Dominik Landertinger:

„Das tut mir richtig weh im Herzen“

Ski Nordisch
12.01.2024 06:12

Dominik Landertinger ist als ORF-Experte und ÖSV-Berater ganz nah dran am österreichischen Biathlon-Team. Im Interview mit der „Krone“ spricht der 35-Jährige über die bislang schwache Saison der heimischen Loipenjäger, Routinier Simon Eder und Probleme aus der Vergangenheit, die Einfluss auf die aktuellen Leistungen haben.

„Krone“: Dominik, wie schätzt du die Saison bisher ein?
Dominik Landertinger: Unser Anspruch ist sicher höher als das, was wir bisher gezeigt haben. Bis auf vereinzelte Rennen entsprechen die Leistungen nicht dem, was wir uns vorgenommen hatten.

Die von Vegard Bitnes trainierten Herren warten seit drei Jahren auf einen Stockerlplatz. Deine Einschätzung?
Wenn ich das höre, tut mir das richtig weh im Herzen. Da gibt es auch nichts zu beschönigen. Jammern bringt jetzt aber nichts, wir müssen das Werkl wieder ankurbeln und massiv in den Juniorenbereich investieren. Da dürfen uns auch keine Fehler passieren.

Welche Fehler wurden in den vergangenen Jahren gemacht?
Wir hatten schon zu meiner aktiven Zeit riesige Nachwuchsprobleme. Hinter mir ist ein unfassbares Loch aufgerissen. Jedem war klar, dass das irgendwann so kommen würde, man hat aber nicht richtig dagegen gesteuert. Viele Athleten sind uns aus unterschiedlichen Gründen weggebrochen. Jetzt haben wir keine Chance, das Loch sofort zu schließen.

Liegt es nur daran?
Um es ganz offen zu sagen: Wir haben in der Gesellschaft ein Riesenproblem. Kinder wachsen heutzutage nicht mehr auf wie ich damals. Ich bin im Wald herumgelaufen. Heute geht’s um Aufsichtspflicht, dass nur ja nichts passiert. Ich bin mit dem Rad gefahren und war immer in Bewegung. Heute sitzen die Kinder nur noch vor dem depperten Handy. Es sind oft banale Sachen, die aber dazu führen, dass es heute an Koordination, Ausdauer und Kraft fehlt. Die Skandinavier sind uns weit voraus, weil sie den Sport ganz anders leben. Im Ostblock hast du derweil diesen Luxus wie bei uns nicht, dort kannst du dir als Spitzensportler ein besseres Leben erarbeiten. Es betrifft aber nicht nur uns, sondern auch andere mitteleuropäische Länder.

Ein Bild aus besseren Tagen: Österreichs Herren-Staffel mit Simon Eder, Christoph Sumann, Daniel Mesotitsch und Dominik Landertinger nach Bronze in Sotschi 2014. (Bild: Privat)
Ein Bild aus besseren Tagen: Österreichs Herren-Staffel mit Simon Eder, Christoph Sumann, Daniel Mesotitsch und Dominik Landertinger nach Bronze in Sotschi 2014.

Welche Rolle spielt das Ehrenamt bei uns?
Wir müssen dafür sorgen, dass wir diese Zellen, in denen es besonders viele Talente gibt, entsprechen fördern und bei Laune halten. Die Vereinstrainer sind jene, die besonders wichtige und gute Arbeit leisten. Gott sei Dank gibt es sie.

Der Klimawandel trägt sein Übriges bei?
Die Schneesicherheit ist natürlich ein Thema. Dort, wo du früher vor der Haustür auf die Loipe gehen konntest, geht das heute oftmals nicht mehr. Da braucht’s schon fanatische Eltern, die ihre Kinder den weiten Weg ins Training und wieder zurückbringen. Wir leben heute in einer Wohlstandsgesellschaft. Wenn’s mal zacher wird, lassen es viele sein. Spitzensport ist aber ein beinhartes Business. Du lernst dafür auch brutal viel für das Leben!

Wird bei uns nicht hart genug trainiert?
Das würde ich nicht sagen. Jeder, der im Weltcup läuft, gibt wirklich alles. Die Frage ist, wie weit es für jeden Einzelnen reicht.

Was sagt es über das Herren-Team aus, wenn Routinier Simon Eder mit 40 Jahren läuferisch der Stärkste ist?
Dass sich die jüngeren Sportler im läuferischen Bereich massiv steigern müssen. Ein 40-Jähriger darf ganz einfach nicht schneller sein als ein 25- oder 28-Jähriger.

Felix Leitner läuft seiner Form hinterher. Wie will man ihn wieder in die Spur kriegen?
Ich hoffe sehr, dass uns das gelingt. Da braucht’s jetzt erst einmal Geduld. Er hat in der Vergangenheit schon Weltklasse-Leistungen gezeigt und dann im Training seine Grenzen gesucht. Irgendwann ist er da in einen Strudel reingeraten, aus dem er nicht mehr rauskommt. Wir dürfen uns in dieser Saison keine Wunder erwarten.

Auch Lisa Hauser konnte bislang nicht an vergangene Erfolge anknüpfen. Deine Erklärung?
Sie ist im Frühjahr ihren eigenen Weg in der Trainingssteuerung gegangen. Fakt ist: Läuferisch und schießtechnisch ist sie schlechter geworden. Da muss sie sich selbstkritisch hinterfragen.

Welche Rolle spielen ihre gesundheitlichen Probleme?
Das kann natürlich ein Grund sein. Ihr Sommer war ja gut. Wenn du aber zwischen der ÖSV-Gruppe und den eigenen Plänen hin und her springst, kann das schwierig werden. Ich hatte das selbst mal probiert, mir ist es damals nicht gut gelungen.

Bist du ein Verfechter einer großen Trainingsgruppe?
Wir hatten 2009/10 zwei starke Gruppen, die ineinander harmoniert und sich gegenseitig gepusht haben. 2014 unter Remo Krug waren alle zusammen, da waren wir auch richtig stark. Es ist eine Philosophie-Frage, ich bin eher für die Gruppe. Ole Einar Björndalen hat allerdings gezeigt, dass er auch als Einzelkämpfer erfolgreich war.

Siehst du Lichtblicke im Weltcupteam?
Bei den Damen entwickelt sich Anna Juppe läuferisch super, Anna Gandler ist eines unserer größten Talente und wird auch ihren Weg gehen. Und mit Tamara Steiner müssen wir auch zufrieden sein, sie hat eine Steigerung gezeigt.

Ein Lichtblick im rot-weiß-roten Team: Anna Gandler. (Bild: GEPA)
Ein Lichtblick im rot-weiß-roten Team: Anna Gandler.

Und bei den Herren?
Da ist es zurzeit tatsächlich schwierig. Hut ab vor Simon. Er ist aktuell derjenige, der den Ton angibt. Die Jüngeren wie Magnus Oberhauser oder Dominic Unterweger kämpfen sich langsam heran.

Wie siehst du Österreichs Serviceteam im Vergleich zu Topnationen wie Norwegen oder Deutschland aufgestellt?
Wir haben im Serviceteam einige Umstellungen gehabt, sind aktuell wirklich super aufgestellt und haben einige sehr erfahrene Leute. Ich glaube auch, dass wir konkurrenzfähig sind. Durch das Fluor-Verbot ist die Ski-Auswahl aber noch wichtiger geworden. Es streut deutlich mehr als vorher. Ich denke trotzdem, dass wir gut dabei sind.

Für Erfolgsmeldungen sorgt derzeit der Nachwuchs. Wie siehst du die Entwicklung der Toptalente?
Aus taktischen Gründen haben wir mit Reini Gösweiner einen unserer besten Trainer in die zweite Damen-Gruppe gegeben. Dort wird perfekt gearbeitet. Anna Andexer entwickelt sich sensationell, was sie gerade abliefert, ist richtig geil! Auch eine Lea Rothschopf oder Lara Wagner zeigen dort auf. Bei den Burschen haben wir mit Fabian Müllauer und Lukas Haslinger zwei richtig Starke und hinten drücken noch zwei, drei weitere nach. Da sollte schon was kommen für die nächsten Jahre!

Sollte man Leute wie Andexer oder Müllauer, die im Junior und IBU-Cup aufzeigen konnten, ins kalte Weltcup-Wasser werfen?
Das werden wir mit den Trainern genau besprechen. Hauptziel ist die Junioren-WM. Die Frage ist auch: Muss es heuer schon sein? Wenn sie aber weiter gute Leistungen bringen, warum nicht? Dann hätten sie es sich auch verdient.

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