Spöttelt über Kolonie
Nawalny meldet sich erstmals aus dem „Polarwolf“
Wochenlang galt der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny als vermisst, am Montag wurde bekannt, dass er im berüchtigten Straflager „Polarwolf“ im hohen Norden Russlands sitzt. Nun wendet er sich erstmals an die Öffentlichkeit - und scheint durchaus zum Scherzen aufgelegt zu sein.
„Ich habe einen Schaffellmantel, eine Haube mit Ohrenklappen, bald werde ich Filzstiefel bekommen und bei meiner 20-tägigen Anreise habe ich mir einen Bart wachsen lassen. Rentiere gibt es hier zwar nicht, aber dafür riesige, flauschige und sehr schöne Schäferhunde“, sorgt Nawalny in seinem Telegram-Kanal für weihnachtliche, wie auch frostige (im wahrsten Sinne des Wortes) Stimmung. Für Ende der Woche sind in dem Dorf Charp, wo sich die Strafkolonie befindet, besonders eisige Temperaturen angesagt. Fast minus 30 Grad soll das Thermometer demnach dann anzeigen.
„Ich lebe nun hinter dem Polarkreis ... Ich sage nicht ‚ho-ho-ho‘, sondern ‚o weh-o weh-o weh‘, wenn ich aus dem Fenster schaue und dort Nacht, dann Abend und dann wieder Nacht ist“, meint Nawalny.
„Meine Laune ist trotzdem super“
Die 20-tägige Anreise sei ziemlich ermüdend gewesen. „Aber meine Laune ist trotzdem super, wie es sich für Väterchen Frost gehört.“ Als „Väterchen Frost“ oder „Djed Moros“ (Russisch) wird der russische Weihnachtsmann bezeichnet. Er beschenkt die Menschen in der Neujahrsnacht und wird dabei von seiner Enkelin „Snegurotschka“ (zu Deutsch: Schneeflöckchen) unterstützt.
„Sie haben mich am Samstagabend hierhergebracht. Sie haben mich mit solchen Vorsichtsmaßnahmen und über eine derart seltsame Route transportiert, dass ich gar nicht damit gerechnet habe, dass mich vor Mitte Jänner jemand finden würde."
Es habe ihn daher sehr gewundert, als man die Tür zu seiner Zelle geöffnet und ihm verkündet habe: „Ihr Anwalt ist da.“ Er habe Nawalny erzählt, dass sich die Menschen Sorgen um ihn machten. „Danke für eure Unterstützung“, zeigte sich der Putin-Gegner sichtlich erfreut.
„Ich kann euch noch nicht mit Geschichten über die polare Exotik unterhalten, da ich außer der Zelle leider noch nichts gesehen habe. Vom Fenster aus sieht man nur einen Zaun“, schildert Nawalny.
Wachposten wie im Kino
„Und spazieren war ich noch. Der Hof ist eine etwas größere Zelle mit Schnee auf dem Boden. Ich habe auch einen Wachposten gesehen - nicht so einen wie in Zentralrussland, sondern wie im Kino - mit Maschinengewehren, warmen Fäustlingen und Filzstiefeln. Mit diesen sehr schönen flauschigen Schäferhunden.“
„Also, macht euch um mich keine Sorgen“, so Nawalny. Alles sei gut. „Ich bin furchtbar froh, dass ich endlich angekommen bin.“
„Wenn ich schon Väterchen Frost bin, dann interessiert euch wahrscheinlich, wie das mit den Geschenken aussieht. Aber ich bin schließlich Väterchen Frost unter verschärften Bedingungen. Daher bekommen nur jene Geschenke, die sich sehr schlecht verhalten haben“, witzelte der Oppositionelle mit einem Zwinkersmiley.
„Die Bedingungen dort sind brutal“
Nawalnys Team hatte am Montag darüber informiert, dass der Oppositionsführer nach langer Suche von einem Anwalt in dem Lager IK-3 in Charp im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen gefunden worden sei. Die russischen Behörden hatten keine Angaben zu Nawalnys Verbleib gemacht, nachdem er das vorherige Straflager im Gebiet Wladimir rund 260 Kilometer von Moskau Anfang Dezember verlassen hatte.
Das für seine harten Haftbedingungen berüchtigte Straflager „Polarwolf“ liegt mehr als 2000 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Die schwer zugängliche Region ist für ihren Permafrostboden bekannt. „Die Bedingungen dort sind brutal“, sagte Nawalnys Mitarbeiter Iwan Schdanow. Es handle sich um eines der nördlichsten und entlegensten Straflager überhaupt. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass Moskaus Machtapparat den Gegner Putins isolieren wolle.
Beißende Kritik an Putin
Der unter anderem wegen angeblichen Extremismus zu 19 Jahren Haft verurteilte Nawalny führt immer wieder Klagen gegen den Strafvollzug wegen Verletzung seiner Rechte. Er nutzt die Gerichtsauftritte nicht zuletzt zur beißenden Kritik an Putins autoritärem System und Moskaus Krieg gegen die Ukraine. Zuletzt wurde Nawalny mit Beginn des Wahlkampfes zu den Verhandlungen nicht mehr zugeschaltet.
Zugleich hatten die Kremlgegner um Nawalny Anfang Dezember auch die Kampagne „Russland ohne Putin“ begonnen, mit der sie Wähler vor der Präsidentenwahl dazu aufrufen, durch die Stimmabgabe für andere Kandidaten ihren Protest zu äußern. Putins Mitbewerber gelten aber als chancenlos. Viele unterstützen den Präsidenten sogar.
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