Vor drei Jahren hat Thomas Reisecker den Schweinemastbetrieb seiner Eltern übernommen. Mit der „Krone“ spricht er über die Herausforderungen und die Zukunft der Branche. Auch warum er mit den demonstrierenden Kollegen in ganz Europa solidarisch ist, und was in Österreich besser läuft, schildert der Innviertler.
„Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass die Bauern in Deutschland protestieren! Da hat sich über lange Zeit vieles aufgestaut, die Subventiontskürzungen haben das Fass zum Überlaufen gebracht“, meint Thomas Reisecker.
Veraltete Vorstellungen
Der 43-Jährige hat erst vor vier Jahren den Schweinemastbetrieb seiner Eltern im Innviertel übernommen. Dass es dieser Zweig auch in der öffentlichen Wahrnehmung seiner Landsleute nicht immer leicht hat, ist ihm schmerzlich bewusst. „Viele Menschen haben ein sehr veraltetes Bild der Landwirtschaft im Kopf. Da hat jeder Hof ein paar Hühner, ein paar Kühe und auch ein paar Schweine laufen herum, wie im Bilderbuch“, bedauert der dreifache Familienvater.
„Früher hat so ein Hof vielleicht 20 bis 30 Leute versorgt, heute ist es das Zehnfache! Das funktioniert aber nur, wenn sich Höfe spezialisieren, und sich nur auf ein Produkt oder ein Tier spezialisieren.“ Sein Hof hat Platz für rund 800 Mastschweine, die er mit Getreide von seinen 50-Hektar großen Äckern ernährt.
Böden polarisieren
Reiseckers Hof ist ein konventioneller Schweinemastbetrieb, wo die Schweine auf sogenannten Vollspaltenböden gehalten werden. Diese Böden sind durchlässig, so dass die Tiere nicht in ihrem eigenen Kot stehen und liegen müssen. In die Kritik sind sie allerdings geraten, weil sich die Schweine an den Spalten verletzen können, und keine weiche Unterlage zum Liegen und Schlafen haben.
„Die Haltung auf diesen Böden ist am günstigsten. Ein Dutzend Knechte einzustellen wie mein Opa, die fürs Ausmisten zuständig waren, kann sich niemand mehr leisten“, bedauert der Landwirt. „Davor gab es die Teilspaltböden, wo ein Teil der Bucht mit Stroh ausgelegt war, aber die Schweine sind nicht von Natur aus stubenrein - oft haben sie im Stroh gekotet und sind dann darin, oder erst recht auf den Spalten gelegen.“
Alternativen werden probiert
Dennoch probiert der Landwirt derzeit eine alternative Art der Tierhaltung aus: „In einer Bucht haben wir die Trennungen entfernt, und den Boden teils mit Matratzen oder Platten abgedeckt“, so Reisecker. Erste Ergebnisse dieses Experiments werden 2025 erwartet. Die Bestrebungen, alternative Böden auszuprobieren, habe es aber schon lange vor dem Vollspaltenböden-Verbot, nämlich seit 2019 gegeben.
Zwischen Preisdruck und Tierwohl
In Zeiten von Inflation und Teuerung greifen die Menschen - wie ausführlich berichtet - immer mehr zu billigen Produkten und Aktionsware, während Bio-Fleisch im Supermarkt liegen bleibt. Dennoch ist der Wunsch nach Tierwohl größer denn je, was sich auch in der Entscheidung des obersten Gerichtshofs, Vollspaltenböden nicht erst ab 2040, sondern schon viel früher zu verbieten, widerspiegelt.
Schere klafft weit auseinander
„Das lässt sich aber nicht vereinen! Mehr Tierwohl bedeutet höhere Kosten, die die Kunden aber nicht bezahlen können oder wollen.“, beklagt Reisecker. „Die Technik in der Mast - das reicht von der Futtersteuerung bis hin zu den Böden - hat die Tiere deutlich sauberer und gesünder gemacht als früher. Einen Wandel in der Schweinehaltung kann man nur erreichen, wenn alle mitspielen, vom Landwirt bis zum Konsumenten!“ Einen Teil der Lösung sieht der Landwirt in der schon lange geforderten Kennzeichnungspflicht: „Etwa ein Sternesystem: Je mehr Sterne, desto mehr fürs Tier! Dann können die Kunden selbst entscheiden.“
Ein Verbot der heimischen Schweinemast sieht er kritisch: „Die Qualität des Fleisches und seine Herkunft können wir nur kontrollieren, wenn wir es lokal produzieren“, so der Bauer. „Sonst wird es wie auch sonst immer, wenn ‚outsourced‘ wird: Man muss nehmen, was man kriegt, denn der Bedarf wird weiterbestehen!“
Potenzial von Technik und KI
Die Technik habe jedoch noch ein großes Potenzial. Künstliche Intelligenz soll in Zukunft die Tiere genauestens überwachen, und ihre Bedürfnisse in Echtzeit erfüllen können. „So könnte man Krankheiten behandeln, bevor sie entstehen, fehlende Nährstoffe beigeben und den Tieren praktisch jeden Wunsch von den Äuglein ablesen!“, so Reisecker. Noch sei das allerdings Zukunftsmusik: Damit wird sich die älteste Tochter des Landwirten beschäftigen müssen. Diese absolviert momentan eine Landwirtschaftsschule und ist drauf und dran, einmal selbst den Hof zu übernehmen.
In Hinsicht auf die europaweiten Bauernproteste beschwichtigt Reisecker: „In Österreich gibt es einen besseren Dialog als beispielsweise bei unseren deutschen Nachbarn, und wo mehr geredet wird, entstehen auch weniger Probleme, oder sind leichter zu lösen“
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