15 Jahre nach dem letzten richtig starken Album kehren die Stadion-Punks Green Day endlich wieder mit guter neuer Musik zurück. Das 14. Studioalbum „Saviors“ vereint die Stärken der Vergangenheit mit einer zeitgemäßen Produktion und wiedergewonnenem Feuer. Damit kommt das Trio im Juni zum Nova Rock.
Zugegeben - die letzten Jahre meinten es mit Green Day nicht allzu gut. Zumindest abseits der Bühne, denn wenn es um große Stadionkonzerte und pompöse Festivalshows geht, macht dem kalifornischen Trio kaum jemand etwas vor. Musikalisch fischten Billy Joe Armstrong, Mike Dirnt und Tré Cool aber einige Jahre im Trüben. Der 2012er-Dreischlag „Uno“, „Dos“ und „Tre“ vergaloppierte sich in übertriebener Beliebigkeit, das 2016 veröffentlichte „Revolution Radio“ konnte nicht im Ansatz an so manch legendäres Vorgängeralbum anknüpfen und mit dem kurz vor Einbruch der Pandemie veröffentlichten „Father Of All Motherfuckers“ fand Songwriter Armstrong zwar wieder vom simplen Pop zurück in eine Punkrock-Schiene, schrieb aber die mitunter flachsten und beliebigsten Songtexte seiner Karriere. Dem gegenüber standen in den letzten beiden Jahren massive Stadiontouren mit Weezer und Co., bei denen Green Day aber auch lieber aus der erfolgreichen Vergangenheit schöpften und diverses Neueres ungespielt ließen.
Notwendiger Tapetenwechsel
Dass das mittlerweile 14. Studioalbum „Saviors“ tatsächlich wieder an bessere Zeiten anknüpfen kann, konnten Green Day zwar theoretisch planen, aber unmöglich einfach so umsetzen. Ein wichtiger Faktor war zweifellos der temporäre Umzug nach London, wo man mit Erfolgsproduzent Rob Cavallo einen großen Teil des Albums einspielte. „Wir wollten endlich mal aus Amerika raus und einfach etwas anderes probieren“, erzählt Armstrong dem US-Magazin „Vulture“ in einem Interview, „wir haben konzentriert im Studio gearbeitet, sind dann ins Pub gegangen oder haben die Freizeit im Regent’s Park genossen“. Obwohl Green Day rein kommerziell die größte Punk-Band aller Zeiten sind und die US-Punkrock-Szene wie sonst nur Bad Religion oder The Offspring prägten, waren die britischen Einflüsse schon immer vorhanden. The Clash dienen als offensichtliche Säulenheilige, so manch andere Rotzbuben der ersten britischen Punk-Welle hört man ebenso heraus, wie sanfte Mod-Anleihen oder vereinzelte Britpop-Zitate.
Die Green-Day-Historie will es zudem, dass Jahre mit einer „4“ am Ende fast immer prägend waren. 1994 veröffentlichte die Band das Durchbruchs-Album „Dookie“, das Adoleszenz und Auflehnung junger Menschen im Sonnenstaat Kalifornien beschrieb und eine ganze Generation zum Punkrock und auf die Skateboards brachte. Das 2004 veröffentlichte Meisterwerk „American Idiot“ war eine politkritische Antwort auf die konservativen Jahre der Bush-Ära und ist auch zwei Dekaden später noch immer das wichtigste Album, das dieses Genre hervorgebracht hat. „Saviors“ gelingt im Band-Schicksalsjahr 2024 zwar nicht unbedingt ein ähnlicher Genialitätsstatus, doch als musikalisch kurzweiliges und vor allem auch vielseitiges Werk ist das Album tatsächlich eine in dieser Form fast nicht mehr erwartete Qualitätssteigerung. Armstrong habe vorab nicht genau gewusst, wo er im Songwriting hinwollte und genau diese Unsicherheit soll sich als Stärke erweisen.
Lebensrückschau
Das Songmaterial von „Saviors“ stützt sich grob auf drei Überthemen. Die bekannte und beliebte ironische Politkritik, etwas Nonsens und die Nostalgie, die bei den drei mittlerweile in ihren 50ern stehenden Musikern nicht mehr wegzuschieben ist. Armstrongs Texte bleiben dabei erstaunlich wenig peinlich, womit nach den letzten flachen Werken nicht zu rechnen war. Das balladeske „Father To A Son“ ist mit seinem Dad-Rock-Vibe zwar etwas schwach geraten, dafür sehnt er sich im flotten „1981“ an seine Kindheit und dem Aufkommen der MTV-Ära zurück. In „Dilemma“ hingegen geht der Frontmann zurück in die jüngere Vergangenheit und thematisiert seine wiederkehrenden Alkoholprobleme, die im Sommer 2022 auf der „Hella Mega“-Tour schlagend wurden. „Ich hatte einfach Angst irgendwas zu verpassen, deshalb bin ich wieder in diesen Zirkel gerutscht. Jetzt hänge ich mit Freunden in Bars ab, wir trinken alkoholfreies Bier, rauchen ein paar Zigaretten und um 2 Uhr bin ich spätestens im Bett.“
„Saviors“ gelingt in 15 Songs das Kunststück, die ungezwungene Punkrock-Ästhetik der jugendlichen 90er-Jahre mit dem Ernst des Lebens aus der „American Idiot“-Phase zu kombinieren. Die als erste Single ausgekoppelte Erfolgsnummer „The American Dream Is Killing Me“ geht dabei stärker in die Richtung der sozialen Befindlichkeit in Amerika, als dass sie direkt Politiker wie Donald Trump anprangert. Opioid-Süchtige, die hohe Arbeitslosigkeit und das Obdachlosenproblem stehen an der Front. Politiker direkt zu persiflieren wäre vor dem Aufkommen von Social-Media-Plattformen einfacher gewesen, so Armstrong. Humorige Nonsens-Songs wie „Look Ma, No Brains!“ oder „One Eyed Bastard“ dürfen auch nicht fehlen. In „Corvette Summer“ spielt die Band mit einer Cowbell und rückt stärker in die Nähe ihrer Stadion-Rock-Gegenwart, „Coma City“ hingegen atmet die unbeschwerte Luft der frühen Tage und versucht mit einer Punk-Dringlichkeit das Lebensgefühl der alten Tage aufleben zu lassen.
Endlich wieder bissig
Nach dem schleichenden Ende von Sum 41 und der seit Jahren markanten musikalischen Bedeutungslosigkeit von The Offspring könnten Green Day tatsächlich die „Saviors“ des Punkrock der älteren Generation sein. Neben den wiedererstarkten Blink-182 bleiben sie die relevanteste Band ihres Subgenres und schaffen es nach eineinhalb Dekaden wieder eine Songsammlung zu veröffentlichen, die nicht schon nach zwei Wochen abgespielt sein wird. Ob es die Zeit in London, der überschrittene 50er oder die Rückschau auf ihre zwei größten Erfolgsalben war, mit denen man das ganze Jahr über Jubiläumstouren veranstaltet - Green Day haben wieder ihren Biss gefunden. Dass sich die Band dabei nicht mehr neu erfindet, ist logisch und nachvollziehbar. Revolutionen sollen die Jungen anstoßen, die Elder Statesmen des Punk sehen sich als Bewahrer ihrer Kunst und tun das mit Feuereifer und großer Lust auf beide Welten: die fetten Stadionbühnen und abgeranzte Punk-Clubs. 2024 widerspricht sich diese Haltung längst nicht mehr.
Live am Nova Rock
Im Zuge ihrer großen Tour kommen Green Day diesen Sommer auch wieder nach Österreich. Sie eröffnen am 13. Juni als Headliner das Nova Rock und werden neben den knackigen neuen Songs mit Sicherheit eine bunte Melange aus großen Hits und überraschenden Nummern ihrer fast 40-jährigen Bandgeschichte abliefern. Unter www.novarock.at gibt es alle weiteren Infos und auch Tickets.
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