Komplize begnadigt
Pädophilie-Skandal rund um Ungarns Staatschefin
Die ungarische Regierungspartei Fidesz hat sich den Schutz von Kindern und Minderjährigen vor sexueller Ausbeutung auf die Fahnen geheftet. Nun wird sie aber selbst von einem Pädophilie-Skandal erschüttert. Staatschefin Katalin Novák, die vor ihrer Amtszeit an der Spitze Ungarns als Familienministerin von Ministerpräsident Viktor Orbán gedient hatte, hat nämlich einen als Mittäter in einem Strafverfahren wegen Kindesmissbrauchs verurteilten Mann begnadigt.
„Die politische Karriere der ungarischen Staatspräsidentin ist zu Ende“, zitierte das Onlineportal telex.hu den Politologen Gábor Török am Freitag im Zusammenhang mit dem Amnestie-Skandal. Ein ganzes Land sei empört, betonte Török und erinnerte an die Forderung der Opposition hinsichtlich des Rücktrittes Nováks. Diese Forderungen werden nun auch auf die Straße getragen.
Tausende Menschen protestierten vor Amtssitz
Tausende Menschen protestierten am Freitagabend in der Hauptstadt Budapest gegen die Präsidentin. Vor ihrem Sitz auf dem Burgberg forderte die Menge Nováks Rücktritt und übte zugleich Kritik an Ministerpräsident Orbán. Die Menschenmenge der durch Zivilorganisationen organisierten Demonstration zog sich vom Innenministerium zum Präsidentensitz, wo sie sich mit den Aktivisten der Oppositionspartei Momentum zusammenfügte.
Die Pädagogin Edit Simkó warf Novák und der Ex-Justizministerin Judit Varga, die zur Zeit der Amnestie noch im Amt war, vor, als Mütter „an dieser Gemeinheit“ teilgenommen zu haben. Rita Antoni, Vorsitzender der Vereinigung für die Frauen, sagt wiederum, die Staatspräsidentin habe mit ihrer Entscheidung den „Opfern ins Gesicht gespuckt“ und würde keine eigenen Entscheidungen treffen.
Amnestie anlässlich Papstbesuchs
Beim Begnadigten handelt es sich um den ehemaligen Vize-Direktor eines Kinderheims, der jahrelang die pädophilen Straftaten seines Chefs gedeckt hatte. Dabei geht es um Dutzende Fälle von Missbrauch und sexueller Nötigung. Der Begnadigte war zu drei Jahren und vier Monaten Gefängnis verurteilt worden. Als Mittäter habe er auch alles daran gesetzt, die Kinder zu Falschaussagen und Rücknahme ihrer Anzeigen zu bewegen, schrieb die Nachrichtenplattform 444.hu.
Die Amnestie hatte Präsidentin Novák bereits im April 2023 gewährt und war von ihr mit dem Papst-Besuch in Ungarn in Verbindung gebracht worden. Damals hieß es in einer Aussendung des Sándor-Palastes: Die Visite des Papstes sei ein besonderer Anlass dafür, dass das Staatsoberhaupt von seinem Amnestie-Recht Gebrauch mache. Der besondere Fall des stellvertretenden Leiters des Kinderheimes war aber erst jetzt bekannt geworden. Ein „aufmerksamer Bürger“ informierte demnach das Nachrichtenportal 444.hu.
Orbán distanziert sich von ehemaliger Parteifreundin
Aber nicht nur die Opposition und Nichtregierungsorganisationen wenden sich gegen die Präsidentin. Mittlerweile sind auch Mitglieder von Nováks Beratungsgremium zurückgetreten. Der Schriftsteller János Lackfi betonte, er hätte hinsichtlich des Skandals eine Erklärung seitens Nováks erwartet. Die öffentliche Empörung sei verständlich, zitierte das Onlineportal propeller.hu.
Auch Orbán, der als Vertrauter der 46-Jährigen gilt, distanzierte sich von Novák. Er kündigte in einem Facebook-Video unter dem Titel „Keine Gnade für Pädophile“ an, die Begnadigung von pädophilen Straftätern mittels einer Verfassungsänderung unmöglich machen zu wollen (siehe Video unten). Fidesz-Fraktionschef Maté Kocsis fand am Freitag im Staatsrundfunk deutliche Worte: Dieser Fall der Begnadigung hätte nie erfolgen dürfen. Dabei wäre es gut zu wissen, was hinter der Amnestie-Entscheidung der Staatspräsidentin stehe, hinterfragte Kocsis.
Ex-Justizminister Judit Varga muss sich aber in diesem Zusammenhang ebenfalls unangenehme Fragen gefallen lassen. Schließlich trägt sich die politische Verantwortung, wie ein ungarischer Verfassungsrechtler auf propeller.hu betonte. Denn ohne die ministerielle Gegenzeichnung sei die Amnestie-Entscheidung nicht gültig. Das gießt natürlich noch mehr Wasser auf die Mühlen der Opposition, die hier natürlich einen Fidesz-Skandal wittert.
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.