Nach Streit in Graz

Straße wird umbenannt: Stromberger statt Kernstock

Steiermark
27.01.2024 11:00

Lang wurde in Graz gestritten, am 1. Februar ist es soweit: Die Kernstockgasse im Bezirk Gries wird umbenannt. Was ist so verwerflich am Namensgeber Ottokar Kernstock? Und wer ist die neue Namensgeberin Maria Stromberger? 

„Steirische Holzer holzt mir gut / mit Büchsenkolben die Serbenbrut! / Steirische Jäger trefft mir glatt / den russischen Zottelbären aufs Blatt! / Steirische Winzer presst mir fein / aus Welschlandfrüchten blutroten Wein!“ Zeilen wie diese, die 1916 in Peter Roseggers Lyrikband „Steirischer Waffensegen“ erschienen, waren Ottokar Kernstocks Beitrag zum Ersten Weltkrieg.

Kernstocks Verse als Nazi-Ideologie
Es war nicht das erste Mal, dass der 1848 in Marburg geborene Dichter und Priester, der sich ab 1889 im Kloster im oststeirischen Schloss Festenburg niedergelassen hatte, in seinen Gedichten über die Stränge schlug. Mit seiner aggressiven Kriegslyrik, der Beschwörung des Deutschtums und seinem Rassenwahn stieß er zur Zeit des aufkommenden Deutschnationalismus auf große Zustimmung.

(Bild: Christian Jauschowetz)

1923 verfasste er für die nationalsozialistische Ortsgruppe in Fürstenfeld das „Hakenkreuzlied“, das zwar heftig umstritten war, ihm aber auch viele Fans einbrachte. Darin schreibt er etwa: „Wer sich um dieses Zeichen schart, / ist deutsch mit Seele, Sinn und Art / und nicht bloß mit dem Munde ... / Wir fürchten Tod und Teufel nicht, / mit uns ist Gott im Bunde.“

Viele Ehrungen für Kernstock
Trotz, oder gerade wegen solche Zeilen, wurde er vielfach geehrt: Die Uni Graz ernannte ihn 1919 zum Ehrendoktor, Marburg und Wien verliehen ihm die Ehrenbürgerschaft. Die Machtübernahme der Nazis erlebte Kernstock, der 1928 verstarb, zwar nicht mehr, doch als lyrischer Wegbereiter der NS-Ideologie hatte er durchaus einen Anteil an deren späterer Macht.

Die Kernstockgasse in Graz-Gries bekommt nun einen neuen Namen. (Bild: Christian Jauschowetz)
Die Kernstockgasse in Graz-Gries bekommt nun einen neuen Namen.

Und auch nach der NS-Herrschaft verschwand Kernstock nicht ganz aus der Öffentlichkeit: Es gibt Statuen und Denkmäler, die bis heute an ihn erinnern. Auch die Stadt Graz hat lange für die Entscheidung gebraucht, die nach ihm benannte Gasse im Bezirk Gries umzubenennen - in seiner Heimatstadt Maribor hatte man sich übrigens auch erst 2020 zu dem Schritt durchgerungen.

„Engel von Auschwitz“ als neuer Namensgeber
Am 1. Februar nun wird aus der Kernstockgasse die Maria-Stromberger-Gasse. Damit wechselt der kurze Straßenzug von einem lyrischen Ideologen zu einer Frau, die die übelsten Schrecken dieser Ideologie hautnah erlebt hat.

Maria Stromberger wurde 1898 in Kärnten geboren, lebte und arbeitete von 1914 bis 1935 in Graz, wo sie unter anderem als Chefköchin im Gasthof Zotter am Karmeliterplatz tätig war, das ihre Schwester mit ihrem Mann betrieb. Nachdem sie sowohl ihre Mutter als auch ihren Vater bis zu deren Tod gepflegt hatte, machte sie ab 1937 in Vorarlberg die Ausbildung zur Krankenschwester.

Der Auschwitz-Ausweis von Maria Stromberger (Bild: Wikimedia)
Der Auschwitz-Ausweis von Maria Stromberger

Als ihr im dortigen Lazarett die verwundeten Soldaten von den Verbrechen der Wehrmacht im Osten erzählten, meldete sie sich freiwillig zum Dienst als Krankenschwester. „Ich will sehen, wie es wirklich ist, vielleicht kann ich auch et was Gutes tun“, schrieb sie.

Nahrung und Medikamente für Häftlinge
1942 ließ sie sich nach Auschwitz versetzen, wo sie im Krankenrevier des Konzentrationslagers Dienst versah - und den Häftlingen bald positiv auffiel: „Sie begann immer mehr, sich um uns Häftlinge zu sorgen, sie verschaffte uns Nahrung und illegal auch Medikamente“, berichtet einer. Sie unterstützte auch die illegale „Kampfgruppe Auschwitz“, indem sie Briefe der Widerstandskämpfer aus dem Lager hinaus und Waffen für sie hineinschmuggelte.

Das Konzentrationslager Auschwitz (Bild: AP)
Das Konzentrationslager Auschwitz

Für Stromberger freilich waren diese Akte der Menschlichkeit an einem unmenschlichen Ort eine große Gefahr. Mehrmals drohte sie aufzufliegen, was wohl ihren Tod bedeutet hätte. Sie überlebte nur mit viel Glück und durch den Schutz eines Vorgesetzten, der ihr wohlgesonnen war.

Zeugin im Prozess gegen KZ-Kommandanten
Nach dem Krieg wurde sie steckbrieflich gesucht, weil man ihr als Teil des „Systems Auschwitz“ Verbrechen vorwarf. Es waren ehemalige Gefangene des Konzentrationslagers, die sich für ihre Enthaftung einsetzten - und die guten Taten des „Engels von Auschwitz“, wie sie später genannte wurde, bekannt machten. In Polen wurde sie auch dafür gefeiert, dass sie 1947 ein letztes Mal Mut bewies und im Prozess gegen den ehemaligen KZ-Kommandanten Rudolf Höß aussagte.

Von den Erlebnissen in Auschwitz gezeichnet, zog Stromberger sich nach dem Krieg immer mehr zurück. Sie verstarb im Mai 1957 in Bregenz an einem Herzinfarkt.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

Steiermark



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt