Bilanz einer hoch spannenden Prozesswoche. Kronzeugen-Anwärter Thomas Schmid sagte 18 Stunden vor Gericht aus. Trotz Attacken blieb er bei der Botschaft: „Ohne Kurz keine Entscheidung“ - und belastet damit den Altkanzler schwer.
Bei einem Prozess wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss ist normalerweise innerhalb weniger Stunden mit einem Urteil zu rechnen. Der Prozess gegen Kurz hingegen entwickelt sich zum Krimi. 18 Stunden dauerte die Befragung von Kronzeugen-Anwärter Thomas Schmid.
Eine Marathonbefragung, um die simple Frage zu klären, ob Kurz als Kanzler in die Bestellung von Schmid als Vorstand der Staatsholding Öbag „involviert im Sinne von informiert“ war, oder ob er die Letztentscheidung selbst traf.
Während der Befragung zauberten die Anwälte von Kurz eidesstattliche Erklärungen von zwei mysteriösen russischen Managern hervor, die Thomas Schmid als Lügner darstellen. Das sind nur einige Höhepunkte einer spannenden Gerichtswoche – der ideale Zeitpunkt, eine Bilanz zu ziehen:
Nummer 1: Richter betritt bei Prozessführung neue Wege
Gleich zu Prozessstart brachte der Kurz-Verteidiger Otto Dietrich einen Befangenheitsantrag gegen Richter Michael Radasztics ein. Befangenheit kann man Radasztics bisher nicht vorwerfen.
Er gewährte den Kurz-Anwälten sogar ein kleines Privileg: Normalerweise hat die Staatsanwaltschaft das Recht, nach dem Richter den Zeugen zu befragen. Die Verteidiger sind üblicherweise die Nummer drei in der Abfolge. Diese Reihenfolge drehte Radasztics um. Für die Anklage hieß es: „Bitte warten“.
Allerdings geht nicht alles durch: Die eidesstattlichen Erklärungen der russischen Manager nahm er nicht zum Protokoll. Die Identitäten erschienen dem Richter dubios.
Nummer 2: Staatsanwalt Adamovic gut vorbereitet
Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic weiß, dass beim Prozess gegen den Ex-Kanzler viel auf dem Spiel steht. Er ist bestens vorbereitet, stellte bisher die richtigen Fragen.
Nummer 3: Kurz – mit voller Wucht gegen Schmid
Die Strategie von Kurz ist klar. Sein ehemaliger Vertrauter Schmid muss der Lüge überführt werden – auch in Hinblick auf die schwerwiegende Inseratenaffäre, wo Kurz von Schmid ebenfalls belastet wird. Hier drohen Kurz bei Anklage bis zu 15 Jahre Haft, weil er zur Tatzeit ein Amtsträger war.
Kurz wirft Schmid vor, dass eine Seite seiner über 1000-seitigen Aussage wortident mit einer Anordnung zur Hausdurchsuchung der WKStA sei. Sogar die Beistrichsetzung sei ident.
Als zweites Indiz legte der Altkanzler das Foto von einer Handy-Nachricht von Schmid vor, in der ihm dieser zu einem „ZIB 2“- Interview nach der Hausdurchsuchung im Oktober 2021 gratulierte, weil Kurz endlich sagte, wie es wirklich war. Die Staatsanwaltschaft wollte das Handy, um den Zeitpunkt des Fotos überprüfen zu können. Das Handy existiert nicht mehr.
Auch die Behauptung zweier Russen, dass Schmid bei einem Vorstellungsgespräch angeblich ausplauderte, dass er im Sinne der WKStA aussagte, schmetterte der Richter ab.
Fazit: Die Angriffe von Kurz gingen nicht alle auf. Vielleicht flüchtet sich Kurz doch noch in den Aussagenotstand.
Nummer 4: Schmid ruhig und gelassen
Schmid schilderte ohne Wut oder Häme die Regierungszeit zwischen 2017 und 2019. Mehrfach erzählte er seine Botschaft: Eine Entscheidung ohne Kurz in der Besetzung der Öbag war „denkunmöglich“. Aus zwei Freunden wurden beste Feinde.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.