Sie bedrohen mehr als 1,6 Milliarden Menschen, sind aber in der öffentlichen Wahrnehmung nur wenig präsent: vernachlässigte tropische Krankheiten (NTD). Eines ist ihnen gemeinsam: Alle haben weitreichende gesundheitliche sowie soziale und finanzielle Folgen für die Patienten.
Die Weltgesundheitsorganisation hat in diesem Zusammenhang 25 Krankheiten definiert, die durch Bakterien, Viren, Parasiten, Pilze oder Gifte entstehen. Dazu zählen viele seit Jahrzehnten bekannte Krankheiten wie Lepra, Schlafkrankheit oder Bilharziose. Eines ist ihnen gemeinsam: Alle haben weitreichende gesundheitliche sowie soziale und finanzielle Folgen für die Patienten.
Sie verstärken den Teufelskreislauf aus Armut, schlechter Bildung, kein oder wenig Einkommen, Krankheit und Behinderung, so die Fachorganisation für Menschen mit Behinderungen „Licht für die Welt“ zum Tag der vernachlässigten tropischen Krankheiten am kommenden Dienstag. Wer Lepra habe, werde zusätzlich zu seinen oder ihren Gesundheitsproblemen sozial stigmatisiert und beziehe ein schlechteres oder kein Einkommen.
Rasche Ausbreitung
Tropische Krankheiten verbreiten sich besonders schnell in Gebieten mit schlechter Infrastruktur wie ländliche Regionen in Armut, Konfliktzonen und Landstriche nach Naturkatastrophen. Ist die hygienische Versorgung schlecht und fließendes Wasser nicht vorhanden, werden Trachom, eine bakterielle Augenerkrankung, Lepra oder die Schlafkrankheit schnell zu einem großen Problem.
Rückschläge durch Corona-Pandemie
Laut „Licht für die Welt“ hat sich die WHO zum Ziel gesetzt, vernachlässigte Tropische Krankheiten bis 2030 auszurotten. Dieses Ziel ist, nach Rückschlägen vor allem durch die Corona-Pandemie, in die Ferne gerückt. Dennoch gibt es Fortschritte: Waren 2010 beispielsweise noch 2,2 Milliarden Menschen von tropischen Krankheiten bedroht, sind es aktuell 1,6 Milliarden. Bis Ende des vergangenen Jahres haben immerhin 50 Länder zumindest eine tropische Krankheit eliminiert. Bis 2030 soll in 100 Ländern zumindest eine Tropenkrankheit ausgerottet sein.
Um welche Krankheiten es sich im Detail handelt, kann der nachfolgenden Liste entnommen werden.
Buruli-Ulkus: eine infektiöse Erkrankung der Haut und Weichteile mit Bildung von teils ausgedehnten Geschwüren. Erreger ist das Mycobacterium ulcerans. Die Krankheit kann zu schweren Verstümmelungen führen, nach Monaten bis Jahren aber auch von selbst ausheilen. Besonders verbreitet ist sie in West-, Zentral- und Ostafrika bei der ländlichen Bevölkerung in der Nähe von Gewässern und Sumpfland.
Chagas-Krankheit: wird durch den Einzeller Trypanosoma cruzi hervorgerufen und durch den Kot von blutsaugenden Raubwanzen übertragen. Hauptsächlich in Mittel- und Südamerika verbreitet, in Bolivien könnte Schätzungen zufolge ein Viertel der Bevölkerung betroffen sein. Tritt beim Menschen in vier Stadien auf, wird chronisch und kann unbehandelt bei bis zu zehn Prozent der Betroffenen zum Tod führen.
Chromoblastomykose: eine Pilzinfektion, die vor allem die Extremitäten betrifft und oft chronisch bleibt. Verursacht kleinknotige Geschwüre, ist oft therapieresistent. Tritt meist in tropischen und subtropischen Regionen auf.
Denguefieber: wird durch ein Virus verursacht, das von Stechmücken übertragen wird. In tropischen und subtropischen Regionen endemisch, weltweit leben etwa die Hälfte der Menschen in endemischen Dengue-Regionen. 80 Prozent der Infektionen verlaufen symptomlos, die restlichen 20 Prozent meist mit leichten bis mittelschweren Symptomen. Schwere Verläufe gibt es selten und, wenn, in der Regel erst nach einer Zweitinfektion. Im schweren Fall kann es zu einem hämorrhagischen Denguefieber kommen, eine Sterblichkeitsrate dieser schweren Verläufe liegt bei ein bis fünf Prozent, kann bei einzelnen Epidemien aber auch 15 Prozent erreichen. Seit kurzem gibt es eine Impfung.
Dracunculiasis oder Dracontiasis: eine durch den Medinawurm hervorgerufene schwere Parasitose. Die Infektion erfolgt vorwiegend in der Trockenzeit, wenn keine geregelte Trinkwasserversorgung besteht und die Bevölkerung auf Wasseransammlungen zurückgreift. Über winzige Ruderfußkrebse gelangen die Larven des Medinawurms in den Menschen, wo sie im Dünndarm freigesetzt werden. Sie bohren sich in die Bauch- oder Brustmuskulatur, wo sie sich paaren. Das Männchen stirbt ab, das Weibchen wird bis zu einem Meter groß. Die Krankheit tritt vor allem im Orient auf. Es gibt keine medikamentöse Therapie, der Wurm kann aber chirurgisch entfernt werden. Nach etwa einem Jahr und einer zwei bis drei Wochen dauernden Larvenabgabe stirbt er aber und das Geschwür, das er verursacht hat, heilt normalerweise aus.
Echinokokkose: Darunter sind Bandwurminfektionen zusammengefasst.
Durch Essen übertragene Saugwürmer: besonders in Ostasien und Südamerika verbreitet. Übertragen durch den Genuss rohen Fisches und von Krustentieren bzw. von Gemüse, das die Saugwürmer beherbergt. Sie verursachen zum Beispiel schwere Lungen- und Lebererkrankungen.
Schlafkrankheit (afrikanische Trypanosomiasis): in Sub-Sahara-Afrika endemisch, wird durch humanpathogene Einzeller hervorgerufen. Sie werden durch die Tsetse-Fliege beim Stich übertragen. Unbehandelt führt die Krankheit zum Tod.
Leishmaniose: eine durch Parasiten ausgelöste Infektionserkrankung, die besonders im östlichen Afrika sowie in Kolumbien und Peru auftritt und durch Sandmücken übertragen wird. Es gibt viele Krankheitsbilder. Gefährlich ist vor allem die Innere Leishmaniose, die ohne Therapie in rund 95 Prozent der Fälle tödlich endet.
Lepra: ist in vielen Ländern des globalen Südens nach wie vor ein ernst zu nehmendes Problem, während sie in Staaten mit funktionierender Gesundheitsversorgung nahezu eliminiert ist. Sie wird durch das Mycobacterium leprae hervorgerufen, die Übertragung erfolgt durch Tröpfcheninfektion. Lepra ist aber nur schwach ansteckend und gilt als heilbar.
Lymphatische Filariose: eine Infektion mit parasitischen Fadenwürmern. Sie zählt zu den häufigsten der vernachlässigten Tropenkrankheiten und manifestiert sich nach mehrjährigem Verlauf unter anderem in der Ausbildung der Elephantiasis, vor allem an den Beinen.
Myzetom: wird vor allem durch Pilze, aber auch durch Bakterien verursacht, die in eine Wunde der Haut gelangen. Kommt in erster Linie in den Tropen, aber auch in den Subtropen vor. Manifestiert sich in einem chronischen Granulationsgeschwulst und wird mit Antibiotika behandelt, bei der pilzbedingten Form erfolgt primär auch eine chirurgische Behandlung.
Noma oder Wangenbrand: ist eine schwere bakterielle Erkrankung, entwickelt sich auf der Mundschleimhaut und zerfrisst von dort ausgehend anderen Weich- und Knochenteile des Gesichts. Laut WHO-Schätzungen sterben dadurch jährlich zwischen 80.000 und 90.000 Kinder. Sie befällt in der Regel Kinder in Entwicklungsländern, deren Immunsystem durch Unterernährung, mangelnde Mundhygiene und andere Vorerkrankungen wie Masern, Röteln, Mumps oder Meningitis bereits geschwächt ist.
Onchozerkose: kommt in den tropischen Regionen Afrikas und Amerikas vor und wird durch eine bestimmete Art Fadenwürmer ausgelöst. Bei etwa zehn Prozent führt die Erkrankung zur unheilbaren Erblindung, der sogenannten Flussblindheit. Die weitaus meisten Fälle gibt es in Afrika. Behandelt wird die Krankheit unter anderem mit dem in der Corona-Pandemie zu zweifelhaftem Ruhm gelangten Ivermectin.
Podokoniose: eine nicht-infektiöse Art der Elephantiasis, auch nicht-filariöse Elephantiasis. Im Hochland des tropischen Afrika, in Zentralamerika und in Nordindien verbreitet. Ursache sind Mikropartikel in Böden mit einem hohen Gehalt roter Laterite vulkanischen Ursprungs, die barfuß gehenden Menschen durch die intakte Haut ins subkutane Gewebe eindringen und dort zu einer Entzündung führen. Die Opfer sind massiver Stigmatisierung ausgesetzt, unter anderem wegen des Geruchs der entzündeten Haut. Die wirksamste Behandlung ist Prävention durch das Tragen von Socken und festem Schuhwerk und Fußhygiene.
Tollwut: verursacht laut einer Schätzung der WHO 59.000 Todesfälle pro Jahr, davon 60 Prozent in Asien und 36 Prozent in Afrika. Die weitaus meisten Fälle werden von Hunden auf Menschen übertragen. Es gibt Impfungen.
Krätze (Skabies): durch die Grab- oder Krätzemilbe verursachte parasitäre Hauterkrankung. Kommt mittlerweile in den Industrieländern weniger vor, von der WHO seit 2013 auf der Liste der vernachlässigten Tropenkrankheiten. Weltweit geschätzt 130 Millionen Infizierte. Behandelbar.
Schistosomiasis (Bilharziose): durch die Larven von Saugwürmern der Gattung Pärchenegel verursachte Wurmerkrankung, die in warmen Binnengewässern mit Schnecken als Zwischenwirten verbreitet wird. Mit dem Medikament Praziquantel behandelbar. Das Problem ist der Zugang für viele Befallene.
Schlangenbisse: 5,4 Millionen Gebissene weltweit jedes Jahr und rund 80.000 bis 138.000 Todesfälle laut WHO-Schätzungen. Dennoch ist der Weltgesundheitsorganisation zufolge das Problem ein in tropischen und subtropischen Staaten vernachlässigtes Thema der öffentlichen Gesundheit. In Asien werden aber bis zu zwei Millionen Menschen durch Schlangenbisse jedes Jahr vergiftet, in Afrika müssen rund 500.000 Menschen laut WHO pro Jahr behandelt werden. Das Problem ist, rechtzeitig an entsprechende medizinische Versorgung zu kommen. Neben den Todesfällen tragen rund 400.000 Betroffene pro Jahr Behinderungen davon.
Bodenübertragene Helminthiasen: eine weitere Wurminfektion, von der nach WHO-Schätzungen weltweit rund zwei Milliarden Menschen betroffen sind und an der bis zu 135.000 Menschen pro Jahr sterben.
Sporotrichose: eine Pilzerkrankung, die die tieferen Hautschichten, das Lymphsystem und sogar den ganzen Körper befallen kann. Erreger ist der Sporothrix schenckii, der überall vorkommt. Die Behandlung ist relativ leicht und effektiv medikamentös möglich.
Taeniasis/Zystizerkose: Infektionen mit dem Rinder- bzw. dem Schweinebandwurm.
Trachom: eine Augenentzündung durch das Bakterium Chlamydia trachomatis, die unbehandelt zur Erblindung führen kann. Die Bakterien werden vor allem über Fliegen übertragen, die sich auf die Augen von Kindern setzen. Durch gemeinsame Benutzung von Waschlappen oder Handtüchern kann sie weiter übertragen werden. Im Verlauf der Erkrankung vernarben die Augenlider, die Wimpern drehen sich nach innen und zerkratzen unter großen Schmerzen für die Patientinnen und Patienten die Hornhaut, bis diese milchig und undurchsichtig ist. Die Erkrankung ist je nach Stadium mit Antibiotika oder operativ zu behandeln.
Tungiasis: Befall des Körpers durch Sandflöhe, die in Mittel- und Südamerika, Afrika und Australien vorkommen. Die befruchteten weiblichen Flöhe nisten sich in der Haut ein, legen Eier. Durch die zunehmende Größe entstehen Entzündungen und Geschwüre der Haut. Die Schäden können auch Eintrittspforten für weitere Erreger sein. Folgen können sogar Verstümmelungen sein.
Frambösie: eine durch das Bakterium Treponema pertenue ausgelöste Infektionskrankheit, die in tropischen Regionen auftritt. Die Folgen können schwere Deformationen etwa an Gelenken sein. Medikamentös - etwa mit Penicillin - gut behandelbar.
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