Asyl-Deal ist geplatzt
Eine Krise für den Sieg: Trumps Falle schnappt zu
Die US-Republikaner haben sich den Wünschen von Ex-Präsident Donald Trump gebeugt und das milliardenschwere Asyl-Ukraine-Paket abgeschmettert - obwohl sie selbst daran mitgearbeitet haben. Joe Biden sitzt nun in der Falle. Die Analyse einer befohlenen Totalblockade.
Donald Trump schrieb in seinem Bestseller „The Art of the Deal“ gleich zu Beginn den mehr oder weniger berühmten Satz: „Man kann nicht einfallsreich oder unternehmerisch sein, wenn man zu viel Struktur hat.“ Was gerade in den USA passiert - oder vielmehr nicht passiert -, läuft verblüffend ähnlich nach diesem Prinzip ab.
Denn die Republikaner haben einen überparteilichen Gesetzesentwurf abgeschmettert, der ihnen eigentlich auf den Leib geschneidert war. In den vergangenen Monaten arbeitete der US-Senat im Auftrag von Präsident Biden parteiübergreifend an einem 118 Milliarden Dollar schweren Paket zur Sicherung der US-Grenze und zur Unterstützung der Ukraine. Die Koppelung der Themen war eine Grundbedingung der Republikaner.
Anfang der Woche wurde der Entwurf vorgestellt, der eigentlich alles verrät, wofür die Demokraten in Sachen Migrationspolitik stehen. Selbst das konservative „Wall Street Journal“ befand, dass die Republikaner nie „einen besseren Deal“ vorgelegt bekommen werden. Das 370-seitige Paragrafenwerk kann auf folgenden Satz zusammengefasst werden: Die Republikaner haben eine extreme Grenzpolitik gefordert und sie bekommen.
Die republikanische Kehrtwende
Der Vorschlag enthält Änderungen des Bundesgesetzes, um Asylsuchende zu entmutigen. Wenn zu viele Menschen auf einmal eintreffen, wird die Bearbeitung von Asylanträgen gänzlich eingestellt. Der Entwurf soll potenziellen Einwanderern signalisieren: Überdenkt eure Pläne, kehrt lieber um!
Doch zur Entrüstung vieler haben am Mittwoch die Republikaner im US-Senat, die das Vorhaben mit ausgearbeitet haben, eine bemerkenswerte Kehrtwende hingelegt und dem Entwurf eine Absage erteilt. Das Maßnahmenbündel erreichte nicht die erforderliche Mehrheit von 60 Stimmen im Senat. Über die Hilfen für Israel und die Ukraine soll nun in einer weiteren Abstimmung für Klarheit gesorgt werden, doch auch hier sind die Aussichten wenig erfolgsversprechend. Da das Paket spätestens im Repräsentantenhaus scheitern dürfte. Die Frage nach dem Warum ist schnell beantwortet.
Ex-Präsident warnte vor „Falle“
Trump hat in den vergangenen Tagen den Zeigefinger gegen das Vorhaben erhoben, vor einer „raffinierten Falle“ der Demokraten gewarnt. Von Hilfszahlungen an die Ukraine hält der Putin-Bewunderer („Er ist sehr intelligent“) ohnehin nichts. Trumps Jünger torpedierten das Gemeinschaftswerk daraufhin in beiden Kammern.
Seit Monaten stecken neue US-Ukraine-Hilfen fest:
Die Republikaner scheinen plötzlich bereit zu sein, einen Status quo an den US-Grenzen beizubehalten, den sie immer wieder als „Invasion“ und „existenzielle und nationale Sicherheitsbedrohung“ bezeichnet haben. Dass die Blockade bis zur Wahl noch aufgelöst werden kann, gilt unter politischen Beobachter beider Lager als unwahrscheinlich.
Das falsche Spiel der Republikaner
Was folgt, ist eine Farce: An der Grenze zu Mexiko ziehen republikanische Gouverneure öffentlichkeitswirksam in Eigenregie Nationalgarden zusammen, um Einwanderer mit Gewalt abzuwehren. Zur Ablenkung von der eigenen Kehrtwende sollte im Repräsentantenhaus zudem ein Amtsenthebungsverfahren gegen den demokratischen Heimatschutzminister Alejandro Mayorkas eingeleitet werden, weil er - kein Witz - nichts gegen die Krise unternehme.
Es sollte ein spektakulärer PR-Stunt im Wahljahr werden - und geriet zur Peinlichkeit. Eine knappe Mehrheit der Abgeordneten in der Parlamentskammer stimmte am Dienstagabend gegen einen entsprechenden Antrag auf ein solches Verfahren, obwohl die Republikaner im Repräsentantenhaus eine dünne Mehrheit der Abgeordneten stellen.
Zur Einordnung: Zuletzt kam es vor etwa 150 Jahren zu einem Amtsenthebungsverfahren gegen ein Mitglied des US-Kabinetts. Ein Rauswurf galt ohnehin als unwahrscheinlich, da die Demokraten im Senat eine Mehrheit stellen. Der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Mike Johnson, hat bereits angekündigt, einen weiteren Anlauf nehmen zu wollen.
Migration als Trumps Kernthema
Denn Trump braucht Munition im Wahlkampf gegen Biden. Die Republikaner suchen Chaos statt Zusammenarbeit. Der überparteiliche Asyl-Ukraine-Deal hätte Trump seines Kernthemas beraubt. Jetzt kann der Schreihals weiter gegen Migranten wettern, die er wiederholt als „Drogendealer, Kriminelle und Vergewaltiger“ brandmarkte.
Dass den Republikanern die teils inhumanen Verhältnisse an der US-Südgrenze wirklich nahegehen, darf in Zweifel gezogen werden. Tatsächlich sind viele prominente Republikaner damit einverstanden, dass weiterhin Arbeitskräfte über die Grenze strömen, berichtet das US-Magazin „The Atlantic“.
Jugendliche sollen arbeiten statt lernen
In Florida sollen 16- und 17-Jährige künftig während des Schuljahres acht Stunden pro Tag arbeiten dürfen. Der republikanische Gouverneur von Arkansas hat ein Gesetz unterzeichnet, das den Staat teilweise von arbeitsrechtlichen Pflichten befreit, wenn es um 14- bis 15-Jährige geht. In Ohio wird möglicherweise bald ein Gesetz verabschiedet, das es Schulpflichtigen erlaubt, an Schultagen bis 21 Uhr zu arbeiten.
Diese Gesetze dienen der Ausbeutung ärmerer Einkommensschichten und preisen den Zustrom von Migranten ein. Fast 40 Prozent der Grenzgänger waren zuletzt unter 18 Jahre alt, ein Anstieg um das Fünffache seit den späten 80er-Jahren.
Biden steckt jetzt fest
Präsident Biden sitzt nun in Trumps Falle. Er kann ohne Zustimmung seines Intimfeinds wohl keine neuen Milliarden-Hilfen für die Ukraine umsetzen. Egal wie sehr sich der 81-Jährige und seine Demokraten inhaltlich verbiegen. Zu viele Republikaner - einige von ihnen zähneknirschend - stellen den eigenen Machterhalt über das Leiden der Ukrainer.
Jedes weitere Entgegenkommen Bidens würde seine Wiederwahlchancen minimieren. Bereits jetzt ist der linke Flügel seiner Partei über das vorgelegte Paket entrüstet, das der US-Präsident „so schnell wie möglich“ unterzeichnen wollte. Innerhalb der Partei geht die Sorge um, ein gesetzliches Monster zu erschaffen, das Trump während einer möglichen zweiten Amtszeit ausschlachten könnte.
Alles läuft nach Trumps Drehbuch
Republikaner und Demokraten sind mittlerweile so weit voneinander entfernt, dass die Legitimität jeglicher Zusammenarbeit in Zweifel gezogen wird. Trump ist ein Meister darin, seinen Wählern eine Illusion zu verkaufen, dass demokratische Politik durch den Willen eines einzigen Mannes ersetzt werden könne. Der Dompteur der „Grand Old Party“ hat bereits angekündigt, seinen ersten Tag im Amt als „Diktator“ bestreiten zu wollen.
Trump verlangt Stillstand und die Republikaner servieren ihm Stillstand. Je höher der Leidensdruck, desto besser die Gewinnchancen - ganz nach dem Wesen seines Buches „The Art of the Deal“. Die Erkenntnis: Eine Verhandlung führt häufig zu einer Einigung. Manchmal enthüllt sie jedoch die wahren Motive einer Partei.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.