Moskau behauptet, die Ukraine habe ein Militärflugzeug mit ukrainischen Kriegsgefangenen an Bord abgeschossen und wirft Kiew deswegen einen „Terrorangriff“ vor. Noch ist nicht klar, wer sich an Bord des in Russland abgestürzten Transportflugzeugs befand, oder wodurch er zum Absturz kam. Nun hat der ukrainische Militärgeheimdienst mit einer Mitteilung reagiert, aus der man eine indirekte Bestätigung des Abschusses - und einen schweren Vorwurf - herauslesen kann.
Eindeutig wurde zunächst bestätigt, dass ein für Mittwoch geplanter Gefangenenaustausch, von dem auch Russland sprach, geplatzt ist. „Heute hätte ein Gefangenenaustausch stattfinden sollen, der nicht stattfand“, teilte der ukrainische Militärgeheimdienst HUR am frühen Abend mit. Die Version des Kremls, wonach die ukrainischen Gefangenen an Bord der in der russischen Grenzregion Belgorod abgestürzten Maschine saßen und nun tot sind, bestätigte Kiew nicht. Man habe „keine verlässliche und umfassende Information darüber, wer genau und wie viele sich an Bord des Flugzeugs befanden“, hieß es stattdessen in der Mitteilung.
„Wurden nicht informiert“
Die Ukraine habe ihrerseits alle Vereinbarungen eingehalten und die russischen Soldaten pünktlich zum Austauschort gebracht, teilte der Geheimdienst mit. Weiter hieß es: „Gemäß der Vereinbarung musste die russische Seite die Sicherheit unserer Verteidiger gewährleisten. Zugleich wurde die ukrainische Seite nicht über die Notwendigkeit informiert, die Sicherheit des Luftraums im Gebiet um die Stadt Belgorod in einem bestimmten Zeitraum zu gewährleisten, so wie das in der Vergangenheit mehrfach getan wurde.“
Sowohl per Luft, mit der Bahn oder auf der Straße sei der Transport von Kriegsgefangenen üblich. Diesmal sei man aber weder über die genauen russischen Transportmittel noch die Zahl der Fahrzeuge oder die Routen informiert worden. Das „könnte auf vorsätzliche Maßnahmen Russlands hinweisen, die darauf abzielen, das Leben und die Sicherheit von Gefangenen zu gefährden“, schrieb der HUR.
Abschuss bestätigt?
Viele Beobachter - auch staatliche russische Medien - werten die Stellungnahme als eine indirekte Bestätigung, dass die Ukraine das Militärflugzeug mit ihren eigenen Soldaten an Bord abschoss. Offiziell gibt es eine solche Bestätigung aus Kiew allerdings nicht.
Da die Landung eines Transportflugzeugs in einer 30-Kilometer-Kampfzone nicht sicher sein könne, müsse eine solche Aktion „auf jeden Fall von beiden Seiten besprochen werden, weil sie sonst den gesamten Austauschprozess gefährdet“, hieß es weiter.
Wurde eine Falle gestellt?
„Auf dieser Grundlage könnte man von geplanten und bewussten Aktionen Russlands sprechen, um die Lage in der Ukraine zu destabilisieren und die internationale Unterstützung für unseren Staat zu schwächen“, so die Mitteilung des HUR. Daraus lässt sich der schwerwiegende Vorwurf herauslesen, dass Russland der Ukraine absichtlich eine Falle gestellt habe, im Wissen, dass die Luftabwehr ein Flugzeug, das nicht für den Transport von Kriegsgefangenen bestimmt ist, abschießen würde.
Laut der russischen Regierung wurde das Flugzeug von zwei ukrainischen Raketen vom Himmel geholt. Der Kreml schlachtet den Vorfall für seine Propaganda aus und spricht davon, dass die ukrainische Führung mit diesem Angriff „ihr wahres Gesicht“ gezeigt hätte, indem sie keine Rücksicht auf das Leben eigener Bürger genommen hätte (siehe Video oben). Laut russischem Verteidigungsministerium kamen alle 74 Insassen an Bord ums Leben - 65 davon seien ukrainische Kriegsgefangene gewesen, die am Nachmittag an einem Grenzübergang zur Ukraine gegen gefangene russische Soldaten ausgetauscht werden hätten sollen.
Viele Fragen offen
Währenddessen sind noch viele Fragen offen. So ist unbeantwortet, warum auf dem Absturzort keine Leichen zu sehen sind, oder warum die Maschine noch am Vortag offenbar auf dem Weg in den Iran war. Nach Angaben aus dem ukrainischen Generalstab habe das Flugzeug Flugabwehrraketen S-300 an die Front bringen sollen. Unabhängige Angaben dazu, wen oder was das Flugzeug transportierte, gibt es aber weiterhin nicht. Gesichert ist weiterhin nur, dass eine Maschine vom Typ Iljuschin Il-76 am Mittwoch in der Nähe des Dorfes Jablonowo in der westrussischen Oblast Belgorod abgestürzt ist.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.