In Wien sollen 5000 junge Flüchtlinge ab Herbst intensiv die Schulbank drücken. Ein dicht gedrängtes 32-Wochenstunden-Programm und Druck vom AMS soll zum Turbo für die Integration in den Arbeitsmarkt werden.
Einen „Paradigmenwechsel“ im Umgang mit jungen Flüchtlingen sieht Arbeitsminister Martin Kocher im „Jugendcollege“: Ab September werden in Wien 5000 von ihnen statt einzelner Kurse mit lähmenden Zwangspausen dazwischen ein straffes Schulprogramm mit 32 Wochenstunden absolvieren. Nach maximal einem Jahr sollen sie bereit für den Arbeitsmarkt sein.
Anwesenheitspflicht und strenge Konsequenzen
Zuständig für die Ausbildung ist das AMS. Das Programm umfasst Spracherwerb, Berufsorientierung und Grundlegendes zum Leben in Östereich - mit Anwesenheitspflicht, weil sonst das AMS die Hilfen streicht. Für Sozialstadtrat Peter Hacker hat das „Herumtrödeln“ bei der Integration junger Flüchtlinge damit ein Ende. AMS-Vorständin Petra Draxl räumte ein, dass die College-Idee „schlichtweg wegen der Geldfrage“ erst jetzt kommt.
Bund und Wien machen Halbe-Halbe
Nun zahlt der Bund 50 Millionen Euro (25 weitere Millionen gehen in die Bundesländer), Wien steuert weitere 50 Millionen bei, die man sich aber bei der Mindestsicherung spart. Die Zielgruppe der jungen Flüchtlinge in Wien umfasst circa 7500 Personen. Kocher und Hacker deuteten an, dass es nicht am Geld scheitern werde, um Ausbildungsmöglichkeiten für sie alle zu schaffen, sollten sich die erhofften Erfolge einstellen.
Ich war nach der Flucht in der Mittelschule, habe dort aber zuerst nichts verstanden. Im College mache ich am 24. Mai den Pflichtschulabschluss. Ich habe mich schon für die Ausbildung zur Elektronikerin angemeldet.
Hanan, 18, ist 2018 aus Syrien nach Österreich geflüchtet.
Bild: Reinhard Holl
Dass die College-Plätze weggehen wie die warmen Semmeln und es vom AMS kaum Druck brauchen wird, könnte durchaus sein: Das College läuft jetzt schon in kleinem Rahmen (siehe Zitate oben und unten), und der Andrang war größer als das Angebot. Schon jetzt kommen viele junge Flüchtlinge nach Wien, weil sie in anderen Bundesländern nach positivem Abschluss ihres Asylverfahrens keine Perspektiven oder Ausbildungsmöglichkeiten haben.
Ich war in Oberösterreich und bin nach vier Jahren dort nach Wien gezogen. Im Jugendcollege habe ich den Pflichtschulabschluss gemacht und die Lehre als Kfz-Mechaniker begonnen. Im Sommer mache ich die Gesellenprüfung.
Mahdi, 25, ist 2015 aus Afghanistan geflohen.
Bild: Reinhard Holl
Andere Bundesländer für Hacker „ein bissl ärgerlich“
Drei Viertel aller jugendlichen Asylberechtigten in Österreich leben in Wien, Tendenz steigend. Hacker findet es „schon ein bissl ärgerlich“, dass Wien sich in steigendem Ausmaß um Menschen kümmern muss, die anderswo „mehrere Jahre im Asylverfahren gehängt sind und nicht einmal einen Deutschkurs gemacht haben“. Mit dem College würden aber nun „Nägel mit Köpfen für eine Vielzahl von Leuten“ gemacht.
Auch Kocher räumt in Anbetracht des Ungleichgewichts der Flüchtlingszahlen zwischen Wien und anderen Bundesländern ein: „Natürlich wär’s besser, wenn sie sich besser verteilen“. Es gebe aber nun einmal keine Residenzpflicht für Flüchtlinge: „Das ist nicht optimal so, aber das ist so.“ Vor solchen grundsätzlichen Erwägungen solle sich die Politik aber um die Lösung aktueller Probleme kümmern, und das College sei Teil dieser Lösung.
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