Pony-Car-Geschichte

Ford Mustang: Die Legende – und ein Irrtum

Motor
12.02.2024 12:00

Dieses Auto verkörpert den amerikanischen Traum, der von Fortschritt, Freiheit und V8-Glück erzählt. Mit dem Ford Mustang mutierte das Volksauto vor 60 Jahren vom nüchternen Transportmittel zum millionenfach verkauften Sportwagen. Doch es hält sich hartnäckig ein Irrtum über diese Legende.

(Bild: kmm)

Es ist eine Szene fast wie im amerikanischen Western: Einsam galoppiert der Reiter mit seinem V8-Mustang dem Sonnenuntergang entgegen, denn der seit April 1964 in weit über zehn Millionen Einheiten und sieben Generationen verkaufte sportliche Ford mit dem Signet des Wildpferds ist das letzte überlebende Pony Car.

Schon im August 1964 ergänzt der Mustang GT im Fastbackdesign das Programm. Hier das Modell 1967 der Generation 1. (Bild: Ford)
Schon im August 1964 ergänzt der Mustang GT im Fastbackdesign das Programm. Hier das Modell 1967 der Generation 1.

Vor 60 Jahren hatte Ford die Gattung aufregend designter Pony Cars mit fast endlos langer Motorhaube für viele Pferdestärken erfunden, jetzt haben Mustang-Rivalen wie Chevrolet Camaro oder Dodge Charger das Feld des Full-Size-V8 dem Ford überlassen, während sie sich selbst als Stromer neu erfinden wollen.

Auch Ford hat für die elektrischen Reiter schon ein Pferd im Stall: Der Mustang Mach-E versucht seit 2019 Tesla-Jünger zu überzeugen, aber auf die Pole Position des Jahr für Jahr weltweit meistverkauften Sportwagen ist weiter der V8-Mustang abonniert. Schließlich ist dieser Ford für Amerikaner und Autofans weltweit ein Monument, ein Stück US-Lebenskultur wie Burger, Coca Cola oder Jeans.

Der aktuelle Ford Mustang (rechts) und der elektrische Mustang Mach-E. Der Unterschied liegt nicht nur im Antrieb, sondern auch in der Street Credibility. (Bild: Ford)
Der aktuelle Ford Mustang (rechts) und der elektrische Mustang Mach-E. Der Unterschied liegt nicht nur im Antrieb, sondern auch in der Street Credibility.

Es gab schon früher nicht nur Achtzylinder
So verkörperte der Ur-Mustang die Aufbruchstimmung der tempo- und technikgläubigen Swinging Sixties, der kleine Mustang II von 1973/74 passte mit Vierzylindermotoren in die erste Ölkrise, die Generationen III und IV fanden in den 1980er und 1990er Jahren zurück zur V8-Power und größeren Formen, und seit dem Mustang V von 2004 wird der Urtyp erfolgreich durch Retroformen revitalisiert.

1973: Im Herbst debütiert der rundum erneuerte Mustang II mit kompakten Abmessungen (4,45 Meter Länge) als Coupé und Fastback. Hier das Modell von 1976. (Bild: Ford)
1973: Im Herbst debütiert der rundum erneuerte Mustang II mit kompakten Abmessungen (4,45 Meter Länge) als Coupé und Fastback. Hier das Modell von 1976.

Was Micky Maus und Ford Mustang gemeinsam haben
Walt Disney war Geburtshelfer für diese beiden amerikanischen Ikonen. Beim Mustang allerdings gemeinsam mit dem genialen Ford-Verkaufsstrategen Lee Iacocca, der das Konzept dieses familientauglichen Sportlers initiierte. Iacocca spürte, was sich die Nachkriegs-Amerikaner und die ersten Baby-Boomer-Jahrgänge mit Führerschein wünschten: keinen konventionellen Chromkreuzer, sondern ein optisch rasantes Auto, das in die Ära des „alles ist möglich“ der Raumflüge von Gemini und Apollo passte, zumal Ford über die Tochterfirma Philco das NASA-Raumfahrtzentrum Houston ausstattete. Diesen Glauben an die Zukunft beflügelte auch Disney im futuristischen Tomorrowland in Disneyland.

Mit 680.992 verkauften Einheiten im Modelljahr 1964 ½ (bis September 1964) und 1965 gilt der Mustang bis heute als erfolgreichste Modelleinführung in den USA. (Bild: Ford)
Mit 680.992 verkauften Einheiten im Modelljahr 1964 ½ (bis September 1964) und 1965 gilt der Mustang bis heute als erfolgreichste Modelleinführung in den USA.

So war auf der technischen Basis des braven Ford Falcon der verführerisch gezeichnete Ford Mustang entstanden. Rassige, bezahlbare Sportcoupés und Cabriolets, die Platz für junge Familien boten, aber dank unzähliger Individualisierungs-Optionen auf alle Amerikaner begehrenswert wirkten, von Studenten über Farmer und Manager bis zu Politikern und Prominenten. Dieser sportliche Ford kreierte in der US-Gesellschaft eine Mustang-Generation, wie Analysten Ende des 20. Jahrhunderts konstatierten.

Dazu trug der Modellname bei, P-51 Mustang hieß bereits ein erfolgreiches Kampfflugzeug, aber auch das berühmte Wildpferd. „Schnell, sportlich mit einem Hauch Romantik“, sollte der zweitürige Ford nach dem Willen von Lee Iacocca sein und das mit dem Logo eines galoppierenden Mustangs, adaptiert aus Frederic Remingtons legendären Gemälden „Great Pictures of the Old West“. Walt Disney wiederum wusste, wie dieser automobile Mix aus zukunftsweisender Dynamik und romantisierter Freiheit des Wilden Westens präsentiert werden musste: auf der Weltausstellung 1964 in New York. Disney entwickelte einen spektakulären Pavillon, in dem er den Mustang als ultimative technische Errungenschaft der Amerikaner inszenierte - und 51 Millionen Besucher kamen und staunten.

Zur Homologation in der Trans-Am-Serie lanciert Ford 1969 den Boss 302. (Bild: Ford)
Zur Homologation in der Trans-Am-Serie lanciert Ford 1969 den Boss 302.

Noch mehr Menschen erlebten das Mustang-Debüt auf den TV-Bildschirmen, in gut 2600 Zeitungen schaltete Ford Anzeigen, und dazu schaffte es das Auto - ebenfalls Novum - gleichzeitig auf die Titel von „Time“ und „Newsweek“. Eine regelrechte Mustang-Mania bestimmte monatelang das öffentliche Leben in den USA. Hatte das nüchterne Ford Model T die Massenmotorisierung initiiert, war es nun der emotionale Mustang, der alle Rekorde brach. Über 680.000 Einheiten im ersten Modelljahr - das etwas länger als üblich dauerte - waren ein Weltrekord, Ford hatte mit bestenfalls 240.000 gerechnet.

Zu teuer und nicht gut genug für Europa
In Europa fristete das erfolgreichste Sportcoupé aller Zeiten dennoch lange ein Nischendasein. Bis 1978 erfolgte der Vertrieb unter dem nüchternen Typencode Ford T5, da Krupp und Kreidler die Namensrechte hielten; vor allem aber wurde der Mustang V8 zu Preisen eingeführt, die ihn Mitte der 1960er Jahre in Konkurrenz zu europäischen Prestigesportlern wie Porsche 911 oder Mercedes 230 SL brachte. Hinzu kamen die von der Presse kritisierten, weil eher amerikanischen Ansprüchen genügenden Fahreigenschaften.

Immerhin eroberte der Mustang die Kinderzimmer als Modellauto, und im Kino wurde Action mit dem Mustang Kult. Allen voran der Film Bullitt mit Verfolgungsjagd durch San Francisco von Lieutenant Frank Bullitt (gespielt von Steve McQueen) im überlegenen Mustang GT 500 gegen einen Dodge Charger. Mehrere Mustang-Sondermodelle erinnerten später an diesen Kultfilm.

Aber auch fast 10.000 weitere Kino- und TV-Produktionen sowie Konsolenspiele machten aus dem Mustang das populärste Sport-Coupé bzw. -Cabrio der Geschichte, dem Rivalen wie der Chevrolet Camaro (1967) nie ernsthaft gefährlich wurden. Und in Europa schob der Mustang früh die Entwicklung weiterer Pony Cars an, von Ford Capri bis Opel Manta, ehe er 2015 in mittlerweile sechster Generation als preiswerter 5,0-Liter-V8 doch noch die Alte Welt für sich gewann.

Der Mustang als Corvette- und Porsche-„Killer“ auf dem Highway: PS-Magier Carroll Shelby erfüllte 1967 Speedjunkys diesen Wunsch, indem er dem Mustang bis 375 PS entlockte, und mit der Aktion „Rent a Racer“ schrieb der Shelby GT-350H Geschichte als erster Racer bei Automobilvermietern.

1967: Der Shelby GT500 startet als stärkste Mustang-Version. Hier der Convertible Modell 1968. (Bild: Ford)
1967: Der Shelby GT500 startet als stärkste Mustang-Version. Hier der Convertible Modell 1968.

Dann aber knickte die Absatzkurve des Ford ein. Deshalb ließ Dearborn den Mustang um knapp 20 Zentimeter auf 4,80 Meter wachsen, was die Fans mit Unmut quittierten. Zurück zur kompakten Urform fand der Ford 1973 als Mustang II. Seinen Vier- und Sechszylindern fehlte es zwar an Pferdestärken, aber niedrige Verbrauchswerte beschleunigten die Verkaufszahlen in der Ölkrise. Anpassungsfähig an den wechselnden Zeitgeist zeigte sich der Mustang auch in den folgenden Jahrzehnten. Die V8 kehrten zurück, die Generationen 3, 4 und 5 des Pony Cars begeisterten durch Turbos, in Auflage 6 und heute zum 60-Jahre-Jubiläum in Generation 7 brilliert er als weltweit meistverkaufter Sportwagen. Dieses Faszinationspotential muss sich der elektrische Mustang Mach-E erst noch erarbeiten.

Ford Mustang Mach I Modell 1973 Generation 1 (Bild: Ford)
Ford Mustang Mach I Modell 1973 Generation 1

Top als Oldtimer
Welche Rolle das meistverkaufte amerikanische Pony Car für die Oldtimerszene spielt, erklärt Christoph Pichura von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: „Der Mustang, speziell die frühen Modelle, gehört seit Jahrzehnten zu den beliebtesten US-Cars überhaupt. Vom schmalbrüstigen Sechszylinder bis zum Sammlerstück Shelby GT350 ist für fast jeden Geschmack und Geldbeutel etwas im Angebot. Die großen Stückzahlen sorgen außerdem dafür, dass selbst die beliebten Modellvarianten noch erschwinglich sind, ein Coupé von 1965 gibt es mit V8-Motor schon für rund 33.000 Euro im guten Zustand.“

Der größte Irrtum über den Ford Mustang dürfte mittlerweile geklärt sein: Nicht alle haben einen V8 unter der Haube. Aber die begehrtesten.

Loading...
00:00 / 00:00
Abspielen
Schließen
Aufklappen
Loading...
Vorige 10 Sekunden
Zum Vorigen Wechseln
Abspielen
Zum Nächsten Wechseln
Nächste 10 Sekunden
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
Loading
Kommentare
Eingeloggt als 
Nicht der richtige User? Logout

Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.

(Bild: KMM)



Kostenlose Spiele
Vorteilswelt