Nach dem jüngst verkündeten Vorhaben der EU-Kommission, den Wolf von „streng geschützt“ zu „geschützt“ herabzustufen, gehen die Wogen hoch. Tierschützer gehen davon aus, dass eine solche Entscheidung die Lage „nur verschlimmern“ wird und orten eine populistische Kampagne auf Kosten der eigentlich so nützlichen Raubtiere.
Es ist nach der vielen Aufregung rund um das Raubtier kaum zu glauben, aber Österreich zählt insgesamt nur magere drei nachgewiesene Wolfs-Rudel plus Einzeltiere, die gerade auf der Suche nach einem Partner sind. Insgesamt gebe es zwischen 50 und 70 Wölfe bei uns, schildert der für den Umweltverband WWF tätige Experte für nationalen Artenschutz Christian Pichler im Gespräch mit krone.at.
Man ist also noch weit davon entfernt, dass der Wolf in unseren Breiten langfristig überleben kann. Dabei spielt er eine große Rolle bei der Aufrechterhaltung des natürlichen Gleichgewichts: „Die intakte Natur gibt es nur, wenn es auch möglichst viele Arten gibt, die diese Natur am Laufen halten.“ Bei jeder Art, die aussterbe, funktioniere das Gefüge dann nicht mehr so gut, meint der Experte.
Eine Wolfsfamilie besteht aus zwei Elterntieren, die ein Leben lang zusammen bleiben und jedes Jahr Nachwuchs haben. Sobald die Jungtiere alt genug sind, verlassen sie das Rudel und suchen sich selbst einen Partner, mit dem sie eine Familie gründen.
150 Jahre lang ist der Wolf in unseren Breiten nicht zugegen gewesen. Die Folge ist eine Überzahl an Wildtieren. „Das ist unnatürlich“, warnt Pichler. Wegen Verbisses in den Wäldern gebe es jedes Jahr gewaltige Schäden zu beklagen. Das natürlichste und beste Mittel dagegen sei eben nicht der Mensch, sondern der Wolf.
Das Vorhaben der EU-Kommission, zunächst die Berner Konvention und in Zukunft auch die Naturschutz-Richtlinie der EU für Wölfe abzuschwächen, ist für Pichler daher ein „populistischer Angriff, der nicht auf wissenschaftlichen Fakten basiert“. Als Hintergrund vermutet er die im kommenden Jahr anstehenden Europa-Wahlen.
Die EU-Kommission schlägt vor, den Status des Wolfs in der Berner Konvention von „streng geschützt“ zu „geschützt“ herabzustufen.
Damit dieser Vorschlag auch der Berner Konvention vorgebracht werden kann, wird dafür die Zustimmung der Länder innerhalb der EU benötigt.
Sofern der Vorschlag der EU auch durch die anderen Mitgliedsstaaten der Berner Konvention durchgesetzt wird, müsste zusätzlich in der EU die entsprechende Richtlinie geändert werden.
Selbst dann wäre der Wolf nicht vogelfrei, sondern weiterhin geschützt.
Wenn der Wolf gute Chancen hat, in jedem EU-Land zu überleben, sind Abschüsse leichter durchführbar.
„Der Wolf ist ein richtiger Gesundheitspolizist“
„Der Wolf ist ein richtiger Gesundheitspolizist“, wird uns von Pichler vor Augen geführt. Bei seiner Jagd auf Wildtiere erlegt er in der Regel die Schwächsten und Kranksten. Sofern der Mensch diese Aufgabe übernimmt, sieht die Situation ganz anders aus. Dann ginge es eher den Starken und Gesunden an den Kragen, die der Wolf gar nicht erwischt. Aufgrund der natürlichen Auslese der Wildtiere durch den Wolf sind die Tiere in den Wäldern also viel gesünder.
Studien zufolge hat der Wolf einen eigenen Sinn, um Krankheiten aufzuspüren. Mit seiner feinen Nase kann er krankes Wild riechen, bevor gesundheitliche Probleme durch klinische Untersuchungen nachgewiesen werden können. „Es ist also keine Lösung, auf Kosten der Natur und unserer Umwelt den Wolf zu opfern,“ gibt Pichler gegenüber krone.at zu bedenken.
Bauern muss geholfen werden
Durch die Vermehrung des Wolfes leiden allerdings die Landwirte - schließlich werden immer wieder Nutztiere gerissen. Dafür gibt es laut Pichler viel bessere Mittel, als das Raubtier zum Abschuss freizugeben. Etwa sei die Errichtung von speziellen Elektrozäunen, die ein Eintreten des Wolfes verhindern, eine gute wie auch relativ kostengünstige Lösung. Versucht er also, zur Herde vorzudringen, „bekommt er einen Elektroschlag auf die Schnauze“, so der WWF-Experte. Die Raubtiere lernten das mit der Zeit und hielten dann im Normalfall Abstand.
Die Almen brauchen wieder mehr Hirten
Handlungsbedarf sieht Pichler auch auf den Almen: „Es braucht Investitionen in den Herdenschutz, damit man Bauern auf den Almen halten kann.“ Hirten spielen bei der Tiergesundheit eine enorme Rolle. „Durch Unwetter und dergleichen sterben auf Österreichs Almen jährlich Tausende Schafe. Häufig werden die Schafe einfach sich selbst überlassen“, meint Pichler bestürzt.
Wir haben ordentlich Aufholbedarf
Insgesamt müsse das jetzige System umgestellt werden, ohne den Wolf zu verteufeln. „Österreich ist da leider noch sehr hinten nach“, mahnt der Experte. Schließlich können mit angemessener staatlicher Unterstützung und der Errichtung entsprechender Zäune die Nachteile, die sich durch die Wiederkehr der Raubtiere ergeben, leicht aus der Welt geschafft werden. Für Unverständnis sorgt bei den Tierschützern, dass die Politik und oft auch die Landwirtschaftskammer betonen, man brauche keinen Herdenschutz. „Meiner Meinung nach lassen sie einfach ihre eigenen Leute im Stich“, gibt der Experte abschließend zu bedenken.
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