Neue Studie zeigt:

Ukrainer wollen Wien nur noch selten verlassen

Wien
20.12.2023 21:43

Ukrainische Flüchtlinge, die nach Wien kamen, können sich vorstellen, lange zu bleiben. Zudem haben sie tendenziell höhere Bildungsabschlüsse als die Allgemeinbevölkerung in ihrem Heimatland. Das sagte Migrationsforscherin Judith Kohlenberger von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien.

An ihrer Studie nahmen auch Forschende der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) teil. Das Team führte die etwa 1500 Interviews bereits im Frühling 2022. Inhalte waren beispielsweise der sozio-demografische Hintergrund, wirtschaftliche Möglichkeiten und Erwartungshaltungen in Ankunftszentren in Wien sowie Krakau.

Flüchtlinge haben höhere Bildung
Eines der Ergebnisse: Die Geflüchteten sind höher gebildet als die Allgemeinbevölkerung in der Ukraine. In dem Kriegsland haben ungefähr 30 Prozent der 25- bis 64-Jährigen einen Studienabschluss, in der Krakauer Stichprobe liegt der Anteil bei 66 Prozent und in Wien gar bei 83. Das wird damit erklärt, dass diese Menschen oft finanzielle und soziale Mittel für eine Flucht hätten.

Ukrainische Flüchtlinge überqueren die Grenze zu Polen. (Bild: AP)
Ukrainische Flüchtlinge überqueren die Grenze zu Polen.

Deutschkenntnisse und Lebensqualität spielten Rolle
Durch die „Massenzustrom-Richtlinie“ hatten Ukrainerinnen und Ukrainer nicht nur eine legale Möglichkeit, zu flüchten, sondern konnten sich auch ihr Zielland aussuchen. Für Österreich haben den Befragungen nach unter anderem zuvor bestehende Deutschkenntnisse, die hohe Lebensqualität, Freundschaften, Verwandte und Bekannte in Wien und frühere berufliche oder private Aufenthalte gesprochen. Soziale Netze hätten dann auch bei der Integration geholfen, sagte Kohlenberger.

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Es geht eben nicht um Sozialleistungen, wie oft kolportiert wird, sondern meist um vorhandene soziale Netze im Zielland.

Judith Kohlenberger, Migrationsforscherin

„Das verdeutlicht, dass auch bei zur Flucht gezwungenen Personen die Entscheidung zum Aufbruch sowie die Wahl des Ziellandes multikausal ist - es geht eben nicht um Sozialleistungen, wie oft kolportiert wird, sondern meist um vorhandene soziale Netze im Zielland.“

Ukrainische Flüchtlinge im Ankunftszentrum Wien (Archivbild) (Bild: Klemens Groh)
Ukrainische Flüchtlinge im Ankunftszentrum Wien (Archivbild)

Polen-Wahl wegen geografischer Nähe
Das Nachbarland Polen wurde hingegen häufig aufgrund der geografischen Nähe zur Ukraine gewählt. Dementsprechend sei auch die Bereitschaft, in Krakau zu bleiben, deutlich geringer als in Wien. In Polen sei es für die Flüchtlinge jedoch leichter, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Jede fünfte Person gab in der Befragung an, in ihrem Heimatland in Gesundheits- und Bildungsberufen tätig gewesen zu sein.

„Da die Dequalifizierung, also der Umstand, unterhalb der jeweiligen Qualifikationen am Arbeitsmarkt tätig zu sein, bei Frauen nachweislich ausgeprägter ist, sollte die überwiegend weibliche Flüchtlingsbevölkerung aus der Ukraine mit niederschwelliger Kinderbetreuung, berufsbegleitender Weiterbildung und flexiblen Arbeitszeiten unterstützt werden“, appellierte Kohlenberger.

Neun Millionen Ukrainer auf der Flucht
Aktuell sind laut dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR mehr als neun Millionen Menschen aus der Ukraine auf der Flucht, fast sechs Millionen von ihnen innerhalb Europas. Die Wiener Erhebung wurde im Austria Center Vienna durchgeführt, dort hatten die Geflüchteten Behördengänge zu erledigen. Ukrainische Studierende und Forschende haben mitgeholfen.

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