Die Zeugenbefragung von Gernot Blümel im Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz bringt bis zur Mittagspause kaum neue Erkenntnisse. Aus seiner „engen Verbundenheit“ zu Kurz macht der frühere Minister keinen Hehl. In Bezug auf den türkis-blauen Sideletter zu Postenbesetzungen entschlägt sich der 42-Jährige - ganz zum Unmut der beiden Oberstaatsanwälte Gregor Adamovic und Roland Koch.
Kurz wird vorgeworfen, seine eigene Rolle bei Personalbesetzungen in der ÖBAG im Ibiza-U-Ausschuss kleingeredet zu haben. Die Angaben des Ex-Kanzlers widersprechen jenen des ehemaligen Vorstands der Staatsholding, Thomas Schmid, der ebenfalls bereits als Zeuge befragt wurde.
„Bis heute eng verbunden“
Gleich zu Beginn seiner Befragung kündigte Blümel an, teilweise von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch machen zu wollen - weil er laut seinem Anwalt eine strafrechtliche Verfolgung wegen falscher Beweisaussage befürchte. Über seine Freundschaft zu Kurz sagte Blümel: „Wir sind bis heute miteinander eng verbunden.“
Kontext einzelner Nachrichten schwer erinnerlich
Richter Michael Radasztics konfrontierte den Zeugen mit Chatnachrichten zwischen ihm und Thomas Schmid. Der Ex-Finanzminister hatte Nachrichten wie „Schmid AG fertig“ und „Du bist Familie“ an Schmid geschrieben.
Blümel meinte, dass ihm das Nachvollziehen einzelner Nachrichten schwer erinnerlich sei. „Es ist schwer zu differenzieren, was ist Erinnerung, was angelesenes Wissen durch das Aktenstudium.“ Auf die Frage des Richters, was Schmid meinte mit der Nachricht ,Das bist du mir schuldig‘, antwortete Blümel: „Das waren saloppe Formulierungen zwischen zwei Leuten, die sich lange kennen. Wir pflegten einen losen, nicht formellen Nachrichtenverkehr.“
Ständig über Personalfragen diskutiert
Angesprochen auf Personalentscheidungen und die Rolle von Kurz sagt der 42-Jährige: „Es ist ständig über Personalfragen diskutiert worden. Das ist ein ständiger Prozess“, sagt Blümel. Je medial relevanter eine Position war, desto mehr sei diskutiert worden.
Was auffällt: Blümel spricht über die Regierungsarbeit immer wieder im Präsens, als wäre er noch mittendrin. Als ihn Herr Rat auf das von Schmid behauptete Vetorecht von Kurz in Bezug auf Personalia anspricht, meint Blümel: „Wenn eine Personalie im Ministerrat besprochen wird, hat jedes Regierungsmitglied ein Vetorecht.“ Was die Bewerbung von Thomas Schmid zum ÖBAG-Vorstand angeht, habe er mit Sebastian Kurz „irgendwann sicher darüber gesprochen.“ Schmid selber habe daraus ja kein Geheimnis gemacht.
„Echt ned mei größtes Problem“
Nach der ersten Pause dreht sich die Befragung um die Bestellung des ÖBAG-Aufsichtsrats. „Dafür war ich inhaltlich nicht zuständig“, antwortet Blümel. Er sei ab und dann um seine Meinung gefragt worden, „aber er war echt ned mei größtes Problem, der ÖBAG-Aufsichtsrat.“ Zuständig sei Finanzminister Hartwig Löger gewesen.
Die „Du bist Famile“-Nachricht an Thomas Schmid begründet er im Gericht so: „Wir kennen uns schon lange“, gibt Blümel an, dass Schmid auch nervig sein konnte. Er wollte ihn mit der Nachricht beruhigen. Im Sinne von: „Alles gut, mach dir keine Sorgen!“
Schlagabtausch mit den Oberstaatsanwälten
Als Gernot Blümel erneut verkündet, dass er bei Fragen in Bezug auf den türkis-blauen Sideletter zu Postenbesetzungen vom Entschlagungsrecht Gebrauch machen möchte, kommt es zu einem Schlagabtausch zwischen ihm und den beiden Oberstaatsanwälten Gregor Adamovic und Roland Koch. Die WKStA ist der Meinung, dass dieses ungerechtfertigt sei. „Mein Anwalt hat mir geraten, mich zu entschlagen, weil die Möglichkeit einer strafrechtlichen Verfolgung droht.“ Radasztics schlichtet den Streit zwischen dem Zeugen und den Oberstaatsanwälten und entscheidet für Blümel: „Es geht um eine potenzielle Gefahr.“ Daher sei die Entschlagung zulässig.
Über den U-Ausschuss lässt Gernot Blümel kein gutes Wort: „Das ist wie ein modernes Scherbengericht.“ Es gehe nur darum, den politischen Mitbewerber zu erledigen. „Und der Kronscherbe ist die heutige Anklage.“ Scherbengericht steht für politisch motivierte Aktionen und Methoden, um vermeintliches Fehlverhalten zu sanktionieren.
Zum Abschluss des 9. Prozesstages skizziert der Richter das Prozess-Finale. Neben weiteren Zeugen am 30. und 31. Jänner, sollen auch die russischen Geschäftsleute am 31. befragt werden. Via Zoom-Videoschaltung aus der österreichischen Botschaft in Moskau. Ein Urteil wird dann am 23. Februar erwartet.
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