Foren-Knigge

Ad populum: Der Trugschluss der Massenmeinung

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23.01.2024 15:00

Wir führen unsere Foren-Knigge mit dem bekannten Argumentum ad populum fort. Das bedeutet so viel wie „Argument, bezogen auf das Volk“ oder „Beweisrede für das Volk“. Bei diesem Argumenttypus wird etwas als wahr oder richtig dargestellt, weil es der Meinung der meisten Menschen einer bestimmten Gruppe oder einfach der Meinung von - wie behauptet wird - „allen“ entspricht. Dabei wird ignoriert, dass etwas nicht automatisch zur Wahrheit wird, nur weil viele Menschen davon überzeugt sind, es sei so.

„Wenn es viele sagen, muss es ja stimmen!“
Für eine sinnvolle Diskussion, egal ob in der Politik oder in unserem Alltag, gilt: Wenn jemand etwas behauptet, muss diese Behauptung auch auf irgendeine Art und Weise begründet werden. Die Art der Begründung ist maßgeblich für die Stärke derselben. Und hier kommen Argumente (anders gesagt, Beweise) ins Spiel. Beim Argumentum ad populum handelt es sich um ein unseriöses Argument, um einen reinen Fehlschluss. Es wird davon ausgegangen, dass etwas schon wahr sein wird, wenn es viele, quasi „alle“, sagen. Doch nur weil eine, oftmals auch nur behauptete, Mehrheit von der Richtigkeit von etwas ausgeht, bedeutet das nicht zwingend, dass dem auch so ist. Denn uns allen sollte klar sein, dass die reine Masse von Personen, die etwas glauben, nichts darüber aussagt, ob das, woran geglaubt wird, wahr oder falsch ist.

  (Bild: stock.adobe.com)
 

Das wohl berühmteste Beispiel für einen Trugschluss der Masse, oder anders gesagt, der öffentlichen Meinung, ist eines aus dem Mittelalter. Damals war das geozentrische Weltbild vorherrschend, bei dem angenommen wurde, dass die Erde im Zentrum des Universums steht. Alle Himmelskörper, einschließlich der Sonne, so war man überzeugt, kreisen um die Erde. Dieser Glaube basierte auf dem unmittelbaren Augenschein und entsprach der damaligen Wahrnehmung der Menschen, dass die Sonne im Laufe eines Tages über unseren Himmel zu wandern scheint. Erst mit Nikolaus Kopernikus, der im 16. Jahrhundert ein heliozentrisches Weltbild vorstellte, wurde dieser Glaube infrage gestellt. Heute wissen wir natürlich, dass das geozentrische Weltbild niemals der Realität entsprach und dass die Sonne im Zentrum unseres Universums steht; es verhält sich also genau andersrum, als man in diesen Tagen den Menschen weismachte. Die Kirche, die damals über große Macht verfügte und auch einen Nutzen davon hatte, dass die breite Öffentlichkeit die Erde als Zentrum des Universums ansah, bekämpfte das neue Weltbild und seine Verfechter, wie auch Galileo Galilei, aufs Heftigste, musste aber letzten Endes klein beigeben - belegbare Fakten können nicht ewig geleugnet werden.

(Bild: Animaflora PicsStock - stock.adobe.com)

Das Argumentum ad populum in der Politik
Das Muster rund um die „Beweisrede für das Volk“ hat sich dabei in der heutigen Zeit nicht verändert: Sie wird abseits von Alltagsgesprächen vor allem in populistischen Reden, aber auch in den Medien, sowohl in den traditionellen als auch online, gern verwendet. Es handelt sich um ein manipulatives Scheinargument, das unter anderem ausnutzt, dass Menschen sich prinzipiell gern einer Gruppe zugehörig fühlen und der Mehrheit nicht widersprechen wollen. Damit stellt es eine Unterform des Autoritätsarguments dar, bei dem eine Mehrheit als Autorität angeführt wird. 

Wenn es um Politik geht, wird es besonders gern von Politikern und Politikerinnen verwendet, die im Zuge dessen behaupten, man spreche ja nur die Meinung des Volkes aus und daher vertrete man auch automatisch die richtigen Anliegen. In Wahrheit aber befindet man sich dadurch auf einer emotionalen Argumentationslinie: Man wendet sich häufig vereinfachten Stereotypen und reinen Vorstellungen der Masse zu, anstatt sich einer differenzierten Argumentationsweise zu bedienen. Dabei darf man nicht außer Acht lassen, dass es grundsätzlich in einer Demokratie legitim ist, den Bedürfnissen und Emotionen der eigenen Wählergruppe Beachtung zu schenken. Dennoch sollte das Argumentum ad populum mit Vorsicht behandelt werden und darf keinesfalls als einziger, zwingender Beweis für die Richtigkeit von etwas betrachtet werden.

Arten von Ad-populum-Argumenten

  • Direktes Appellieren an die Mehrheit: 
    Beispiel: „Die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler ist für dieses Gesetz, also ist es ein gutes und berechtigtes Gesetz!“
  • Appellieren an die Tradition:
    Beispiel: „Das wurde schon immer so gemacht, also ist das die richtige Art, so zu verfahren!”
  • Appellieren an die allgemeine Praxis:
    Beispiel: „Alle machen das so, dann ist es so auch richtig!“

Wie sollte man mit Ad-populum-Argumenten umgehen?
Wird man in einem Gespräch mit dieser Art von Argument konfrontiert, kann es hilfreich sein, einen direkten Hinweis auf das Ad-populum zu vermeiden, da diese Vorgehensweise das Gegenüber sofort in die Defensive drängt. Am besten zeigt man daher einfach auf, dass die Wahrheit einer Behauptung nicht von der Anzahl der Menschen abhängt, die daran glauben.

  • Beweisführung hinterfragen: Fragen Sie nach Beweisen oder Begründungen für die aufgestellte Behauptung, ganz abseits von der Menge an Leuten, die davon überzeugt ist.
  • Nach weiteren Argumenten fragen: Es ist immer sinnvoll, mehr als nur ein Argument in petto zu haben, egal auf welcher Seite eines Diskurses man steht. Stellen Sie also die Forderung nach zusätzlichen Argumenten. So erkennen Sie auch recht rasch, ob eine Art Beweiskette vorliegt, was auf eine fundiertere Sichtweise hindeuten kann. 
  • Gegenargumente vorbringen: Stellen Sie klare Gegenargumente dafür heraus, dass etwas richtig ist, nur weil es viele behaupten oder tun. 
    Beispiele:
    „Stiehlst du auch die Sonntagszeitung, wenn andere das tun?“
    „Wenn Millionen Menschen einer Lüge glauben, ist und bleibt es trotzdem eine Lüge.“
    „Viele Menschen rauchen. Das macht Rauchen aber nicht gesund.“
  • Quelle prüfen: Überlegen Sie, wer das Argument vorbringt und warum. Ist es möglich, dass die Person oder Gruppe, die sich auf dieses Argument beruft, voreingenommen ist oder ein besonderes Interesse daran hat, Sie zu überzeugen? Kritisches Denken ist essentiell, um solche Motive zu analysieren. 

  • Emotionale Manipulation erkennen: Ad-populum-Argumente können, wie erwähnt, oft auf emotionaler Ebene genutzt werden, um andere zu manipulieren und von logischen Beweisen abzulenken. Erkennen Sie diese Taktik und lassen Sie sich nicht davon nicht beeindrucken.

Auch die Mehrheit einer Gesellschaft kann sich irren, das hat sich in der Geschichte der Menschheit schon oft bewiesen. Der Wahrheitsgehalt einer Aussage hängt folglich einzig und allein davon ab, ob der Inhalt faktisch richtig ist - nicht davon, wie viele Menschen von ihr überzeugt sind. Behalten Sie das immer im Hinterkopf, dann kann man Sie mit diesem Fehlschluss nicht mehr ködern.

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