Im Strafprozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) wegen Falschaussage finden diese Woche die letzten geplanten Zeugenbefragungen statt: ÖBAG-Aufsichtsrätin Susanne Höllinger, Bernd Brünner, Ex-Generalsekretär im Bundeskanzleramt, und Ex-ÖBAG-Aufsichtsratsvorsitzender Helmut Kern sind am Wort. Vor der ersten Pause überrascht Kurz-Anwalt Otto Dietrich mit einem Antrag.
Kurz wird - wie auch seinem einstigen Kabinettschef Bernhard Bonelli - von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vorgeworfen, im Ibiza-Untersuchungsausschuss seine Rolle bei den Postenbesetzungen etwa für den Aufsichtsrat und Vorstand der Staatsholding ÖBAG kleingeredet zu haben. Die Angaben des Ex-Kanzlers widersprechen nach Ansicht der WKStA diversen Chats. Im Prozess belastete bisher nur der ehemalige Vorstand der Staatsholding, Thomas Schmid, den früheren ÖVP-Chef. Schmid war bereits als Zeuge geladen.
„Waffengleichheit im Verfahren"
Am Vormittag überrascht Kurz-Anwalt Otto Dietrich mit einem Antrag: „Wir beantragen, alle bei Thomas Schmid sichergestellten Dateninhalte aus dem gegenständlichen Akt zu nehmen.“ Dietrich begründet die Forderung mit dem jüngsten VfGH-Entscheid betreffend Handysicherstellungen. Laut des Verfassungsgerichtshofs ist es verfassungswidrig, Mobiltelefone ohne vorherige richterliche Genehmigung sicherzustellen. Das Höchstgericht hat bis Ende 2024 eine Frist zur Reparatur der Regelung gesetzt.
Schmids Datenträger seien am 12. November 2019 - weit vor dem VfGH-Entscheid - bei einer Hausdurchsuchung „ohne richterliche Genehmigung“ sichergestellt worden. „Unser Antrag zielt darauf ab, im Verfahren Waffengleichheit herzustellen“, so Dietrich, „Entweder kommen alle Chats in den Akt oder keine. Nur einzelne, von der WKStA nach nicht nachvollziehbaren Kriterien ausgewählte Chats, die aus dem Zusammenhang gerissen werden, führen zu einer Benachteiligung der Angeklagten.“
Wir beantragen, alle bei Thomas Schmid sichergestellten Dateninhalte aus dem gegenständlichen Akt zu nehmen.
Otto Dietrich verteidigt Sebastian Kurz.
Bild: Reinhard Holl
Vor wenigen Verhandlungstagen sagte Herr Kurz, dass er froh sei, dass nach und nach mehr Chats zum Vorschein kommen.
Staatsanwalt Gregor Adamovic wundert sich über den Antrag.
Bild: APA/GEORG HOCHMUTH
Oberstaatsanwalt Gregor Adamovic kontert: „Es ist klar, dass der VfGH-Entscheid keine rückwirkende Wirkung entfalten kann.“ Er sei verwundert darüber, dass nun die Löschung gefordert wird: „Vor wenigen Verhandlungstagen sagte Herr Kurz, dass er froh sei, dass nach und nach mehr Chats zum Vorschein kommen. Das ist eine Diskrepanz zum jetzigen Antrag.“ - Radasztics will am Mittwoch darüber entscheiden.
Zeugen Höllinger und Kern stützen Kurz und Bonelli
ÖBAG-Aufsichtsrätin Susanne Höllinger, die am Dienstag den Zeugenreigen eröffnet, sagt, dass sie in der ersten Februarwoche 2019 von Finanzminister Hartwig Löger persönlich angerufen und gefragt wurde, ob sie sich eine Position im ÖBAG-Aufsichtsrat vorstellen könne. Der ursprüngliche Vorschlag sei von Lobbyistin Gabi Spiegelfeld gekommen: „Frau Spiegelfeld hat mich gefragt, ob sie mich vorschlagen darf.“
Vor dem Anruf von Löger sei es zu kurzen Kontakten mit Schmid und Bonelli gekommen. Sebastian Kurz kannte die Zeugin lediglich von Veranstaltungen: „Wir hatten keine freundschaftlichen und bekanntschaftlichen Beziehungen.“ Dass Thomas Schmid zum Vorstand bestellt wurde, habe der ÖBAG-Aufsichtsrat nach einem strikten Bewerbungsprozess beschlossen. Auch Ex-ÖBAG-Aufsichtsratsvorsitzender Helmut Kern gibt als Zeuge an, dass er von Ex-Finanzminister Löger an die Spitze der Staatsholding geholt worden sei - vorgefühlt hatte Bernhard Bonelli. Zurufe „pro Schmid“ habe es bei dessen Bestellung zum ÖBAG-Vorstand nicht gegeben. Kurz sagt nach den Zeugenbefragungen in seiner Stellungnahme erleichtert: „Die Aussagen der ÖBAG-Aufsichtsräte decken sich mit meinen Erinnerungen.“
Diese Woche sicher kein Urteil
In der Prozessfortsetzung am Mittwoch folgt als erster Zeuge Günther Helm, einstiger Chef des Diskonters Hofer und später im Aufsichtsrat der ÖBAG. Am Nachmittag sollen jene zwei russischen Geschäftsleute via Zoom-Call aus der österreichischen Botschaft in Moskau befragt werden, die mit Schmid angeblich ein Bewerbungsgespräch hatten. Die Plädoyers von WKStA und Verteidigung dürften dann am 23. Februar folgen, sollten keine weiteren Zeugen beantragt und zugelassen werden. Auch ein Urteil ist dann möglich.
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