Dieses Auto verkörpert den amerikanischen Traum, der von Fortschritt, Freiheit und V8-Glück erzählt. Mit dem Ford Mustang mutierte das Volksauto vor 60 Jahren vom nüchternen Transportmittel zum millionenfach verkauften Sportwagen. Doch es hält sich hartnäckig ein Irrtum über diese Legende.
Es ist eine Szene fast wie im amerikanischen Western: Einsam galoppiert der Reiter mit seinem V8-Mustang dem Sonnenuntergang entgegen, denn der seit April 1964 in weit über zehn Millionen Einheiten und sieben Generationen verkaufte sportliche Ford mit dem Signet des Wildpferds ist das letzte überlebende Pony Car.
Vor 60 Jahren hatte Ford die Gattung aufregend designter Pony Cars mit fast endlos langer Motorhaube für viele Pferdestärken erfunden, jetzt haben Mustang-Rivalen wie Chevrolet Camaro oder Dodge Charger das Feld des Full-Size-V8 dem Ford überlassen, während sie sich selbst als Stromer neu erfinden wollen.
Auch Ford hat für die elektrischen Reiter schon ein Pferd im Stall: Der Mustang Mach-E versucht seit 2019 Tesla-Jünger zu überzeugen, aber auf die Pole Position des Jahr für Jahr weltweit meistverkauften Sportwagen ist weiter der V8-Mustang abonniert. Schließlich ist dieser Ford für Amerikaner und Autofans weltweit ein Monument, ein Stück US-Lebenskultur wie Burger, Coca Cola oder Jeans.
Es gab schon früher nicht nur Achtzylinder
So verkörperte der Ur-Mustang die Aufbruchstimmung der tempo- und technikgläubigen Swinging Sixties, der kleine Mustang II von 1973/74 passte mit Vierzylindermotoren in die erste Ölkrise, die Generationen III und IV fanden in den 1980er und 1990er Jahren zurück zur V8-Power und größeren Formen, und seit dem Mustang V von 2004 wird der Urtyp erfolgreich durch Retroformen revitalisiert.
Was Micky Maus und Ford Mustang gemeinsam haben
Walt Disney war Geburtshelfer für diese beiden amerikanischen Ikonen. Beim Mustang allerdings gemeinsam mit dem genialen Ford-Verkaufsstrategen Lee Iacocca, der das Konzept dieses familientauglichen Sportlers initiierte. Iacocca spürte, was sich die Nachkriegs-Amerikaner und die ersten Baby-Boomer-Jahrgänge mit Führerschein wünschten: keinen konventionellen Chromkreuzer, sondern ein optisch rasantes Auto, das in die Ära des „alles ist möglich“ der Raumflüge von Gemini und Apollo passte, zumal Ford über die Tochterfirma Philco das NASA-Raumfahrtzentrum Houston ausstattete. Diesen Glauben an die Zukunft beflügelte auch Disney im futuristischen Tomorrowland in Disneyland.
So war auf der technischen Basis des braven Ford Falcon der verführerisch gezeichnete Ford Mustang entstanden. Rassige, bezahlbare Sportcoupés und Cabriolets, die Platz für junge Familien boten, aber dank unzähliger Individualisierungs-Optionen auf alle Amerikaner begehrenswert wirkten, von Studenten über Farmer und Manager bis zu Politikern und Prominenten. Dieser sportliche Ford kreierte in der US-Gesellschaft eine Mustang-Generation, wie Analysten Ende des 20. Jahrhunderts konstatierten.
Dazu trug der Modellname bei, P-51 Mustang hieß bereits ein erfolgreiches Kampfflugzeug, aber auch das berühmte Wildpferd. „Schnell, sportlich mit einem Hauch Romantik“, sollte der zweitürige Ford nach dem Willen von Lee Iacocca sein und das mit dem Logo eines galoppierenden Mustangs, adaptiert aus Frederic Remingtons legendären Gemälden „Great Pictures of the Old West“. Walt Disney wiederum wusste, wie dieser automobile Mix aus zukunftsweisender Dynamik und romantisierter Freiheit des Wilden Westens präsentiert werden musste: auf der Weltausstellung 1964 in New York. Disney entwickelte einen spektakulären Pavillon, in dem er den Mustang als ultimative technische Errungenschaft der Amerikaner inszenierte - und 51 Millionen Besucher kamen und staunten.
Noch mehr Menschen erlebten das Mustang-Debüt auf den TV-Bildschirmen, in gut 2600 Zeitungen schaltete Ford Anzeigen, und dazu schaffte es das Auto - ebenfalls Novum - gleichzeitig auf die Titel von „Time“ und „Newsweek“. Eine regelrechte Mustang-Mania bestimmte monatelang das öffentliche Leben in den USA. Hatte das nüchterne Ford Model T die Massenmotorisierung initiiert, war es nun der emotionale Mustang, der alle Rekorde brach. Über 680.000 Einheiten im ersten Modelljahr - das etwas länger als üblich dauerte - waren ein Weltrekord, Ford hatte mit bestenfalls 240.000 gerechnet.
Zu teuer und nicht gut genug für Europa
In Europa fristete das erfolgreichste Sportcoupé aller Zeiten dennoch lange ein Nischendasein. Bis 1978 erfolgte der Vertrieb unter dem nüchternen Typencode Ford T5, da Krupp und Kreidler die Namensrechte hielten; vor allem aber wurde der Mustang V8 zu Preisen eingeführt, die ihn Mitte der 1960er Jahre in Konkurrenz zu europäischen Prestigesportlern wie Porsche 911 oder Mercedes 230 SL brachte. Hinzu kamen die von der Presse kritisierten, weil eher amerikanischen Ansprüchen genügenden Fahreigenschaften.
Immerhin eroberte der Mustang die Kinderzimmer als Modellauto, und im Kino wurde Action mit dem Mustang Kult. Allen voran der Film Bullitt mit Verfolgungsjagd durch San Francisco von Lieutenant Frank Bullitt (gespielt von Steve McQueen) im überlegenen Mustang GT 500 gegen einen Dodge Charger. Mehrere Mustang-Sondermodelle erinnerten später an diesen Kultfilm.
Aber auch fast 10.000 weitere Kino- und TV-Produktionen sowie Konsolenspiele machten aus dem Mustang das populärste Sport-Coupé bzw. -Cabrio der Geschichte, dem Rivalen wie der Chevrolet Camaro (1967) nie ernsthaft gefährlich wurden. Und in Europa schob der Mustang früh die Entwicklung weiterer Pony Cars an, von Ford Capri bis Opel Manta, ehe er 2015 in mittlerweile sechster Generation als preiswerter 5,0-Liter-V8 doch noch die Alte Welt für sich gewann.
Der Mustang als Corvette- und Porsche-„Killer“ auf dem Highway: PS-Magier Carroll Shelby erfüllte 1967 Speedjunkys diesen Wunsch, indem er dem Mustang bis 375 PS entlockte, und mit der Aktion „Rent a Racer“ schrieb der Shelby GT-350H Geschichte als erster Racer bei Automobilvermietern.
Dann aber knickte die Absatzkurve des Ford ein. Deshalb ließ Dearborn den Mustang um knapp 20 Zentimeter auf 4,80 Meter wachsen, was die Fans mit Unmut quittierten. Zurück zur kompakten Urform fand der Ford 1973 als Mustang II. Seinen Vier- und Sechszylindern fehlte es zwar an Pferdestärken, aber niedrige Verbrauchswerte beschleunigten die Verkaufszahlen in der Ölkrise. Anpassungsfähig an den wechselnden Zeitgeist zeigte sich der Mustang auch in den folgenden Jahrzehnten. Die V8 kehrten zurück, die Generationen 3, 4 und 5 des Pony Cars begeisterten durch Turbos, in Auflage 6 und heute zum 60-Jahre-Jubiläum in Generation 7 brilliert er als weltweit meistverkaufter Sportwagen. Dieses Faszinationspotential muss sich der elektrische Mustang Mach-E erst noch erarbeiten.
Top als Oldtimer
Welche Rolle das meistverkaufte amerikanische Pony Car für die Oldtimerszene spielt, erklärt Christoph Pichura von der Bewertungsorganisation Classic Analytics: „Der Mustang, speziell die frühen Modelle, gehört seit Jahrzehnten zu den beliebtesten US-Cars überhaupt. Vom schmalbrüstigen Sechszylinder bis zum Sammlerstück Shelby GT350 ist für fast jeden Geschmack und Geldbeutel etwas im Angebot. Die großen Stückzahlen sorgen außerdem dafür, dass selbst die beliebten Modellvarianten noch erschwinglich sind, ein Coupé von 1965 gibt es mit V8-Motor schon für rund 33.000 Euro im guten Zustand.“
Der größte Irrtum über den Ford Mustang dürfte mittlerweile geklärt sein: Nicht alle haben einen V8 unter der Haube. Aber die begehrtesten.
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