Schweizer Forscher haben in den Blut-Proteinen von Menschen, die von Long Covid betroffen sind, ein Muster identifiziert. Das könnte künftig dazu dienen, die Erkrankung Long Covid besser zu diagnostizieren und allenfalls auch gezielter zu behandeln, hoffen die Wissenschaftler.
Die Forscher der Universität und des Unispitals Zürich untersuchten dafür über 6500 Proteine im Blutserum von 113 Corona-Infizierten und 39 gesunden Personen, wie aus der am Donnerstag in der Fachzeitschrift „Science“ veröffentlichten Studie hervorgeht.
In Proteinen bestimmtes Muster entdeckt
Bei den Infizierten, von denen 40 Long Covid entwickelten, untersuchten sie das Blutmuster nach sechs und zwölf Monaten erneut. Dabei fanden sie im Blutserum der Long-Covid-Betroffenen ein bestimmtes Muster in Proteinen, die mit einer Dysregulation (Fehlregulation, Anm.) des sogenannten Komplementsystems zusammenhängen.
Das Komplementsystem ist ein Teil des angeborenen Immunsystems und hilft normalerweise dabei, Infektionen zu bekämpfen und beschädigte und infizierte Körperzellen zu entfernen. „Bei den Patientinnen und Patienten mit Long-Covid kehrt das Komplementsystem nicht, wie es sollte, wieder in den Ruhezustand zurück“, erklärte Studienleiter Onur Boyman, Direktor der Klinik für Immunologie am Universitätsspital Zürich.
Das Komplementsystem stellt eine Kaskade von Enzymen dar, die bei der Abwehr von Infektionen zusammenwirken. Diese mehr als 30 Proteine sind im Blutplasma gelöst oder zellgebunden und werden bei der Abwehr von Mikroorganismen (z.B. Bakterien, Pilze, Parasiten) aktiviert. Wirken sie unreguliert, haben sie jedoch auch starke zellschädigende Eigenschaften.
Abwehrsystem schädigt gesunde Zellen
Zudem zeigten die Long-Covid-Patienten erhöhte Blutwerte für Schäden an verschiedenen Körperzellen, einschließlich roter Blutkörperchen, -plättchen und Blutgefäßen. „Bleibt das Komplementsystem aktiviert, geht es auf gesunde Zellen in verschiedenen Organen los und schädigt oder zerstört sie“, so der Immunologe.
„Mit dieser Erkenntnis haben wir ein weitere Puzzleteil zu Long Covid gefunden, das auch erklärt, warum diese Erkrankung zu so vielfältigen Symptomen führen kann“, sagte Boyman. Die neuen Erkenntnisse könnten laut dem Immunologen aber nicht nur zum besseren Verständnis der Krankheit beitragen. Die Forschenden konnten aktives Long Covid anhand des Proteinmusters im Blut entdecken. Dies könnte man sich laut Boyman für die Diagnose von Long Covid zunutze machen.
„Mit dieser Erkenntnis haben wir ein weitere Puzzleteil zu Long Covid gefunden, das auch erklärt, warum diese Erkrankung zu so vielfältigen Symptomen führen kann.“
Onur Boyman, Direktor der Klinik für Immunologie am Universitätsspital Zürich
Verfahren im Spitalalltag unbrauchbar
Allerdings nutzten die Forscher für die Entdeckung der Blutmarker ein sehr komplexes Verfahren, das laut Boyman zur Anwendung im Spitalalltag nicht gebraucht werden kann. Ein solcher Test wäre aber laut dem Immunologen äußerst nützlich, etwa um Long Covid von anderen Erkrankungen, welche zu ähnlichen Symptomen führen, zu unterscheiden.
Außerdem könnte man laut dem Studienleiter allenfalls auf Basis der Erkenntnisse zur Rolle des Komplementsystems eine Behandlung von Long Covid entwickeln. „Es gibt bereits Firmen, die Komplement-Inhibitoren entwickeln“, betonte Boyman. Diese hemmen die Aktivität bestimmter Komponenten des Komplementsystems. Genutzt werden sie zur Behandlung gewisser Autoimmunerkrankungen.
Einige an der Studie nicht beteiligte Forscher warnen aber vor voreiligen Schlüssen. Es sei noch zu früh, direkte therapeutische Konzepte aus den neuen Erkenntnissen abzuleiten oder gar direkt in Therapiestudien einzusteigen, sagte etwa Gabor Petzold vom Universitätsklinikum Bonn gegenüber dem Science Media Center.
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