Bundeskanzler Karl Nehammer hat sich am Donnerstagabend in der „ZiB 2“ ein langes und hitziges Wortgefecht mit Moderator Armin Wolf geliefert. Der ÖVP-Chef gab sich launig und kämpferisch und war kaum zu bremsen: vor allem, wenn es darum ging, eigene Erfolge aufzuzählen und FPÖ-Obmann Herbert Kickl anzugreifen.
Gleich zu Beginn des Interviews machte Nehammer klar, dass er vorhabe, bis zum Ende der Legislaturperiode mit den Grünen weiterzuregieren und erst im Herbst wählen zu lassen. Die Spekulationen, die Wolf zur Sprache brachte, wonach die Nationalratswahl mit der EU-Wahl im Mai zusammengelegt werden soll, um der ÖVP ein größeres Debakel zu ersparen, wischte er beiseite: „Es gibt noch viel zu tun.“ Und er betonte: „Ich werde auf jeden Fall ÖVP-Spitzenkandidat sein.“
Aufzählen von Erfolgen
Bei der Frage zu Österreichs Nein zum Schengen-Beitritt von Rumänien und Bulgarien lieferte sich der Kanzler ein wortreiches Scharmützel mit dem ORF-Moderator. Beide redeten durcheinander, Wolf hatte es schwer, den Wortschwall von Nehammer zu stoppen, der argumentieren wollte, wie viel man beim Thema Migration und Asyl, dem Dauerbrenner-Thema in der EU, schon weitergebracht habe.
Rätselraten um ÖVP-Spitzenkandidat bei EU-Wahl
Eine klare Antwort auf die Frage, wer Spitzenkandidat der ÖVP bei der EU-Wahl werden soll, ließ sich Bundeskanzler daraufhin aber nicht entlocken. „Ich weiß es schon“, stellte er jedenfalls klar. Die Öffentlichkeit werde es „zeitgerecht erfahren“. Das Ziel sei ein gutes Ergebnis, so Nehammer knapp.
Weit wortreicher verteidigte er die Entscheidung der Volkspartei, im Superwahljahr 2024 einen U-Ausschuss zu „rot-blauem Machtmissbrauch“ einzusetzen. Es gehe darum, die „Breite der politischen Verantwortung aufzuklären“. Die ÖVP will beim U-Ausschuss die Verbindung zwischen dem roten Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer und Immobilien-Jongleur René Benko aufklären. Darauf angesprochen, dass auch Nehammers Vorgänger Sebastian Kurz (ÖVP) regen Austausch mit Benko hatte, betonte der Parteichef: Gusenbauer sei als Aufsichtsratschef und Berater tätig gewesen, bei Kurz gehe es ausschließlich um eine „Geschäftsabwicklung“.
Corona: Keine Entschuldigung, aber Eingeständnis
Richtig in Fahrt kam der Bundeskanzler beim Thema Corona, das er für eine direkte Attacke auf FPÖ-Chef Kickl nutzte - der in Umfragen weit vor Nehammer führt. In der Pandemie „sind Fehler passiert, ja“, erklärte der ÖVP-Obmann. Es sei aber darum gegangen, Menschenleben zu retten, deshalb entschuldige er sich nicht. Entscheidend sei, Fehler zu benennen, betonte Nehammer.
Der Kanzler feuerte daraufhin eine volle Breitseite gegen den FPÖ-Chef ab. „Ein Herr Kickl war niemals bereit, Verantwortung zu übernehmen, niemals bereit, Fehler einzugestehen“, attackierte er seinen Rivalen im Kampf um die Kanzlerschaft. Kickl sei ein „Sicherheitsrisiko“ und habe in seinem „ZiB 2“-Interview am Vortag mehrfach Falschbehauptungen von sich gegeben. Nehammer warf dem freiheitlichen Parteiobmann zudem vor, ein „Schwert als Zunge“ zu haben, aber schwach in der Umsetzung zu sein. So habe er in seiner Zeit als Innenminister doppelt so vielen Afghanen Asyl gewährt wie jetzt ÖVP-Minister Gerhard Karner.
„Kickl alleine ist nicht die FPÖ“
Nehammer blieb bei seiner Linie, eine Koalition mit der FPÖ auszuschließen, solange Kickl Parteichef ist. Gleichzeitig schickte er aber Signale an andere freiheitliche Politiker: „Kickl alleine ist nicht die FPÖ, denken Sie an Norbert Hofer und andere.“ Es gebe innerhalb der Partei Leute, die sich zurzeit nicht trauen würden, in Erscheinung zu treten.
Der kämpferische Auftritt von Nehammer in der „ZiB 2“ war somit weniger ein Jahresbilanz-Interview über die Ereignisse 2023, sondern mehr ein Vorgeschmack auf die bevorstehenden Auseinandersetzungen, die Österreich im Wahlkampf 2024 blühen.
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