Trotz Gesetzesnovelle bleibt die Innsbrucker Wahlordnung ein zahnloser Papiertiger: Es gibt weiterhin keine Wartefrist für Studenten, jede(r) mit Hauptwohnsitz in der Tiroler Landeshauptstadt darf bei der Gemeinderatswahl mitmischen.
„Heike aus Hannover“ ist ein Synonym für Tausende Studierende aus EU-Ländern in Innsbruck, die bei der kommenden Gemeinderatswahl mitreden und die Geschicke der Stadt für die kommenden sechs Jahre mitbestimmen dürfen. Und zwar unabhängig davon, wie lange sie schon in der Stadt sind und wie lange sie hier bleiben.
Aufruf, Wohnsitz zu verlegen
Es reicht schon, seinen Hauptwohnsitz kurzfristig – das heißt bis wenige Wochen vor dem Wahltermin – nach Innsbruck zu verlegen. Entsprechende Aufrufe, dies bis Weihnachten zu erledigen, sind in so mancher Studenten-affinen Zeitschrift bereits erschienen.
Wie stellt man fest, dass der Aufenthalt offensichtlich nur vorübergehend ist?
Benjamin Plach, Vorsitzender des Rechtsausschusses und SP-Stadtparteichef
Mehr Zeit als nur bis Weihnachten
Wobei der Zeitpunkt natürlich Unsinn ist. Denn in Wahrheit haben wahlinteressierte ausländische Studenten noch viel länger Zeit für die Hauptwohnsitzmeldung als bis Weihnachten. „Der Stichtag muss zwischen dem Tag der Wahlausschreibung und dem 70. Tag vor dem Wahltag liegen“, heißt es dazu aus der Gemeinde-Wahlbehörde. Also irgendwann zwischen 10. Jänner und Anfang Februar. Wahltag ist der 14. April.
Reinrassiger Tiroler Papiertiger
Die Wartefrist von einem Jahr für die Teilnahme an Wahlen, wie sie vor rund einem Jahr vom Gemeinderat in die Innsbrucker Wahlordnung hineinreklamiert wurde, ist allerdings ein reinrassiger Tiroler Papiertiger. Im entsprechenden Passus heißt es, wahlberechtigt ist, wer in der Gemeinde seinen Hauptwohnsitz hat, „es sei denn, dass er sich noch nicht ein Jahr in der Gemeinde aufhält und sein Aufenthalt offensichtlich nur vorübergehend ist“.
Passus funktioniert höchstens am Dorf
„Nur: Wie stellt man fest, dass der Aufenthalt offensichtlich nur vorübergehend ist?“, fragt sich nicht nur Benjamin Plach, kundiger Vorsitzender des städtischen Rechtsausschusses. „Das mag auf gewisse Gruppen zutreffen, die hier beispielsweise einen Kurs absolvieren. Die haben in der Regel aber auch keinen Hauptwohnsitz.“ Möglicherweise funktioniere der Passus „in kleinen Gemeinden aufgrund persönlicher Bekanntheit, aber sicher nicht in der Stadt Innsbruck“, erläutert Plach.
Gemeinderat erkannte Rechtslücke
Deswegen und auch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken sei der einschränkende Zusatz in der ursprünglichen Form der Innsbrucker Wahlordnung gar nicht enthalten gewesen. Eine Mehrheit im Gemeinderat erkannte trotzdem eine Rechtslücke und verlangte eine Angleichung der beiden Wahlordnungen, die der Tiroler Landtag heuer im Oktober auch vornahm.
„Schlicht nicht administrierbar“
Nun ist zwar der Gesetzestext für Stadt und Gemeinden identisch, aber die Verordnung bleibt trotzdem zahnlos – „weil schlicht nicht administrierbar“, erläutert Plach. Der Gemeinderat in Innsbruck kann sich vielleicht noch zugute halten, nicht untätig gewesen zu sein. Und es ging ja gleichzeitig mit der Einführung der Vier-Prozent-Hürde, die erstmals in Innsbruck zur Anwendung kommt.
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