Verspätungen und Ausfälle in Österreich und ein bundesweiter Streik in Deutschland machen den Umstieg auf die Bahn immer unattraktiver. ÖBB-Boss Andreas Matthä entschuldigt sich im „Krone“-Interview bei Fahrgästen: Man habe derzeit einfach nicht genug Züge.
Wer am Mittwoch mit dem Zug vom Innviertel ins benachbarte Bayern wollte, wartete teils vergeblich. Wegen eines voraussichtlich sechs Tage andauernden Streiks der Deutschen Bahn (DB) fuhren auch Garnituren nicht, die die ÖBB an der Grenze an die DB „übergeben“ müssen. Zwar hieß es stets, der Regionalverkehr sei nicht betroffen. Wie die Realität im Grenzgebiet von Oberösterreich und Bayern dann zeigte, stimmte das so aber nicht. Wieder einmal traf es vor allem die Berufspendler.
Kurios mutet in der angespannten Situation an, dass die ÖBB das Angebot von Mitbewerber Westbahn, gestrandete ÖBB-Passagiere nach München zu bringen, ausschlugen. Stimmt so aber nicht, meint dagegen ÖBB-Boss Andreas Matthä (siehe auch Interview weiter unten). Das Angebot hätte – da ab der Grenze für die Züge zuständig – an die Deutsche Bahn gehen müssen.
Die gute Nachricht: Kurzfristig gelang es am Mittwoch, dass heimische Lokführer einspringen und zweimal täglich von Wien über Salzburg nach München fahren. Auch die Westbahn nimmt fünfmal am Tag ÖBB-Kunden ohne Aufpreis gerne nach München mit.
555 Euro mehr Gehalt, Zulagen für Nachtarbeit
Auf den Gleisen der Deutschen Bahn (DB) herrscht seit Mittwoch zwei Uhr Früh völliger Stillstand – wie berichtet, legten deutsche Lokführer ihre Arbeit nieder. Es ist der vierte bundesweite Streik beim Nachbarn. Aufgerufen zu dem umfassenden Arbeitskampf hat die Lokführergewerkschaft (GDL). Betroffen davon ist auch der Güterverkehr. Neben den verärgerten Bahnfahrern droht laut Experten auch ein gewaltiger wirtschaftlicher Schaden, da die Güterzüge ebenso nicht auf Schiene sind. Sollte der Streik bis zum kommenden Montag durchgezogen werden, droht der deutschen Industrie ein Milliardenschaden. Die Lokführer indes fordern 555 Euro mehr Gehalt, Erhöhung der Zulagen für Nachtarbeit und eine Verkürzung der Arbeitszeit.
Sorgen, die es in Österreich (noch) nicht gibt. Dennoch leidet nicht nur unser großer Nachbar unter Ausfällen und Verspätungen, wegen Lieferproblemen, aber auch aufgrund von Naturkatastrophen. Wann die von den ÖBB gewohnte Qualität wieder erreicht werden kann, kann auch Matthä nicht beantworten. Man arbeite auf Hochtouren.
Ziel sei, in den nächsten Wochen und Monaten schrittweise besser zu werden. Eine hoffnungsvolle Botschaft hat Matthä doch noch im Reisegepäck: „330 neue Züge sind im Anrollen.“
ÖBB-Boss: „Kernproblem sind fehlende Züge“
„Krone“: Beschwerden von Fahrgästen werden wegen Ausfällen und Verspätungen immer lauter. Viele ärgern sich über alte oder überfüllte Züge. Was ist denn da los bei Ihnen?
Andreas Matthä: Leider halten wir momentan nicht die gewohnte Qualität. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Unsere Fahrgastzahlen sind so hoch wie nie und steigen weiter. Dafür haben wir zurzeit einfach nicht genug Züge. Das wirkt sich auf die Kernversprechen aus: Sicher, pünktlich, komfortabel und mit einem Lächeln.
Wenn man ehrlich ist, haben Sie schon länger Probleme. Letztes Jahr mussten Sie Züge räumen bzw. Menschen stehen lassen. Da sollten Sie doch längst reagiert haben. Haben Sie keine Planung?
Kernproblem sind fehlende Züge wegen Lieferverzögerungen. Wir haben - selbstkritisch gesagt - vielleicht zu optimistisch geplant. Wir warten seit fast zwei Jahren auf neue Nightjets und Railjets. Das betrifft vorrangig den Fernverkehr, wirkt sich aber wie Erdbebenwellen auf den Nahverkehr aus. Wir müssen Züge kurzfristig ersetzen - durch Nahverkehrszüge und älteres Material. Das fehlt dann für die Pendler.
Warum so viele Ausfälle wegen kaputter Züge?
Wegen der angespannten Lage müssen ältere Züge mehr und öfter fahren. Das erhöht die Reparaturanfälligkeit. Die Wartung kommt kaum nach, weil die Züge schnell zum Einsatz kommen sollen. Von Lieferverzögerungen bei Ersatzteilen ganz zu Schweigen - ein Teufelskreis!
Warum fahren Sie nicht einfach weniger oder verringern die Taktung?
Das klingt einfach, ist aber überaus heikel. Wir schauen uns genau an, wo wir ausdünnen und zurücknehmen können. Das Gesamtgefüge muss stimmig bleiben und dort, wo nötig, muss nachgeholfen werden. Fingerspitzengefühl ist gefragt, unsere Kunden verlassen sich ja auf uns. Sie müssen fix wissen, ob ein Zug fährt oder nicht.
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