Salzburg-Trainer Gerhard Struber ist mit seinem Team auf Trainingslager in Marbella. Im großen Interview mit der „Krone“ sprach der Kuchler über die Tage in Spanien, die Leistungen im Herbst, den Spielstil der Bullen und Kritik an seiner Person.
„Krone“: Herr Struber, wie läuft das Trainingslager?
Herbert Struber: Die Trainingstage verlaufen bisher sehr gut. Die Jungs sind mit einem unglaublichen Fokus und einer guten Energie mit dabei. Sie sind neuen Dingen gegenüber sehr offen. Diese haben trotzdem viel mit dem zu tun, was in den letzten Jahren in Salzburg normal war, und den Fußball ausmacht, für den wir stehen. Da müssen wir ein Stück weit auch den Turnaround schaffen und zurück zu einem Fußball kommen, in dem es um Druck gegen den Ball, hohe Intensität und ums proaktive Handeln geht. Wir müssen da jeden einzelnen Spieler reinkriegen und da waren die Trainingseinheiten bisher richtig fruchtbar.
Woran wird gearbeitet?
Wir wollen in jeder Phase stabiler werden. Gegen den Ball wollen wir in einem Spiel die Auslöser finden, die uns die höchste Wahrscheinlichkeit geben, Bälle wieder zurückzugewinnen. Die ganze Mannschaft muss synchron in Bewegung sein. Dafür braucht es am Platz smarte Entscheidungen. Im Ballbesitz sind es Automatismen und Abläufe, wie wir uns am Platz positionieren, um ein Stück weit mehr Kontrolle bekommen, als es im Herbst der Fall war. Durch diese Kontrolle wollen wir eine Dominanz entwickeln, daran arbeiten wir.
Sie haben zuletzt das 3-4-3-System ausprobiert und nicht in der klassischen Mittelfeld-Raute gespielt. Ist das eine Idee für die Zukunft?
Jeder tut sich gegen die Raute extrem schwer. Man muss offen sagen, dass sie unser treuer Partner bleiben wird. In der Raute kennen die Burschen die Abläufe sehr gut. Aber jetzt haben wir die große Chance uns gemeinsam etwas zu erarbeiten, dass wir in einem Spiel auch einmal aus der Raute heraus in eine andere Systematik wechseln können. Dieses Trainingslager gibt uns die Möglichkeit das eine oder andere zu probieren und zu schauen, wie es den Spielern dabei geht. Wir sind im Trainerteam überzeugt, dass wir viele Burschen haben, die in unterschiedlichen Systemen agieren und ihre Stärken ausspielen können. Mit der Spielidee ist das System dann zu füllen und da müssen wir auf jeden Fall noch zulegen. Da sind wir kritisch mit uns selbst.
Der Kader ist auch schön langsam komplett. Wie froh sind Sie darüber?
Ich bin richtig glücklich, wenn dieser Kader, von dem ich voll überzeugt bin, fit und gesund ist. Dann bin ich überzeugt, dass wir in Zukunft auf einer anderen Klaviatur spielen, weil der Konkurrenzkampf hoch ist, weil jeder den nächsten Schritt machen will und weil wir als Team noch mehr zusammenwachsen. Dann ist es für uns realistischer, dass wir Spiele besser dominieren als in der Vergangenheit.
Wie fällt ihr Fazit der Herbstsaison aus?
Ich bin ein selbstkritischer Mensch und sage, dass ich schon gerne im Europacup überwintert hätte. Dass uns das nicht gelungen ist, hat uns allen richtig wehgetan. Der Herbst war eine richtige Herausforderung für mich und das Trainerteam, weil wir so oft viele Ausfälle zu verkraften hatten. Ich muss ehrlich sagen, dass ich so eine Situation noch nie erlebt habe. Eigentlich haben wir einen fulminanten Kader zur Verfügung, aber gleichzeitig mussten wir vom ersten Tag an eine Hypothek an Verletzten mitschleppen. Und dann hat man alle drei Tage ein Spiel und man will diese Entwicklung irgendwie auffangen. Aber man merkt dann, dass sich dieser Domino-Effekt fortsetzt. Es war vor jedem Spiel eine große Herausforderung die richtige Elf zu finden. Ich kannte viele Gesichter im Verein und wusste, wie die Spielidee aussieht, aber trotzdem war es schwierig, den hohen Ansprüchen gerecht zu werden. Salzburg hat in den vergangenen Jahren fast immer gewonnen, deswegen ist ein Remis oder eine Niederlage eigentlich verboten. Falls es im Herbst einmal einen Misserfolg gab, war die Einordnung immer sehr emotional. Für mich war es daher schon wichtig, dass wir intern immer analytisch und klar geblieben sind.
Sie wollten mit Salzburg einen attraktiven, offensiven Fußball spielen. Warum ist das nicht gelungen?
Ich habe bei meiner Antrittsrede gesagt, dass ich attraktiven, offensiven Fußball spielen will. Dazu stehe ich. Aber dafür braucht es Trainingszeit und die hatten wir im Herbst kaum. Die andere Komponente sind die vielen Verletzungen. Jetzt haben wir die Zeit und jetzt muss es auch attraktiver werden. Da mache ich mir auch selbst den Druck. Ich will meine Handschrift am Platz sehen. Im Herbst war es eine Kompromisslösung, die uns trotzdem auf Platz eins in der Liga und ins Cup-Viertelfinale gebracht hat. Aber jetzt will ich die Burschen so sehen, wie ich es gerne hätte - wie es zu Red Bull passt. Von dem waren wir im Herbst schon ein Stück weit entfernt, aber das hatte einige Gründe. Im Herbst gab es auch einen neuen Sportdirektor, einen neuen Mediziner, einen neuen Cheftrainer und ein neues Analyseteam. Wenn man so viele neue Mitarbeiter hat, muss man zunächst ein Vertrauen entwickeln und sich richtig kennenlernen. Von außen schaut man drauf und denkt, dass Red Bull Salzburg immer funktionieren muss. Aber in der Vergangenheit haben viele wichtige Mitarbeiter den Klub verlassen. Und wenn in einer Firma die Führungspersonen gehen und neue Charaktere reinkommen, dann braucht das einfach ein bisschen Zeit.
Wie zufrieden sind Sie mit ihren Angreifern?
Wenn ich alle meine Stürmer zur Verfügung habe, bin ich richtig glücklich. Konate, Ratkov, Simic, Koita und Fernando können sich alle mit der richtigen Spielzeit super entwickeln. Das war im Herbst nicht immer der Fall, weil wir gewissen Spielern eine Bürde zum Toreschießen aufgelegt haben, obwohl die gerade noch beim FC Liefering ihr erstes Halbprofijahr absolviert haben. Die 2. Liga in Österreich ist ja gar keine Profiliga. Für den einen oder anderen ist der nächste Schritt zu früh gekommen.
Wie gehen Sie mit dem Druck in Salzburg um?
Als ich damals nach Barnsley gegangen bin, war es ein brutaler Kampf, da ging es um sehr viel. Jeder weiß, was es heißt, abzusteigen. Das wollte ich als Newcomer-Trainer nicht gleich auf meiner Visitenkarte stehen haben. Für mich persönlich war der Druck dort fast größer als in Salzburg.Ein Abstieg in meiner Anfangszeit hätte mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Jetzt bin ich schon ein paar Jahre länger Trainer. In Salzburg spüre ich schon auch Druck, weil wir beide nationalen Titel einfahren wollen. Aber am meisten Druck mache ich mir selbst. Und ich glaube, dass ich ganz gut damit umgehen kann. Ich weiß, was ich will und wie ich das erreichen kann. Ich habe außerdem viel Vertrauen in meine Kollegen und meine Spieler. Daher bin ich überzeugt, dass wir unsere Ziele, wenn wir alles investieren und klarer in unserem Spielstil werden, erreichen werden.
Von den Fans der Bullen werden Sie immer wieder kritisiert. Kriegen Sie das mit?
Natürlich bekomme ich die Kritik ein bisschen mit. Aber das gehört einfach in dem Beruf dazu. Der Fan will was geboten bekommen, deswegen habe ich dafür auch Verständnis. Der Trainer muss oft die Schuld tragen. Ich kann aber damit umgehen bzw. das richtig einordnen.
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