Benkos Reich zerfällt

Peschorn: Signa-Zerschlagung nicht auszuschließen

Wirtschaft
30.12.2023 06:00

Der Anwalt der Republik geht mit dem System Benko hart ins Gericht: Wolfgang Peschorn bezeichnet das Geschäftsmodell als „zweite Sünde an der Jugend nach der Klimakrise.“  

Das Imperium von René Benko zerbröckelt. Mehr noch: Es verfällt zusehends zur Ruine. Angesichts der Entwicklungen fühlt sich der Präsident der Finanzprokuratur Wolfgang Peschorn bestätigt. Die Finanzprokuratur vertritt in den Insolvenzverfahren der Signa die Interessen der Republik.

Signa wollte sich freikaufen
Bei der kika/Leiner-Insolvenz wurde mit Zustimmung des Insolvenzgerichtes und der Gläubigerschutzverbände vom Verwalter vereinbart, dass die Signa Holding mit einer Zahlung von 20 Millionen Euro alle Ansprüche gegen alle Gesellschaften der Signa, Organe und Berater bereinigen kann.

(Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)

Mit dieser Vereinbarung war der Anwalt der Republik alles andere als zufrieden. Er pochte darauf, dass Signa gleich die volle Summe einzahlen solle und nicht in vier Tranchen zu je fünf Millionen. Es wäre besser gewesen, das Insolvenzgericht und der Gläubigerausschuss wären dem Vorschlag des Anwalts der Republik gefolgt. Nur eine Tranche von fünf Millionen Euro hat die Signa Holding gezahlt.

Zahlungen werden wohl weiter ausbleiben
„Diese ausständigen restlichen 15 Millionen Euro sind nun eine Insolvenzforderung. Das heißt, die Gläubiger von Kika/Leiner erhalten eine Quote. Wie hoch die sein wird, wird sich erst entscheiden“, so Peschorn. Rund 49 Millionen Euro schuldete Kika/Leiner dem Staat aus Steuern, die in Covid-19 Zeiten gesetzlich gestundet wurden. Durch die jetzt ausbleibenden Zahlungen der Signa Holding wird sich der Ausfall von 80 Prozent leider nicht mehr wesentlich verringern. Insgesamt belaufen sich die Verbindlichkeiten nämlich sogar auf 150 Millionen Euro.

(Bild: APA/dpa/Marcus Brandt)

Was am Ende auf die offenen Euro 15 Millionen noch gezahlt wird, „hänge davon ab, welche Quote aus der Insolvenz der Signa Holding erfolgen wird“. Besonders bedauerlich ist, dass alle Gesellschaften, Organe und Berater des Signa-Unternehmenskonglomerats durch diese Vereinbarung von ihren Haftungen aus der Insolvenz Kika/Leiner befreit wurden. „Diese Haftungsbefreiung bleibt aufrecht“, definiert Peschorn.

Peschorn bei Sanierungsplan skeptisch
Bis 12. Februar muss sich klären, ob der von Signa Holding Management erstellte Sanierungsplan plausibel ist. Peschorn ist skeptisch, ob diese kurze Zeit für eine sorgfältige Beurteilung ausreichen wird. „Es muss die Angemessenheit des Sanierungsplans geprüft werden. Dazu muss der Bericht des Sanierungsverwalters dem Gericht und den Gläubigern Aufschluss geben können, ob eine bessere Quote als die vorgeschlagene von 30 Prozent möglich ist.“

Denn nicht nur, dass am Donnerstag auch das Filetstück des Konstrukts - die Signa Prime (mit 54 Gebäuden und einem Wert von 20 Milliarden Euro) in die Insolvenz schlitterte und einen Tag später die Signa Development, ist die völlige Intransparenz das größte Problem. So gibt es rund 1000 Tochtergesellschaften. „Es fehlt der Überblick. Es stellt sich die Frage, warum das Management bestrebt war, keine Konzernbilanz zu legen. Hier wären dadurch wohl Zusammenhänge sichtbar geworden, die man offensichtlich verbergen wollte. Nämlich Forderungen und Verbindlichkeiten unter den Tochtergesellschaften und die wahre Kapitalbasis des Konglomerats. Jetzt steht man vor einem echten Dickicht an Ansprüchen“, analysiert Peschorn.

„Zerschlagung nicht auszuschließen“
Angesichts des schwer durchschaubaren Konstrukts kann es noch „zu einer Verwertung der einzelnen Unternehmen kommen“. Das heißt am Ende doch eine Zerschlagung? „Das kann man jetzt nicht ausschließen“, so Peschorn. „Um die Gläubiger zu einer Zustimmung zum Sanierungsplan zu bewegen, muss alles transparent gemacht werden.“

„Ziel war höchstmöglicher Gewinn“
Ein Punkt, der alle Experten verwundert ist, dass den namhaften Investoren und Aufsichtsräten wie Alfred Gusenbauer das instabile Konstrukt nie aufgefallen ist oder möglicherweise auch nicht auffallen wollte. Was können die Gründe dafür sein? „Ich spreche immer von Berater- und Interessensnetzwerken. Früher hat man mich nie verstanden, mittlerweile weiß man, was gemeint ist. Ein einzelner Mensch kann so ein Konglomerat nicht aufbauen. Da gibt es Berater, die diese Konstrukte gestalten, und das gemeinsame Interesse von allen Beteiligten am großen Geld. Das Ziel war der höchstmögliche Gewinn der sogenannten Investoren.“

„Zweite Sünde an der Jugend nach Klimakatastrophe“
Das Geschäftsmodell sei nicht nachhaltig gewesen, so der Finanzexperte: „Es erforderte ständig neue Immobiliendeals und die sofortige Aufwertung der gekauften Immobilien nach sogenannten International Financial Reporting Standards. Den dadurch nur in der Bilanz ausgewiesenen Gewinn hat man wohl vordringlich zur Erfüllung der Versprechen an die Investoren verwendet“, erklärt Peschorn. Für den Anwalt der Republik sind solche Geschäftsmodelle, wie sie Benko, aber auch viele andere Immobilien-Jongleure weltweit praktizieren, eine „zweite Sünde an der Jugend nach Klimakatastrophe“. 

Wie kommt der Anwalt der Republik zu diesem harten Urteil? Dieses Geschäftsmodell zielt darauf ab, dass „die in der Zukunft für möglich gehaltenen Gewinne, bereits in der Gegenwart realisiert und schon ausgezahlt werden“, erklärt Peschorn das Modell Luftschloss. „Das sind echte Zeitreisen.“ Die Crux an der Sache: Die ausgezahlten Gewinne müssen im Nachhinein verdient werden  -  das wird sich beispielsweise bei Signa auf Grund von steigenden Zinsen, höheren Baukosten wohl nicht mehr ausgegangen.

Steuerzahler schossen Geld zu
Der deutsche Steuerzahler sponserte Benkos Kaufhauskette Galeria Karstadt Kaufhof mit knapp 700 Millionen Euro. In Österreich hatte der Gesetzgeber in Covid-19 Zeiten kika/Leiner rund 49 Millionen Euro an Steuerstundungen gewährt.

(Bild: APA/dpa/Sina Schuldt)

Also ist der Dumme wieder die Steuerzahlerin, während Benko ein reicher Mann bleibt und abgesehen von der Häme keine persönlichen Konsequenzen fürchten muss?  

„Skandale wären zu verhindern gewesen“
Für Peschorn ist es klar, dass „Verantwortlichkeiten einzufordern sind.“ Jetzt sei in den Insolvenzverfahren zu prüfen, ob es „Ansprüche gegen Organe, Berater und faktische Geschäftsführer gibt.“ Das Einfordern „dieser Verantwortlichkeiten werde in Österreich oft vernachlässigt“, moniert der Anwalt der Republik.

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Mit Sorgfalt und einfachen Fragen wären Skandale wie Signa oder auch Wirecard früh erkennbar gewesen.

Wolfgang Peschorn,  Präsident der Finanzprokuratur

Das gelte gerade auch für diejenigen, die es in der Hand haben, derartige Entwicklungen zu verhindern - finanzierende Banken, Aufsichtsräte und Wirtschaftsprüfer. Viele Verantwortungsträger bei den Banken haben die Ursachen für die Finanzmarktkrise wohl bereits vergessen. Mit Sorgfalt und einfachen Fragen, „wären Skandale wie Signa oder auch Wirecard früh erkennbar gewesen“, gibt der Präsident der Finanzprokuratur zu bedenken.

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