Album „Resonance“

Boris Blank: Ein Klangmönch auf kreativer Klausur

Musik
14.02.2024 09:00

Mit seinen unvergleichlichen Klanglandschaften brachte Boris Blank die Schweizer Band Yello auf die globale Pop-Landkarte. Nun arbeitete er sich tief ins Thermalwesen ein, was zum Solo-Album „Resonance“ führte. Ein Gespräch über kindliche Neugierde, Experimentierfreudigkeit und das Solebad.

Gerade in den Wintermonaten gehört der Wellness-Urlaub zu den beliebtesten Urlaubsformen der Österreicher. Wer sich gerne zwischen Solebäder und Schlammpackungswannen bewegt, der wird meist von zarten Harfenklängen begleitet, um den größtmöglichen inneren Frieden zu erfahren. Genau das schwebte dem Schweizer Musiker Boris Blank nicht vor, als er vom Züricher Thermalbad „Fortyseven“ beauftragt wurde, eine Klanglandschaft zur vom Star-Architekten Mario Botta entworfenen Landschaft zu entwerfen. „Ich hatte schon ein bisschen Angst, dass ich in diese Kitsch- oder Esoterikfalle tappen könnte“, erzählt er der „Krone“ im Interview, „man kennt das ja nur zu gut aus Saunalandschaften, wenn Keltenharfen und Panflöten für endloses Gedudel sorgen. Zum Glück habe ich mich nicht darin verloren.“ Blank ist bekannt als eine Hälfte des experimentellen Pop-Duos Yello. Dieter Meier, die andere Hälfte, überlasst ihm in seiner Villa seit mehr als drei Dekaden einen üppigen Studioraum, in dem Blank, der introvertierte Teil des Duos, an seinen Klängen arbeitet.

Universum am Firmament
Ist er in seinem Brotjob für gewöhnlich an zugängliche Melodien und nachvollziehbare Rhythmen gebunden, kann er sich als Solokünstler oder bei Auftragsarbeiten in breiteren Gefilden verlieren. „Mich hat schon die Baustelle inspiriert“, kommt Blank retrospektiv ins Schwärmen, „Themenblöcke wie das Wasser in allen Aggregatzuständen oder Fels haben mir viele Ideen geliefert. Man liegt jetzt in einem 1,20 Meter tiefen Becken wie in der tiefsten Nacht und blickt auf die Decke mit Tausenden von LED-Lichtern. Das wirkt wie das Universum am Firmament. Die Musik ist in den Räumen der Therme immersiv gemischt. Es gibt Dutzende von Lautsprechern, die nummeriert angebracht wurden und den Sound in den Räumen bewegen. Das war für mich in der musikalischen Umsetzung eine große Herausforderung, aber genau das hat mich gereizt. Man kann den Sound im Bad nun loopen, ohne dass die Leute vor Schreck die Defibrillatoren an den Wänden nützen müssen.“

Hinter Blanks nur vordergründig seriösen Fassade steckt immer eine Menge Humor. Die kindliche Neugierde am Experimentieren und Finden von Klängen konnte er sich noch aus seiner Kindheit heraus bewahren. In den 70-er Jahren begann er, mit Motorgeräuschen zu arbeiten - daraus entstand unbewusst eine Weltkarriere. „Ich habe Musik schon immer in alle Richtungen gehört und war nie nur ein Mozart-Getriebener oder Elektronikfreak. Mir ist wichtig, dass ich die Authentizität, die Echtheit, die Freude, den Glauben und die Kraft in Stücken spüre. Triviales tangiert mich nicht. Wenn Musik zu sehr in den Mainstream geht, interessiert sie mich nicht mehr.“ Dass aus dem Thermenprojekt schlussendlich das Album „Resonance“ entstanden ist, verdankte Blank der überraschenden Kundennachfrage. „An der Kassa haben die Leute gefragt, ob man die Musik, die sie in der Therme gehört haben, auch kaufen kann. So kam ich auf die Idee, daraus dieses Album zu kreieren.“

Die Suche nach dem Neuen
Blank arbeitet wie ein Klangmaler. Er kann weder Noten lesen, noch Partituren schreiben, sondern erforscht seine konzeptionelle Musik seit jeher autodidaktisch. „Die weiße Leinwand ist für mich das Aufnahmegerät. Dort fange ich an, Punkte zu setzen. Ich verwende quasi einzelne Farbtupfer und plötzlich ergibt sich eine Kontur, die mir eine Richtung vorgibt. Am Schluss bin ich meist selbst überrascht, was daraus entstand. Ich mache mir vorab nie Gedanken, wo ich konzeptionell hin möchte.“ Blank wuchs mit der Musik von Pink Floyd oder Miles Davis auf und flocht deren Klänge und Soundstrukturen immer unbewusst in seine eigenen Lieder ein. Die Suche nach dem Neuen, noch nicht dagewesenen treibt Blank dabei an. „Es gibt in der Musik immer neue Errungenschaften, die ich gerne verwende. Ich habe ein unglaublich großes Musik- und Klangarchiv, aus dem ich schöpfen kann. Diese Schatzkiste vermische ich gerne mit neuen, technologischen Möglichkeiten - warum auch nicht?“

Die Songs auf „Resonance“ weisen viele verschiedene Strukturen auf. Es gibt angriffige, psychedelische, entspannte und zurückgelehnte Songs. Manche gehen auch direkt in Richtung Ambient. Es gibt vollendete Klangreisen und angedachte Parts, die man sich gerne selbst weiter imaginieren kann. „Die Menschen glauben immer, ich würde besonders administrativ arbeiten, weil ich gemeinhin als Perfektionist gelte, aber bei der Entstehung von Stücken bin ich ungemein chaotisch. Der Perfektionismus setzt bei mir dann ein, wenn es darum geht, Räume zu schaffen und Frequenzen zu trennen. Ich will die Leute dazu einladen, in meine Songs zu gehen und dort Emotionen zu fühlen. Man soll den Horizont sehen und die Bässe fühlen können. Trotz allem ist mir die Transparenz dabei sehr wichtig - alle Stücke von mir sind zugänglich. Mir geht es nicht darum, besonders vertrackt zu agieren.“

Es geht mit Yello weiter
Dass seine Hauptband Yello es ab den 80er-Jahren zum allseits beliebten Kult-Act geschafft hat, ist Blank noch heute ein Rätsel. „,Oh Yeah‘ hat ein unglaubliches Eigenleben genommen und bereits 39 Jahre überlebt. Es war ursprünglich ein lustiger Albumtrack ohne Verse, ohne Refrain und ohne eine Bridge. Nun wird es bei den ,Simpsons‘, in amerikanischen Baseball-Stadien und in unzähligen Werbungen gespielt.“ Mit Yello ist Blank noch immer gut im Geschäft, auch wenn er manches aus heutiger Sicht anders gestalten würde. „Alte Lieder von Yello kann man mit einem überschmückten Christbaum vergleichen. Ich habe so viele Ideen in ein Lied gepackt, daraus würde ich heute wahrscheinlich sieben verschiedene Stücke basteln.“ Abseits der Thermalauftragsarbeit bleibt die Band aber weiterhin wichtig und relevant. „Ich arbeite schon an neuen Songs, kann aber noch nicht sagen, wann sie rauskommen. Zudem wurde ein Film über uns gedreht, der bald in Texas Premiere feiert. Dafür wurden viele andere Künstler interviewt. Das Album ,Touch Yello‘ wird dann im Herbst ,dolbyfiziert‘ und klanglich auf den neuesten Stand gebracht.“

Während Yello künftig auch wieder live zu sehen sein werden, bleibt Blanks Solo-Ausflug mit „Resonance“ bis auf vereinzelte Kinovorstellungen fernab der großen Bühnen. Das Thermenprojekt hat ihn nicht zuletzt wegen seines persönlichen Interesses gereizt. „Ich schwimme drei- bis viermal die Woche jeweils Ein-Kilometer-Bahnen in der Nähe meines Studios. Ich habe dort ein Abo gelöst und es gibt auch einen Fitnessraum, eine Sauna und ein Dampfbad mit Aufguss. In meinem Bad haben sie eine Zeit lang meine Musik gespielt, weil mir das Vogelgezwitscher und Bächleinplätschern irgendwann am Nerv ging. Die Gäste waren aber nicht so begeistert, also hören wir jetzt wieder die Vögel.“ Mit „Resonance“ gelingt Blank jedenfalls eine interessante Reise, die die klassische DNA des Künstlers nicht verleugnet. „Ich habe es immer als Kompliment empfunden, wenn mir Leute sagten, ich klänge wie Yello oder Boris Blank. Ich arbeite an einem lebenslangen, musikalischen Patchwork und alles fließt ineinander. Wenn ich Musik erschaffe, bin ich wie ein Mönch auf Klausur. Ich muss immer allein sein. Es ist eine sehr intime Spielwiese, an der ich mich ergötze. Die Lust am Leben und am Tun ist viel wichtiger als Ruhm und Geld. Diese Freude ist ein Reichtum, der mir zum Glück noch nicht abhandengekommen ist.“

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