Fast genau zwei Jahre nach dem Tod von Baby Lukas, nur wenige Tage nach der Geburt im Völklabrucker Spital, muss sich am Dienstag ein Spitalsarzt im Landesgericht verantworten: Er soll durch eine fehlerhafte Behandlung den Tod des Kindes fahrlässig herbeigeführt haben. Und der Arzt gestand im Prozess zu, dass es mangelnde Aufklärung gegeben haben soll.
Die „Krone“ hat im Mai 2022 die tragische Geschichte erzählt - mit den deutlichen Worten der beiden Eltern als Schlagzeile: „Unser Lukas ist tot, weil die Ärzte Fehler gemacht haben.“ Die Geburt des Buben Mitte Dezember 2021 im Spital in Vöcklabruck (OÖ) endete wie in einem Albtraum: Hirnschäden beim Kind, schwere Blutungen bei der Frau. Die Mama überlebte, Lukas starb acht Tage später.
Grob fahrlässige Tötung
Eineinhalb Jahre danach erhob die Staatsanwaltschaft Wels Anklage. Am Dienstag wird der tragische Todesfall im Welser Landesgericht verhandelt: Ein Spitalsarzt muss sich wegen des Vorwurfs der grob fahrlässigen Tötung und grob fahrlässiger Körperverletzung erklären.
„Entgleisung der Geburt“
Am Beginn des Prozesses bekannte sich der Oberarzt als „nicht schuldig“, sprach von einer, „Entgleisung der Geburt“. Die Fragen von Richter und Staatsanwalt drehen sich vor allem um die Gabe von Medikamenten zur Geburtseinleitung und der Wehenverstärkung. Dabei wurde dem Angeklagten vorgehalten, dass ein Medikament verwendet wurde, bei dem im Beipackzettel steht, dass es nicht gegeben werden soll oder darf, wenn es schon vorher eine Geburt durch Kaiserschnitt gegeben hatte.
Und dies lag bei der Geburt vor, weil die Mutter schon im Jahr 2019 einen Kaiserschnitt gehabt hatte. Das Medikament würde nämlich das Risiko eines Gebärmutter-Risses erhöhen, laut Aussagen verdoppeln. „Eine Kollegin sagte, dass die Patientin über alles aufgeklärt wurde“, sagte der Oberarzt, der zwar auch persönlich am Geburtstag noch mit der werdenden Mutter sprach, aber sich an dieses Gespräch inhaltlich „nicht mehr erinnern kann“. Er gestand aber zu, dass es vermutlich keine Aufklärung zur Erhöhung des Gebärmutter-Risses gab und eine persönliche Untersuchung der Patientin entfiel, weil sie, als er dafür Zeit hatte, auf der Toilette war und er dann wieder weggerufen wurde: „Es gab an diesem Tag acht weitere Aufnahmen.“
„Hätte weniger risikoreiche Möglichkeit gegeben“
Der Staatsanwalt hielt dem Angeklagten vor, dass keine Geburtseinleitung nötig war, weil die Patientin mit Wehen eingeliefert worden war. Allerdings waren die Wehen wieder „eingeschlafen“, und mit dem Medikament wollte man einen „Schubs geben“. Da es sich um eine Risikogeburt handelte, meinte der Staatsanwalt, dass es auch eine weniger risikobehaftete Methode gegeben habe, nämlich, dass man einfach warten hätte können. „Die Patientin wollte, dass an diesem Tag was weitergeht“, sagte der Arzt. Er glaubt, dass der fatale Riss der Gebärmutter passierte, als man schließlich mit der Saugglocke versuchte, das Kind auf die Welt zu bringen.
Aufklärung der werdenden Mutter
Kurz nach Mittag wurde auch der Vater einvernommen, der bei dem Versuch, das Kind per Saugglocke zur Welt zu holen, dabei war. Es sagt, dass sie „deutlich einen Kaiserschnitt verlangte“, der Anwalt der Angeklagten sagt, dass „sonst niemand der Zeugen dies so ausgesagt hat“. Thema ist auch die Aufklärung der werdenden Mutter über die Gefahr eines Gebärmutterrisses. Dies wurde auf einem Aufklärungsbogen handschriftlich dokumentiert, aber der Vater sagt: „Als die Unterschrift erfolgte, war das Feld noch leer.“
Im Rückblick meint der angeklagte Arzt auch, dass er mit dem Wissen von jetzt damals mehrere Entscheidungen anders gefällt hätte: Früherer Kaiserschnitt, doch eine eigene Untersuchung der Patientin vornehmen und dabei auch über das potenzielle Risiko der Tablette zur Einleitung der Geburt zu sprechen. Der Arzt betonte aber, dass nie dezidiert ein Kaiserschnitt verlangt wurde: „Sonst hätte ich den organisiert.“
Bis zu drei Jahre Haft
Der Prozess ist für den ganzen Dienstag anberaumt, mehrere Zeugen sollen den Hergang rekonstruieren. Der Vorwurf der Anklage wiegt nämlich schwer, der Arzt soll „keine Einsicht in Befunde“ vorgenommen und „keine dem Geburtsrisiko adäquate Betreuung“ vorgenommen haben. Vielmehr habe er durch sein „eigenes fachärztliches Fehlverhalten“ die Situation verschärft. Zudem wird der Mediziner vom Gutachten belastet. Im Falle einer Verurteilung drohen bis zu drei Jahre Haft.
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