Fast jede zweite Schwangerschaft ist laut den Vereinten Nationen ungeplant. Drei von zehn werden weltweit tatsächlich abgebrochen. In Österreich gelten Schwangerschaftsabbrüche im Gegensatz zu Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas zwar als sicher, die Versorgung ungewollt Schwangerer ist laut Fachleuten aber ausbaufähig.
So liegt Österreichs Versorgung im Europa-Vergleich nur im Mittelfeld. Dazu tragen laut dem European Abortion Policies Atlas unter anderem der eingeschränkte Zugang und die Verortung im Strafgesetzbuch (wie in 14 anderen Ländern Europas auch) bei. Besser schneiden einige nord- und westeuropäische Länder ab, die den Schwangerschaftsabbruch im Gesundheitsgesetz regeln, öffentlich finanzieren und Kampagnen gegen Desinformation führen.
Bei dem Symposium „50 Jahre straffreier Schwangerschaftsabbruch - und wie weiter?“ kritisierten Fachleute am Mittwoch dieselben Punkte. So seien die Kosten (mehrere Hundert Euro) zu hoch, das Angebot - vor allem in öffentlichen Krankernhäusern - nicht ausreichend sowie intransparent und die Informationen nicht immer neutral. Der Wiener Gynäkologe Michael Adam, der selbst Schwangerschaftsabbrüche durchführt, sagte etwa, dass manche Kolleginnen und Kollegen davor zurückschrecken würden. Einem Teil sei die Beratung zu zeitaufwendig, andere würden sich an vergangene Schwierigkeiten bei Spätabbrüchen erinnern, die inzwischen aber behoben seien.
Betroffene verspüren Rechtfertigungsdruck
Hinzu kommt laut den Fachleuten die gesellschaftliche Stigmatisierung. Wer einen Schwangerschaftsabbruch plane oder durchgeführt habe, verspüre oft einen Rechtfertigungsdruck, weil Mitmenschen die Betroffene als leichtfertig, verantwortungslos und egoistisch darstellen würden, sagte Psychologin Miriam Gertz. Ihrem Eindruck nach sind die wichtigsten Gründe für Schwangerschaftsabbrüche Armut, Beziehungsprobleme und ein als ungünstig empfundener Zeitpunkt (z.B. während einer Ausbildung).
Tatsächlich sind es aber nicht vor allem Jugendliche, die eine Schwangerschaft abbrechen. Die Mehrheit (69,5 Prozent) ist laut Gynäkologin Barbara Maier zwischen 18 und 34 Jahre alt, viele haben bereits ein oder mehr Kinder. Auch Frauen, die über 40 Jahre alt sind, brechen Schwangerschaften ab. Viele Frauen haben maximal ein bis zwei Abbrüche in ihrem Leben, es gebe genauso Betroffene mit mehreren Abbrüchen. In der Beratung sollte nicht gewertet und die Situation individuell betrachtet werden, waren sich die Vortragenden einig.
Erfahrung kann gut bewältigt werden
Ungewollt Schwangere würden eher die Zeit vor dem Abbruch als belastend empfinden, danach seien sie teils erleichtert und froh, sagte Gertz. Eine Studie von Katharina Leithner-Dziubas und Anita Weichberger kam zu dem Ergebnis, dass Betroffene medizinisch notwendige Schwangerschaftsabbrüche nach ungefähr einem Jahr gut bewältigt hatten.
Wie viele Schwangerschaftsabbrüche in Österreich jährlich durchgeführt werden, lässt sich nur schätzen, da es keine offizielle Statistik gibt. Den Fachleuten zufolge entfallen 80 Prozent auf den niedergelassenen Bereich, wobei sich die Betroffenen immer häufiger für den medikamentösen Abbruch mit der Pille Mifegyne entscheiden. Dieser ist bis zur neunten Schwangerschaftswoche möglich. Darüber hinaus gibt es den operativen Eingriff, bei dem der Embryo und die Gebärmutterschleimhaut abgesaugt werden. Diese Methode kann auch nach der neunten Woche noch angewandt werden.
Flächendeckendes Angebot, mehr Telemedizin
Um die Situation für ungewollt Schwangere in Österreich zu verbessern, braucht es laut den Fachleuten eine neue gesetzliche Regelung (vor allem das Streichen aus dem Strafgesetzbuch), ein flächendeckendes Angebot, mehr Telemedizin für den medikamentösen Abbruch und eine Kostenübernahme durch die öffentliche Hand. Zudem sollten Verhütungsmittel auf Kosten der Krankenkasse angeboten und Sexualpädagogik verbessert werden.
Der Artikel basiert auf Vorträgen des Symposiums „50 Jahre straffreier Schwangerschaftsabbruch - und wie weiter?“, veranstaltet von der Österreichischen Gesellschaft für Psychosomatik in Gynäkologie und Geburtshilfe (ÖGPGG), dem Wiener Büro für Frauengesundheit und Gesundheitsziele der Stadt Wien sowie der Österreichischen Gesellschaft für Familienplanung (ÖGF).
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