich recht autoritären Rahmen, in dem Intendanz, Autor und Regie vorgeben, was auf der Bühne zu sehen und hören ist und zu geschehen hat.
Verbaler Dschungel der Selbstreferenzen
Furios hantelt sich das Ensemble (Sarah Sophia Meyer, Luiza Monteiro, Anna Rausch, Anke Stedingk und Thomas Kramer) durch diesen verbalen Dschungel der Selbstreferenzen. Regisseurin Schirin Khodadadian erweitert die Bühne bis weit ins Publikum, das von Statisten durchzogen ist. In den besten Momenten ist dieser Abend eine dringend nötige Paartherapie für das Bildungsbürgertum und seine Bühnenclowns - nicht umsonst hat Ausstatterin Carolin Mittler das Ensemble in bunte, ausufernde Tüllberge gesteckt, aus denen sie sich nur mit viel Klamauk befreien können.
Was trotz alledem unvermeidlich bleibt, ist, dass diese Nabelschau, die man letztlich auch dem Publikum aufzwingt, nicht nur erkenntnisreich und unterhaltsam sein kann, sondern mitunter auch redundant und fast unerträglich selbstverliebt. Dazu kommt dann noch, dass dem Text und der Inszenierung am Ende auch noch die tiefschwarze Ironie abhanden kommt: Zum selbstberäuchernden Abgesang auf die eigene Relevanz, lässt man leere Theaterstühle ein letztes Mal tanzen, ehe sie von den Bühnenarbeitern abgebaut werden.
Aber so ist es halt am Theater, all das steht eben so im „Skript“ - am Ende zuckt auch der eine oder andere im Publikum pflichtbewusst zusammen, ehe sich alles in einem freundlichen Applaus auflöst.
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