Der Kabarettist, Autor und Menschenkenner Stefan Vögel beantwortet Fragen, die sich andere erst gar nicht zu stellen wagen. Diesmal geht es um die Neuanschaffung von fahrbaren Untersätzen. Was darf man noch, was ist ok, was kann man sich leisten?
Die Frage zum Autokauf ähnelt der Problemstellung in Demokratien, ob man das Wahlrecht nicht doch wieder durch die Wahlpflicht ersetzen sollte. Auch hier überlässt der Gesetzgeber dem Bürger alle vier Jahre (das entspricht bei vielen der Dauer bis zur Anschaffung eines Neuwagens) die freie Entscheidung, ob er zur Wahl gehen will. Und er zwingt ihn nicht etwa am demokratischen Prozess teilzunehmen - mit der paradoxen Begründung, dass eine funktionierende Demokratie auch die Freiheit beinhalten muss, nicht aktiv an der Demokratie teilzunehmen und dennoch deren Schutz zu genießen.
Was zugleich den angenehmen Nebeneffekt hat, dass ein Nichtwähler über JEDE Regierung schimpfen kann, da er keine von ihnen gewählt hat, somit niemals auf das falsche Pferd setzt und zu keinem Zeitpunkt Mitschuld trägt an den Zuständen im Land. Und das alles nur, weil er das Glück hatte, nicht in einer Diktatur geboren zu sein.
Drohender Klimakollaps
Auch beim Kauf eines neuen Fahrzeugs hat der Bürger bislang die freie Wahl: Er kann auf umweltschonende Antriebe umsteigen oder einen Verbrennungsmotor kaufen wie bisher, da ihn der Gesetzgeber nicht zu ersterem zwingt. Der Klimakollaps droht beim massenhaften Verbrennerkauf zwar ebenso wie der Demokratiekollaps beim massenhaft unausgeübten Wahlrecht, und doch entscheiden sich auch bei der Wahl ihres Autos immer noch die meisten für einen Benziner- oder Dieselantrieb nach dem Motto: Sollen erst mal alle anderen saubere Antriebe anschaffen, dann ist für das Klima ohnehin genug getan.
In beiden Fällen überschätzt der Staat das aktive Mitmachbedürfnis seines Bürgers an einer guten Sache, selbst wenn ihn diese existenziell betrifft. Das beweisen die hohen Kaufzahlen von Verbrennungsmotoren ebenso wie die sinkenden Wahlbeteiligungen. Während sich für eine Wahlpflicht aber vergleichsweise einfache und überzeugende Argumente finden ließen (eine halbe Stunde Aufwand für jeden von uns alle vier Jahre, um in einem freien Land leben zu dürfen), so wird man den Umstieg auf Elektro- oder Wasserstofffahrzeuge nicht nur durch Überzeugungsarbeit erzwingen können.
Der homo oeconomicus
Erst wenn die saubereren Alternativen finanziell so attraktiv werden wie der schmutzigere Status quo (und genau DAFÜR hat der Staat durch Technologieförderung zu sorgen), wird die neue Technologie beim homo oeconomicus auch massenhaft Anklang finden. Das hat leider weniger mit dem Klimabewusstsein zu tun als mit der menschlichen Natur und unserer Geldbörse. Oder wie der Amerikaner über das wichtigste Wahlmotiv von allen zu sagen pflegt: It‘s the economy, stupid!
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