„Grausame Strafe“

Außenministerium verurteilt Stickstoff-Hinrichtung

Politik
26.01.2024 13:17

Die erstmalige Hinrichtung eines zum Tode verurteilten US-Straftäters mit Stickstoff hat auch international viel Staub aufgewirbelt. EU-Außenbeauftragter Josep Borrell drückte seitens der Europäischen Union sein tiefes Bedauern über die Exekution von Kenneth Eugene Smith aus. Borrell sprach von einer „außergewöhnlich grausamen (...) Bestrafung“. Auch das Außenministerium in Wien verurteilte die Hinrichtung durch den US-Bundesstaat Alabama.

Das österreichische Außenministerium schrieb auf X: „Wir sind entschieden gegen die Hinrichtung durch den Staat Alabama vergangene Nacht, bei der Stickstoffgas verwendet wurde, und verurteilen sie. Die Todesstrafe ist eine grausame und unmenschliche Strafe, die der Menschenwürde widerspricht. Die weltweite Abschaffung der Todesstrafe bleibt eine Priorität der österreichischen Außenpolitik.“ 

Borrell betonte in seiner Stellungnahme, die EU sei entschieden gegen die Todesstrafe, die „letztlich eine Verleugnung der Menschenwürde“ sei. Hinsichtlich der Stickstoffmethode verwies Borrell am Freitag in einer Aussendung auf die Expertenmeinungen, wonach es sich um eine „außergewöhnlich grausame (...) Bestrafung“ handle. UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk erneuerte in Reaktion auf die Hinrichtung die Kritik der Vereinten Nationen: Die neuartige und unerprobte Methode des Erstickens durch Stickstoffgas könne womöglich „Folter oder einer grausamen, unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichkommen“.

Der Spanier Josep Borrell ist seit Dezember 2020 Außenbeauftragter der Europäischen Union. (Bild: APA/AFP/POOL/François WALSCHAERTS)
Der Spanier Josep Borrell ist seit Dezember 2020 Außenbeauftragter der Europäischen Union.

Eigentlich sollte Smith bereits 2022 hingerichtet werden - ebenfalls per Giftspritze. Dem Gefängnispersonal gelang es damals aber nicht, den dafür Venenzugang zu legen. Nach mehreren Stunden, in denen er angeschnallt auf dem Exekutionstisch lag, wurde er wieder in seine Zelle gebracht. Nach diesem ersten Hinrichtungsversuch wurde Smith eine posttraumatische Belastungsstörung attestiert.

Gegner der Todesstrafe versammelten sich vor der Haftanstalt in Atmore im US-Staat Alabama, um während der Hinrichtung gegen das aus ihrer Sicht grausame Justizsystem zu protestieren. (Bild: AP)
Gegner der Todesstrafe versammelten sich vor der Haftanstalt in Atmore im US-Staat Alabama, um während der Hinrichtung gegen das aus ihrer Sicht grausame Justizsystem zu protestieren.

Alabamas Justizminister: „Neue Methode human und effektiv“
Weder den gescheiterten Versuch noch die Bedenken mit Blick auf die neue Methode werteten Gerichte jedoch als ausreichend, um die Stickstoff-Hinrichtung zu stoppen. Smiths Anwälte scheiterten mit verschiedenen Anträgen vor mehreren Gerichten bis hin zum Obersten Gerichtshof des Landes. Die Verteidiger hatten argumentiert, dass er zu einer Art Testkandidat würde und noch viel zu viele Fragen zu dem neuartigen Prozedere offen seien.

Alabamas Justizminister Marshall tat all das als Druckkampagnen von Aktivisten ab, die die Todesstrafe ablehnten und ignorierten, dass die neue Methode „human und effektiv“ sei. „Alabama hat etwas Historisches erreicht“, verkündete er. Trotz der internationalen Bemühungen von Aktivisten, das Justizsystem zu untergraben und Opfern abscheulicher Morde die ihnen zustehende Gerechtigkeit zu verweigern, biete Alabamas „bewährte Methode“ nun eine Blaupause für andere Staaten.

Die Anwälte von Kenneth Eugene Smith kämpften bis zuletzt gegen die Hinrichtung ihres Mandanten mit Stickstoffgas. (Bild: Alabama Department of Corrections, Lifes_Sunday, Adobe Stock, Krone KREATIV)
Die Anwälte von Kenneth Eugene Smith kämpften bis zuletzt gegen die Hinrichtung ihres Mandanten mit Stickstoffgas.

Augenzeuge: „Das Schlimmste, was ich mitansehen musste“
Bei der Exekution selbst waren nur wenige Medienvertreter als Beobachter zugelassen, darunter eine Reporterin des regionalen Fernsehsenders WHN. Ihr zufolge begann Smith mit dem Start der Stickstoffzufuhr, sich zu winden und zu zittern. Mehrere Minuten lang habe er schwer geatmet, bevor schließlich keine Atemzüge mehr zu beobachten gewesen seien. US-Theologe Jeff Hood, der sich um die spirituelle Begleitung von Häftlingen im Todestrakt kümmert, erklärte in einem TV-Interview: „Es war das Schlimmste, was ich je mitansehen musste.“ Die starken körperlichen Reaktionen hätten auch die anwesenden Gefängniswärter überrascht (siehe auch Tweet unten).

Ein Vertreter der zuständigen Strafvollzugsbehörde wiederum erklärte, Smith habe zum Teil gezuckt und abnormal geatmet. Aber das sei erwartet worden und entspreche dem Forschungsstand zu Stickstoffhypoxie.

Angehöriger des Opfers: „Auch meine Mutter hat leiden müssen“
Bei all der Diskussion der letzten Tage und Wochen schienen allerdings das Opfer und deren Angehörige in Vergessenheit geraten zu sein. Angehörige der Frau, die 1988 bei dem Auftragsmord getötet worden war, reagierten mit Unverständnis auf die Debatte über Smiths mögliches Leiden. Ihr Sohn sagte dem Sender WAAY vor der Hinrichtung: „Einige dieser Leute da draußen sagen, er solle nicht so leiden.“ Doch seine Mutter habe auch leiden müssen. „Sie haben einfach auf sie eingestochen - mehrere Male.“

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