Seikovits im Interview

„Man opfert so viel und hofft auf den Durchbruch“

US-Sport
27.01.2024 07:00

Bernhard Seikovits bereitet sich derzeit bei den Arizona Cardinals auf die wohl wichtigste Phase seiner NFL-Karriere vor. Im Gespräch mit „Sportkrone.at“ erzählt der Tight End, wie er mit Rückschlägen umgeht, was er an Österreich vermisst und wie ein Ex-Teamkollege nach dem Super Bowl greift.

„Kronesport“: Bernhard, du wurdest bei den Arizona Cardinals zuletzt mit einem neuen Vertrag für das Practice Squad ausgestattet. Was bedeutet dieser Kontrakt für dich?
Bernhard Seikovits: Ich habe dem neuen Trainer-Team in der vergangenen Saison bewiesen, dass ich ein guter Football-Spieler bin. Sie haben sich dann entschieden, mich zumindest bis zum Trainingscamp dabeihaben zu wollen. Wenn man sich die aktuelle Tight-End-Situation anschaut, ist es eine große Chance für mich. Ich freue mich über diese Gelegenheit und bin bereit, voll anzugreifen.

In der vergangenen Saison gelang der Sprung in den Kader am Ende nicht. Welches Fazit ziehst du dennoch?
Zu Beginn der Vorbereitung gab es hohe Erwartungen. Ich hatte mir durch den Wechsel im Trainerteam vor der Saison gute Chancen ausgerechnet. Leider durfte ich in der Preseason nicht viel spielen, obwohl ich mit meinen Trainingsleistungen zufrieden war. Auch die Trainer haben mir gesagt, dass ich meine Aufgabe gut erledige, aber sie andere Spieler eine Nasenspitze vorne sehen. Solche Entscheidungen sind bitter, aber man muss sie akzeptieren.

Seikovits im Trainingscamp 2023 (Bild: Arizona Cardinals)
Seikovits im Trainingscamp 2023

Wie hast du diesen Rückschlag verkraftet?
Am Anfang war es schwer. Man steckt so viel rein, zieht weg von Familie und Freunden und hofft auf den großen Durchbruch. In meinem zweiten Jahr hatte ich zudem immer wieder von den Trainern gehört, wie gut ich meine Sache mache. Als es dann wieder nicht gereicht hat, war das wie ein brutaler Reset. Aber mir wurde dann schnell wieder bewusst, dass ich in einer guten Situation bin, von der viele Sportler träumen würden. So habe ich mich wieder motiviert. Pessimismus ist ohnehin nicht mein Ding.

Und dann wieder angegriffen …
Ja. Über die restliche Saison habe ich in den Trainings gezeigt, dass ich mir einen Platz im Kader verdient hätte. Mehr als weiter mein Bestes geben, kann ich in der Situation nicht tun. Es gibt leider Dinge im Leben, die man nicht beeinflussen kann. Das ist auch in Ordnung. Ich hoffe aber, dass sich in der anstehenden Preseason meine Chance bekomme. Die Vorzeichen sollten in diesem Jahr auf jeden Fall besser sein. Die Erwartungen sind auf jeden Fall wieder groß.

Wie sieht die Vorbereitung auf das Trainingscamp aus?
In den vergangenen zwei Wochen habe ich mich etwas ausgeruht und etwas Abstand zum Football gewonnen. Jetzt werde ich das Training dann aber Schritt für Schritt intensivieren. Das Ziel ist es, genau zum Trainingscamp auf Topniveau zu sein. Deshalb muss ich es jetzt noch behutsam angehen und nicht ungeduldig werden. Das heißt vorerst Kraft- und Sprinttraining. Das spezielle Football-Training kommt dann später dazu.

Die Cardinals selbst haben eine durchwachsene Saison erlebt. Wie war die Stimmung im Team?
Tatsächlich sehr gut. Wir haben immer zusammengehalten, obwohl recht bald klar war, dass in diesem Jahr nicht viel zu erreichen sein wird. Es gab aber nie irgendwelche Schuldzuweisungen, sondern jeder hat jeden unterstützt. Das ist keinesfalls selbstverständlich und war in der Saison zuvor unter Trainer Kliff Kingsburry deutlich anders.

Abseits der Cardinals, wer war für dich die größte Überraschung und die größte Enttäuschung der Saison?
Obwohl ich schon vor der Saison Erwartungen an die Detroit Lions hatte, sind sie für mich dennoch die größte Überraschung. Enttäuscht hingegen bin ich vom Abschneiden der Jacksonville Jaguars. Bei dem Kader wäre durchaus mehr drin gewesen.

Sind die Lions auch reif für ihren ersten Super-Bowl-Triumph?
Mein Tipp ist immer noch, dass die Baltimore Ravens gegen die San Francisco 49ers im Super Bowl stehen. Den Lions ist aktuell aber auf jeden Fall eine Überraschung gegen die 49ers zuzutrauen. Gegen Baltimore wären sie aber wohl chancenlos.

Ihr ehemaliger Mitspieler Zach Ertz hat vor wenigen Tagen einen Vertrag bei den Lions unterschrieben. Wie viel Sinn macht so eine Verpflichtung zu diesem Zeitpunkt?
Als Zach sich in dieser Saison von uns verabschiedet hat, sagte er, dass er bei einem Team landen möchte, das um den Super Bowl spielt. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es zu diesem Deal kommt. Aber bei den Lions ist auch unser ehemaliger Tight-End-Coach, den er gut kennt. Egal wo Zach Ertz hingeht, er kann das Spiel bereichern. Allerdings ist von den Lions da viel Fingerspitzengefühl gefordert. Du willst natürlich nicht die Team-Chemie in dieser entscheidenden Phase zerstören. Aber wenn Zach gebraucht wird, liefert er ab, davon bin ich überzeugt. Ich wünsche ihm auf jeden Fall alles Gute, denn es ist ziemlich sicher seine letzte Saison.

Zach Ertz im Trikot der Lions (Bild: ASSOCIATED PRESS)
Zach Ertz im Trikot der Lions

Du hast über das „International Player Pathway“-Programm (IPPP) den Sprung von den Vienna Vikings in die NFL geschafft. Florian Bierbaumer versucht jetzt denselben Weg zu gehen. Stehst du mit ihm in Kontakt?
Wir haben uns schon gehört. Ich habe ihm von meinen Erfahrungen berichtet und erklärt, worauf es jetzt ankommt. Wenn es sich ausgeht, werde ich auch ein paar Tage beim Camp in Florida vorbeischauen. Die Entwicklung des Programms verfolge ich ohnehin mit Interesse und umso cooler, wenn wieder ein Österreicher dabei ist. Am Ende muss er aber selbst überzeugen und sich seine Lorbeeren abholen.

Wie ist es, als Wiener in die NFL zu kommen? Wissen deine Mitspieler überhaupt, wo Österreich liegt?
Österreich kennen die meisten nicht. Sie verstehen auch nicht, warum ich Deutsch spreche, aber sage, dass ich nicht aus Deutschland komme. Das geht in viele Köpfe nicht rein (lacht). Als Europäer tut man sich auf dem Football-Feld am leichtesten, wenn man in die USA kommt. Es ist eher das ganze drumherum, das eine große Veränderung ist.

Was genau gehört da dazu?
Die ganze Art. Also nicht nur das Englisch sprechen. Auch so das Alltagsleben. Ich bin in den USA ein anderer Bernhard, als ich es in Österreich bin. Am Anfang war es schwer für mich, die Art der Menschen zu verstehen. Es ist schon ein Unterschied zu dem, was wir in Mitteleuropa gewöhnt sind.

Inwiefern?
Hier ist manchmal alles bisschen oberflächlich. Es gibt wirklich wenige Leute, mit denen ich tiefgründige Gespräche führe. Das hat nicht den Grund, dass man sich gegenseitig nicht mag, sondern das ist einfach nicht ihr Ding. Und ja, so etwas wie Wiener Humor, gibt es in den USA auf jeden Fall nicht.

Dennoch hast du dich mittlerweile gut einleben können?
Ja, das schon. Ich habe erst neulich zu meiner Freundin gesagt, wenn meine Familie auch hier wäre, dann wäre es für mich wie zu Hause. Doch abgesehen davon, fühle ich mich hier sehr wohl.

Gibt es sonst noch etwas, das du aus Österreich vermisst?
Ja, natürlich. Ein paar Essenssachen. Ich habe mir zuletzt etwa ein Brot gebacken (lacht). Weil das ist in den USA nicht mit dem in Österreich zu vergleichen. Aber solche Dinge sind verkraftbar. Schwieriger ist es eben, wenn ich dann an meine Familie denke. Die ist natürlich nicht zu ersetzen.

Wie oft siehst du deine Familie?
Es sind immer mal wieder ein paar Leute auf Besuch. Meine Cousine war zuletzt etwa ein paar Tage da. Ansonsten versuche ich, so oft es geht, nach Österreich zu kommen. So oft ist das aber natürlich nicht möglich. Und wenn ich zu Hause bin, gilt es viele Leute zu besuchen und viel nachzuholen. Da wird die Zeit dann auch schnell knapp.

Seikovits zu Gast in Wien anlässlich seines Football-Camps. (Bild: Mario Urbantschitsch)
Seikovits zu Gast in Wien anlässlich seines Football-Camps.

In Wien hast du vergangenes Jahr ein Football-Camp veranstaltet. Ist das auch heuer wieder geplant?
Wir planen aktuell damit, dass es wieder stattfindet. Da ich gerade versuche, meine Green Card zu erhalten, kann es allerdings sein, dass ich die USA in dem Zeitraum nicht verlassen darf. Es steht also noch in den Sternen, aber die Hoffnung ist groß.

Kannst du dir eine Rückkehr nach Österreich vorstellen oder möchtest du in den USA bleiben?
Die USA sind auf jeden Fall eine Option, deshalb auch der Antrag auf die Green Card. Solange ich hierbleiben und meinen Sport ausüben kann, möchte ich das auch tun. Langfristig allerdings glaube ich, dass ich in Österreich leben will. Auch aus dem Grund, dass eben meine Familie da ist und ich Kinder auch in Österreich lieber großziehen würde, als in den USA.

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(Bild: KMM)



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