Berg-Karabach-Konflikt
Wenn Krieg die stille Zeit für immer zerbombt
Tausende Familien mussten im Septmeber aus Berg-Karabach fliehen. Monate später sitzt der Verlust über die Heimat noch tief. Auch wenn Armenien die 100.000 Flüchtlinge mit offenen Armen und mit viel Herz aufgenommen hat. Weihnachten wird für die Christen dennoch keine besinnliche Zeit. Die „Krone“ war vor Ort.
Die Hände zittern, der Wind zischt durch das Haus. Im Inneren hat es 13 Grad Celsius. Aber Familie Baghryan strahlt dennoch Wärme aus. „Meine Frau ist heute nicht da. Sie ist mit meinem sechs Monate alten Sohn im Krankenhaus. Hayk hat sich hier so sehr verkühlt, dass er ärztliche Hilfe braucht“, entschuldigt sich Hrayr (35) für die Abwesenheit der Mutter.
Konflikt zwischen Aserbaidschen und ethnischen Armeniern
Drei Familien mit sechs Kindern haben nach der Flucht aus Berg-Karabach im armenischen Ushi ihre neue Bleibe gefunden. Nachbarland Aserbaidschan hat die Region, die völkerrechtlich zu ihnen gehört, monatelang ausgehungert. Am 20. September startete der Krieg. Die dort lebende armenische Bevölkerung konnte nur noch fliehen. Binnen drei Stunden packten 100.00 Menschen ihre Habseligkeiten ein.
Berg-Karabach-Konflikt
- Aserbaidschan hatte am 19. September eine großangelegte Militäroffensive in der Kaukasusregion gestartet.
- Bereits einen Tag später mussten sich die pro-armenischen Kämpfer in der Region geschlagen geben.
- Am 28. September hatte Schahramanjan unter dem militärischen Druck Aserbaidschans die Auflösung BergKkarabachs mit 1. Jänner 2024 verkündet.
- Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zu Aserbaidschan, bis zum September lebten dort aber überwiegend ethnische Armenier.
- Berg-Karabach hatte sich 1991 nach einem Referendum für unabhängig erklärt.
- Dieses wurde international nicht anerkannt und von der aserbaidschanischen Minderheit boykottiert.
Hrayr musste seinen Bauernhof samt 140 Ziegen zurücklassen. Jetzt hütet der 35-Jährige ein paar Hühner. „Mein Bruder und ich können nur als Hilfsarbeiter arbeiten. Wir verdienen nicht genug Geld, um die Miete zu stämmen.“
Das Rote Kreuz unterstützt geflüchtete Familien durch die Vergabe von Essenspaketen, Kochutensilien, psychologischer Betreuung und greift auch finanziell unter die Arme. Doch für viele reicht das nicht aus.
Die Familien haben alles stehen und liegen lassen müssen, um zu fliehen und sie realisieren gerade, dass sie vermutlich nie wieder nach Hause zurück kehren werden. Man spürt und sieht ganz deutlich im Gespräch, wie sehr sie das alles belastet, nicht nur physisch, sondern ganz stark auch seelisch. Viele brauchen dringend Hilfe und Unterstützung.
Martina Schloffer, Internationale Hilfe, Österreichisches Rotes Kreuz
Heiliger Abend in der Fremde
Und wie schaut für die christliche Familie Weihnachten fernab der Heimat aus? „Die besinnliche Zeit hat mit der Übernahme Aserbaidschans geendet. Wir stellen heuer keinen Baum auf“, ist sich Familie Baghryan einig.
Anders praktiziert es Susanna Gasparyan. Sie lebt mit ihrem Sohn Gor (6) in einer kleinen Wohnung in der Hauptstadt Jerewan. Das Appartement ist gemütlich dekoriert und ein glitzernder Weihnachtsbaum erleuchtet das Wohnzimmer. „Wir sind vor einem Jahr nach Armenien, weil mein Mann medizinische Hilfe brauchte. Der Plan war, dass wir wieder nach Berg-Karabach zurückkehren, sobald er wieder gesund ist. Aber es kam alles anders. Er starb vor sechs Monaten. Jetzt können mein Sohn und ich nicht mehr in unsere Heimat. Gor kann es überhaupt nicht verstehen, dass er nicht mehr bei uns im Haus spielen wird“, erzählt die 58-Jährige.
Armenische Bevölkerung zeigt sich großzügig gegenüber den Vertriebenen
Die Mutter kann noch ein paar Monate gratis in ihrem neuen Zuhause bleiben, aber wie es danach weitergeht, weiß sie nicht. „Ich habe so viele Sorgen, dass ich keine Kraft habe zum Nachdenken.“ Dennoch gibt sie nicht auf. Was gibt in so einer ausweglosen Situation noch Hoffnung? Sie kann nicht antworten, sondern blickt mit Tränen in den Augen zu ihrem Sohn.
Hätten die Familien einen Wunsch ans Christkind frei, welcher wäre es? „Wir wollen wieder in unsere Heimat. Mit unserer Sprache und nicht als Aserbaidschaner.“
Spendenkonto Rotes Kreuz:
IBAN: AT57 2011 1400 1440 0144
BIC: GIBAATWWXXX
Online: www.roteskreuz.at/armenien
Diese Reise wurde zum Teil vom Österreichischen Roten Kreuz mitfinanziert.
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