Massengräber im Süden

Israels Offensive: Sterben erreicht neues Level

Ausland
28.12.2023 13:22

Die Situation im Westjordanland hat sich seit dem Terroranschlag der Hamas dramatisch verschlechtert. Auseinandersetzungen zwischen rechtsextremen Siedlern, dem israelischen Militär und Palästinensern enden immer häufiger tödlich. Währenddessen werden im Gazastreifen Massengräber ausgehoben und Flüchtlinge finden keine Zuflucht.

Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, ist besorgt über die Lage im von Israel besetzten Westjordanland. Der Österreicher rief Israel am Donnerstag in Genf auf, „die ungesetzlichen Tötungen und die Gewalt der Siedler gegen die palästinensische Bevölkerung zu beenden“. Sein Büro hat den Tod von 300 Palästinensern dokumentiert, die im Westjordanland einschließlich Ost-Jerusalem zwischen dem 7. Oktober und dem 27. Dezember ums Leben kamen, geht aus einem neuen Bericht hervor.

Minderjährige unter Getöteten
Darunter seien 79 Minderjährige gewesen. In dem Bericht fordert das Büro Israel unter anderem auf, den Einsatz militärischer Waffen und Mittel bei Maßnahmen zur Strafverfolgung und willkürliche Inhaftierungen und die Misshandlung von Palästinensern zu beenden.

291 Palästinenser seien im Westjordanland einschließlich Ost-Jerusalem von Sicherheitskräften getötet worden, acht von Siedlern, heißt es in dem Bericht. Bei einer Tötung sei noch unklar, wer dafür verantwortlich gewesen sei.

Die israelischen Siedler im Westjordanland sind in Teilen rechtsextrem und gewaltbereit. (Bild: AFP)
Die israelischen Siedler im Westjordanland sind in Teilen rechtsextrem und gewaltbereit.

Vor dem 7. Oktober seien in dem Gebiet in diesem Jahr bereits 200 Palästinenser getötet worden - so viele wie nie innerhalb von zehn Monaten seit 2005. In dem Jahr begann das UNO-Menschenrechtsbüro mit der Aufzeichnung der Todesfälle.

UNO: Israel erniedrigt Gefangene
Zudem hätten israelische Sicherheitskräfte seit dem 7. Oktober mehr als 4700 Palästinenser festgenommen. Diese hätten sich teils nackt ausziehen müssen. Soldaten hätten gegen ihre Köpfe getreten, auf sie gespuckt und sie erniedrigt. Es sei auch zu sexueller Gewalt gekommen.

Unterdessen wurde bei einer Razzia der israelischen Armee im Westjordanland ein weiterer Palästinenser getötet. Das israelische Militär gab an, die Soldaten hätten Wechselstuben ins Visier genommen, denen die Finanzierung militanter Palästinensergruppen wie Hamas und Islamischer Jihad vorgeworfen werde.

Millionen bei Razzia beschlagnahmt
Das israelische Militär sprach von einem „groß angelegten Einsatz zur Beschlagnahmung von Terrorgeldern der Hamas“. 21 Menschen seien festgenommen worden. Ein AFP-Reporter in Ramallah beobachtete, wie Palästinenser israelische Soldaten mit Molotowcocktails bewarfen.

Das Westjordanland gilt als Pulverfass. (Bild: AFP)
Das Westjordanland gilt als Pulverfass.

Das Büro des israelischen Verteidigungsministers Yoav Gallant teilte mit, bei der Razzia seien „Millionen von Schekel für die Hamas und den Islamischen Jihad“ beschlagnahmt worden. Laut der palästinensischen Nachrichtenagentur WAFA belief sich die Summe auf insgesamt zehn Millionen Schekel (rund 2,5 Millionen Euro). Wegen ihrer Aktivitäten würden mehrere der Wechselstuben als terroristische Organisationen eingestuft, erklärte Gallants Büro.

Neue Angriffe im Gazastreifen
Auch im Gazastreifen bleibt die Situation angespannt. Bei neuen israelischen Angriffen im Gazastreifen sind palästinensischen Angaben zufolge 50 Palästinenser getötet worden. Betroffen seien Beit Lahia im Norden, Khan Younis im Süden und Maghazi im Zentrum des dicht besiedelten Küstengebiets, teilte das von der radikal-islamischen Hamas-Organisation kontrollierte Gesundheitsministerium im Gazastreifen am Donnerstag mit.

Israel vermutet, dass sich in Khan Younis die Führungsspitze der militanten Palästinenser-Organisation Hamas versteckt hält. Auslöser des Gaza-Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie andere Gruppen am 7. Oktober in Israel verübt hatten.

Massenflucht endet in Sackgasse
Die israelische Großoffensive hat am Donnerstag eine Massenflucht unter bereits zuvor vertriebenen Bewohnern des Gazastreifens ausgelöst. Zehntausende flohen aus den Bezirken Nuseirat, Bureij und Maghazi im Zentrum des dicht besiedelten Palästinensergebiets. Die Vereinten Nationen sprachen von mehr als 150.000 Menschen. 

„Kleine Kinder, Frauen mit Babys auf dem Arm, Menschen mit Behinderungen und ältere Leute wissen nicht, wohin sie gehen sollen“, erklärte das UNO-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) in den sozialen Medien. Die Organisation bezeichnete die Evakuierungsanordnungen Israels als „gewaltsame Vertreibung“. Die israelische Armee forderte angesichts vorrückender Panzer zum Verlassen der Kampfgebiete auf.

Im südlichen Rafah werden mittlerweile Massenbegräbnisse abgehalten, berichtet die Nachrichtenagentur AP:

(Bild: AP)
(Bild: AP)
(Bild: AP)

Viele Menschen, die zuvor aus dem Norden in die Mitte des Gazastreifens geflohen waren, versuchten, sich in der bereits völlig überfüllten Stadt Deir al-Balah in Sicherheit zu bringen. Sie suchten Schutz in provisorischen Lagern. Ein aus dem Norden geflohener Mann, der bereits länger in einer Schule in Deir al-Balah lebt, sagte der Nachrichtenagentur Reuters am Telefon, die neuen Flüchtlinge würden ihre Zelte überall aufschlagen, wo sie eine freie Fläche fänden. Die Essensvorräte würden knapp.

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