Schelte für Aktivisten

Gewessler zu Klimaklebern: „Maß und Ziel verloren“

Politik
28.12.2023 09:57

Die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler hält Klebeaktionen nicht für das geeignete Mittel, um den Klimaschutz voranzutreiben. Den Unmut der Bürger könne sie verstehen. Die Letzte Generation würde vieles zerstören, was Fridays for Future aufgebaut habe.

Fridays For Future habe die Klimapolitik in Europa deutlich vorangebracht. Ohne die Gruppe wäre die EU in Sachen Green Deal „in vielerlei Hinsicht nicht so weit“. Die aktuelle Diskussion und die Aktivitäten der Letzten Generation würden nun aber zeigen, dass auf allen Seiten „der Blick für Maß und Ziel verloren gegangen“ sei. Die Ministerin könne den Unmut vieler Menschen verstehen, wenn Straßen auf dem Weg in die Arbeit oder zur Schule blockiert werden.

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Ich bin dort hingegangen, wo die Entscheidungen fallen, und habe protestiert.

(Bild: APA/ROLAND SCHLAGER)

Gewessler zu ihrer Zeit als Aktivistin

„Da muss man sich auch die Frage gefallen lassen, ob das dem gemeinsamen Anliegen Klimaschutz noch nutzt oder schon mehr schadet“, sagte Gewessler. Ziel beim Klimaschutz in einer parlamentarischen Demokratie sei es schließlich, Mehrheiten zu finden. Immer mehr Menschen zu verärgern sei nicht förderlich. Sie selbst habe in ihrer Zeit als Aktivistin zu anderen Aktionsformen gegriffen: „Ich bin dort hingegangen, wo die Entscheidungen fallen, und habe protestiert.“

Gegen Gesetzesverschärfung
Gleichzeitig sei es, auch angesichts des Nahostkonflikts, „völlig unangebracht, mit hanebüchenen Terrorismus-Vergleichen zu agieren“, sagte die Ministerin. Bei den Klebeaktionen handle es sich um zivilen Ungehorsam und diese Protestform habe in einer starken Demokratie auch Platz.

Wenn Proteste über das Ziel hinausschießen und es zu Sachbeschädigungen oder Gefährdung von Personen komme, gebe es Gesetze und Regeln, die anzuwenden seien. Gesetzliche Verschärfungen, wie oft aus den Reihen des Koalitionspartners ÖVP gefordert, sind aus Sicht der Ministerin nicht notwendig.

Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt aktuell gegen 29 Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation wegen des Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung. Solche Ermittlungen seien Entscheidung der Justiz, „und ich habe volles Vertrauen in die unabhängige Justiz, die braucht keine politischen Zurufe“, erklärte Gewessler.

Die Umweltschutzorganisation Global 2000, deren Geschäftsführerin Gewessler bis 2019 war, hatte „die Kriminalisierung von friedlichem Protest“ Anfang Dezember scharf kritisiert und das Vorgehen der Staatsanwaltschaft als „überschießend und unverhältnismäßig“ bezeichnet.

Pendlerpauschale bleibt
Die kürzlich aufgeflammte Aufregung um die vermeintlich drohende Abschaffung des Pendlerpauschales kann die Ministerin nicht nachvollziehen. „Ich habe diese Diskussion für befremdlich gehalten“, sagte Gewessler. Darüber, dass eine Reform des Pauschales sinnvoll ist, seien sich die Koalitionspartner ÖVP und Grüne sowie auch Expertinnen und Experten einig. Ziel sei dabei „mehr Klimaschutz, mehr soziale Gerechtigkeit“.

Von einer Abschaffung sei nie die Rede gewesen. „Ich halte es für unehrlich und auch unseriös, das zu unterstellen“, sagte die Ministerin. Zuständig für die Reform sei das ÖVP-geführte Finanzministerium.

Pendler sind häufig auf das Auto angewiesen:

Ausgelöst wurde die Debatte indirekt von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP), der sich bei der Weltklimakonferenz in Dubai einer Initiative aus den Niederlanden angeschlossen hat, um fossile Subventionen abzubauen. Dazu zählt in Österreich neben dem Pendlerpauschale auch der Steuerbonus für Diesel, beides fördert klimaschädliches Verhalten.

Fachleute kritisieren die derzeitige Ausgestaltung des Pendlerpauschales schon länger. Weil die Höhe vom Einkommen abhängt, bekommen Besserverdiener mehr Geld als Schlechterverdiener. Zudem trage es zur Zersiedelung bei und treibe die Bodenversiegelung an.

In Österreich wird es immer wärmer:

Auch der Flugverkehr genießt Steuerprivilegien, der Flugtreibstoff Kerosin ist trotz der klimaschädlichen Emissionen, die bei seiner Verbrennung entstehen, von der Mineralölsteuer befreit. „Ich bin sehr froh, dass das in Angriff genommen wird, nämlich auf der europäischen Ebene, dort, wo es Sinn macht“, sagte Gewessler. Ein entsprechender Vorschlag sei Teil des EU-Klimapakets „Fit for 55“, dieser liege nun im Rat der EU-Finanzministerinnen und -Finanzminister.

Fossile Energien als Druckmittel
Ebenfalls als klimaschädlich kritisiert wird der Energiekostenzuschuss für Unternehmen, weil damit vor allem der Verbrauch fossiler Energieträger gefördert werde, ohne Anreize zum Energiesparen zu setzen. „Wir sind in einer Zeit massiver Herausforderungen“, sagte Gewessler und verwies auf die Verwerfungen auf den Energiemärkten, die vom Angriff Russlands auf die Ukraine ausgelöst wurden.

„Wir haben es in Österreich ganz deutlich gespürt, was Abhängigkeit von russischem Gas bedeutet“, in einer solchen Situation sei es wichtig, Unternehmen und Privaten zur Seite zu stehen. Längerfristig sei es aber notwendig, sich unabhängig von fossilen Energien zu machen, nur so werde Österreich aus der Erpressbarkeit herauskommen, betonte die Ministerin.

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