Zurechnungsfähig

Psychologe vor Gericht: Breivik wie “Hannibal Lecter”

Ausland
11.06.2012 21:36
Norwegische Psychologen haben vor Gericht ihre Einschätzung bekräftigt, dass der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik zurechnungsfähig und damit auch schuldfähig sei. Er fühle sich beim Anblick Breiviks an den Serienkiller Hannibal Lecter aus "Das Schweigen der Lämmer" erinnert, sagte der klinische Psychologe Eirik Johannesen am Montag dem Osloer Amtsgericht. "Wenn man ihn trifft und weiß, was er getan hat, ist es fast, als ob man Hannibal träfe."

Breivik habe eine Identität geschaffen, um "andere Rechtsextremisten und Faschisten zu überzeugen", sagte Johannesen. "Aber das stimmt nicht damit überein, wer er ist." Breivik zeige nicht viel Einfühlungsvermögen, doch er sei nicht völlig emotionslos, so der Psychologe.

Am Montag sagten vor dem Osloer Amtsgericht Mitglieder eines 18-köpfigen Teams von Experten aus, die Breivik während der Untersuchungshaft regelmäßig beobachtet hatten. Ihre Eindrücke hätten die Einschätzung seiner Schuldfähigkeit bekräftigt. "Angesichts seiner Ideologie glaube ich nicht, dass er mit einer Therapie oder mit Medikamenten behandelt werden kann", sagte Johannesen.

Expertin: "Breivik leidet nicht an Psychose"
In einer geheimen Abstimmung am Ende des Beobachtungszeitraums seien 16 der Teammitglieder der Ansicht gewesen, Breivik leide nicht an einer Psychose, sagte die Teamleiterin Maria Sigurjonsdottir. Sie hätten den Eindruck gehabt, Breivik wisse genau, was um ihn herum vorgehe. Er war "fokussiert, organisiert und sprach immer kohärent", so die Psychiaterin.

Die Verteidigung hatte die Psychologen und Psychiater vorgeladen. Sie möchte die geistige Zurechnungsfähigkeit Breiviks beweisen. Der Frage nach der Zurechnungsfähigkeit wird in dem Verfahren eine entscheidende Bedeutung beigemessen. Das Gericht hatte ein zweites psychologisches Gutachten in Auftrag gegeben, nachdem ein erstes Expertenteam ihn als nicht zurechnungsfähig eingestuft hatte. Die Beobachtungen des Expertenteams gingen in das zweite Gutachten ein.

Urteil für 20. Juli erwartet
Das Urteil in dem seit Mitte April laufenden Verfahren wird im Juli erwartet. Kürzlich hatte das Gericht mitgeteilt, auch eine Verzögerung bis Ende August sei möglich, doch die Planung laufe weiterhin auf den 20. Juli hinaus. Zwei Tage später, am 22. Juli, jährt sich der Tag, and dem Breivik im Osloer Regierungsviertel und auf der Ferieninsel Utöya insgesamt 77 Menschen ermordete. Breivik gestand die Taten, seine Schuldfähigkeit ist aber umstritten. Während ein erstes Gutachterteam bei ihm eine "paranoide Schizophrenie" diagnostizierte, stellten zwei andere Experten nur eine Persönlichkeitsstörung fest.

Breivik beharrt auf Straffähigkeit
Breivik selbst beharrt darauf, straffähig zu sein. Er will unbedingt vermeiden, dass die Anschläge als die Taten eines Wahnsinnigen abgestempelt werden. Er behauptet, sie seien notwendig gewesen, um gegen die angebliche Islamisierung Norwegens und das "multikulturelle Experiment" der Regierung zu kämpfen. Bereits vergangene Woche hatten seine Anwälte mehrere Rechtsextreme als Zeugen gerufen (siehe Infobox), die zeigen sollten, dass die von ihm vertretene Sichtweise zwar extrem, aber nicht das Ergebnis einer geistigen Krankheit ist.

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