Der rot-weiß-rote Nachwuchs kommt zu kurz. „Durchlässigkeit“ für den Profikader sehr gering. Sogar serbische Vereine dienen als Vorbilder.
Das Maß aller Dinge in Sachen Talente und deren Förderung ist einmal mehr Ajax Amsterdam. Seit den 60er-Jahren produziert der Kultklub Weltklasse-Spieler am Fließband. Einer davon war Johann Cruyff. „Ajax ist das Vorbild in Sachen Nachwuchs für alle Vereine.“ Und hat auch mit 192 herausgebrachten Profis den höchsten Wert aller europäischen Teams. Gefolgt von Partizan Belgrad (Ser/179), Dinamo Zagreb (Kro/173), Roter Stern Belgrad (Ser/164) und Benfica Lissabon (Por/156).
Auffällig dabei: Sogar serbische Vereine mischen in der Elite mit, wenn’s um qualitative Ausbildung geht. Superstars wie Dusan Vlahovic (Partizan) und Luka Jovic (Roter Stern) inklusive. Von Dinamo Zagreb aus prägte ein gewisser Luka Modric eine Ära bei Real Madrid und im kroatischen Nationalteam. Und João Félix - der zurzeit beim FC Barcelona kickt - spülte Benfica fast 130 Millionen in die Kassen.
Eine Frage tut sich im Zuge dessen auf: Wo sind die österreichischen Talente? Es heißt „bitte warten“ für den heimischen Nachwuchs - und es scheint auch kaum Platz zu sein! Dabei muss man sich an anderen Ländern ein Beispiel nehmen, wie’s funktionieren könnte.
Wo man automatisch wieder bei Ajax landet. Die im aktuellen Kader einen „Eigenbau“-Anteil von unglaublichen fast 36 Prozent (nur Holländer) aufweisen.
Rapid kann mithalten
Mit einem Blick auf die rot-weiß-rote Fußball-Bundesliga bekommt man dagegen den Eindruck, dass die Klubs recht wenig Vertrauen in die eigenen Talente haben. Der Legionärs-Anteil wird immer höher, die „Durchlässigkeit“ für den Profikader dafür wohl geringer. Liga-Primus Salzburg hat rund 12 Prozent an selbst ausgebildeten österreichischen Spielern im Team, Sturm 14, der LASK 7 Prozent. Dafür können die Wiener Klubs aufzeigen. Austria hat rund 22 Prozent. Und Rapid (knapp 28) hält noch mit der europäischen Spitze mit.
Österreich hinkt im internationalen Vergleich hinterher. Heimische Talente bleiben zumeist auf der Strecke. Die „Krone“ sprach mit Gesamtleiter der ÖFB-Talentförderung, Martin Scherb, über die Thematik.
„Krone“: Herr Scherb, was fehlt im Nachwuchsbereich zu Europas Elite?
Martin Scherb: Wenn man die Nachwuchs-Nationalteams hernimmt, dann fehlt uns - in der aktuellen Saison - nicht viel. Sowohl die U17 und U19 der Mädchen und Burschen konnten sich für die Eliterunde auf dem Weg zur EURO-Teilnahme qualifizieren. Wir als ÖFB wünschen uns in der Bundesliga naturgemäß viele österreichische Spieler. Einige Klubs setzen ja verstärkt auf ihre Spieler, andere etwas weniger. Vergleichbare Länder haben mehr Vertrauen in die eigene Jugend, die sind uns aktuell voraus.
Das klingt nach einer recht einfachen Lösung ...
In der Praxis scheitert es aber oft. Nehmen wir das Beispiel Dinamo Zagreb her. Da werden 16-, 17-Jährige super ausgebildet, in die Kampfmannschaft hochgezogen und dort auch gepusht. Und später einmal für richtig gutes Geld weiterverkauft. Das wäre aus unserer Sicht ein möglicher Weg.
Machen Sie sich Sorgen um die Talente im Land?
Sorgen mache ich mir nicht. Aber wir dürfen uns von den aktuellen Erfolgen, vom Nationalteam abwärts, nicht blenden lassen. Um wirklich nachhaltig erfolgreich zu sein, drehen wir im ÖFB aktuell an vielen Schrauben.
Gibt es schon Projekte, die einen Anstoß liefern?
Ja, angefangen vom neuen LAZ-Ausbildungssegment für den Altersbereich der 10- bis 14-Jährigen. Dazu das Spitzentalente-Förderprogramm „Projekt12“, die Strukturreform im Akademiebereich bis hin zur engen Zusammenarbeit mit den Kollegen der ÖFB-Trainerakademie. Im Mittelpunkt steht dabei die umfassende individuelle Ausbildung unserer Spieler.
Wo orten Sie die größte Baustelle?
Dass die Vereine wenig Zeit und Geduld für die jungen Kicker aufbringen. Doch das können wir vom ÖFB nicht vorgeben, das müssen die Klubs für sich selbst entscheiden. Da würde ich mir mehr Vertrauen in die selbst ausgebildeten Spieler wünschen.
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