Schau Schlau

Handysucht: „Regulieren statt verbieten“

Unterhaltung
28.12.2023 20:00

Hier ein Griff zum Telefon, dort ein Wischer über das Display: In unserer digitalen Welt ist Handysucht ein großes Thema. Smartphone-Coach Andrea Buhl-Aigner im „Krone“-Interview.

„Krone“: Googlen, chatten, scannen, shoppen: Das Smartphone ist stetiger Begleiter in jeder Alltagslage. Wie sehen Sie den derzeitigen Gebrauch der Geräte?
Andrea Buhl-Aigner: Viele Funktionen bereichern und erleichtern das Leben enorm. Tolle Geräte, keine Frage. Wenn ich mich auf der Straße, im Bus, in der Arbeit und im Wohnzimmer umsehe, sehe ich nach unten gerichtete Gesichter, die auf Bildschirme starren. Der Griff zum Handy erfolgt wie automatisch, in jeder Situation. Das ist kein Zufall. Schlaues Produktdesign und gezielter Einsatz von bestimmten Mechanismen fördern das. Das finde ich bedenklich.

Was beobachten Sie bei Ihren Klienten?
Eltern über 30 haben keine Erfahrungen mit smarten Geräten aus ihrer eigenen Kindheit. „Du bist so oldschool“, hören sie von ihren Kids. Es fehlt Wissen zur richtigen Begleitung und für Gespräche auf Augenhöhe. Gerade ab 10 oder 11 Jahren, wenn die Internetnutzung stark steigt. Wie leicht der Zugang zu Gewalt- und Pornografie-Inhalten online ist, ist vielen nicht bewusst. „Ich habe weder Lust noch Zeit, mich mit dem Zeug zu beschäftigen“, höre ich oft. Oder: „Meine Tochter weiß viel mehr als ich.“ Eine Tatsache, die Eltern häufig abschreckt. Die schnelle, digitale Arbeitswelt macht den Menschen zu schaffen, das Smartphone ist Meister im Unterbrechen. Erreichbarkeit zu jeder Zeit, schnelle Ablenkung und Dauer-Berieselung gehen auf Kosten von Ruhe, Freizeit, Kommunikation, Konzentration und Kreativität.

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„Verbieten bringt nichts. Regulieren Sie, aber lassen Sie sich drauf ein, seien Sie neugierig!“

Smartphone-Coach Andrea Buhl-Aigner

Experten sprechen von der Notwendigkeit, endlich „Medienkompetenz“ als Lehrfach zu integrieren.
In meiner Beratung erlebe ich, dass sich Eltern und Lehrkräfte die Verantwortung gegenseitig zuschieben. Wenn in der Schule Handys, Tablets und Computer eingesetzt werden, sollte auch der Umgang mit den Geräten im Alltag Teil der Übung sein. Kindern ohne Begleitung unbeschränkten Zugang zu internetfähigen Geräten zu geben, ist fahrlässig. Egal, ob zu Hause oder in der Schule.

Ab wann wird das Smartphone zur Sucht?
Das Handy wird unentbehrlich. Es gibt keine Kontrolle über die Nutzung, auch nicht in unangemessenen Situationen. Ist das Gerät nicht verfügbar, kommt es zu Stress oder Streit. Das Interesse an Aktivitäten in der realen Welt sinkt, soziale Kontakte außerhalb des Internets werden uninteressant und verschwinden. Verminderter Schlaf durch übermäßige Nutzung in der Nacht, dadurch ein Leistungsabfall im Alltag. Wenn Sie bei dieser Liste sehr oft nicken mussten, rate ich, eine Beratungsstelle zu kontaktieren.

In der heutigen Digitalen Welt ist die Sucht nach dem Handy oder Ipad bei Kindern ein großes Thema. (Bild: stock.adobe.com/Seventyfour)
In der heutigen Digitalen Welt ist die Sucht nach dem Handy oder Ipad bei Kindern ein großes Thema.

Wie gehen Sie dann vor?
Sie bekommen eine Kombination aus Digital-Wissen, Handlungsalternativen und Empfehlungen für Gespräche zu Hause. Sie nehmen sich das, was Sie brauchen und was zu Ihrer Erziehung und Ihrem Leben passt. Ich helfe dabei, Gewohnheiten zu erkennen und zu sortieren. Im Programm lernen Sie, wie Sie Ihre Kinder online schützen, Geräte richtig einstellen, die mentale Gesundheit erhalten und Medienstress vermeiden.

Was raten Sie in Sachen kompetente Handynutzung?
Verbieten bringt nichts. Regulieren Sie, aber lassen Sie sich drauf ein, seien Sie neugierig! Wenn Ihr Kind mehr weiß als Sie - perfekt - lassen Sie sich die unbekannten Dinge erklären. Sprechen Sie darüber, interessieren Sie sich dafür. Sie werden sonst den Anschluss verlieren. Smartphones werden bleiben, gewöhnen Sie sich dran. Schützen Sie Ihr Kind im Internet so, wie Sie es sonst auch tun. Sie würden Ihr Kind beim ersten Mal vermutlich auch nicht allein auf die Straße schicken oder in einem Raum voller Fremder allein lassen.

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