Team bestätigte Tod

Mutter und Anwalt suchen nach Nawalnys Leiche

Ausland
17.02.2024 14:27

Nach dem Tod des Kremlgegners Alexej Nawalny scheint dessen Leiche zunächst unauffindbar zu sein. Nawalnys Mutter sowie ein Anwalt konnten im Leichenschauhaus, wo er sein sollte, keine Spur des Leichnams entdecken. „Es ist offensichtlich, dass sie lügen“, erklärte Nawalnys Sprecherin, Kira Jarmysch in Bezug auf die russischen Behörden.

Zuvor hatte sie den Tod des Kremlgegners bestätigt. Seiner Mutter habe man mitgeteilt, dass er am Freitag, 16. Februar, um 14.17 Uhr gestorben sei, erklärte sie auf der Plattform X. „Alexej Nawalny wurde ermordet“, schrieb sie zudem. Ein Mitarbeiter der Strafkolonie habe gesagt, dass sich seine Leiche nun in der nordsibirischen Stadt Salechard befinde, wo man nun „Untersuchungen“ an ihr durchführe. Jarmysch forderte, dass der Leichnam unverzüglich an die Familie Nawalnys übergeben werden müsse.

Mutter und Rechtsanwalt reisten an
Die russische Zeitung „Nowaja Gaseta“ berichtete, dass Nawalnys Mutter Ljudmila Nawalnaja sich gemeinsam mit einem Rechtsanwalt ihres Sohnes auf den Weg nach Salechard gemacht habe. Nawalny war zu mehr als 30 Jahren Haft verurteilt worden. Zuletzt war er im Straflager „Polarwolf“ nahe der Ortschaft Charp im Autonomen Kreis der Jamal-Nenzen in Nordrussland inhaftiert.

Keine Spur von der Leiche
Im Leichenschauhaus der Stadt Salechard, knapp 50 Kilometer vom Straflager Charp entfernt, konnten Mutter und Anwalt aber keine Spur von Nawalnys Leichnam entdecken, berichtete Sprecherin Jarmysch unterdessen. Somit habe die Mutter die Leiche zunächst auch nicht identifizieren können.

Das Leichenschauhaus sei geschlossen, und über die am Eingang ausgehängte Kontakt-Telefonnummer sei der Anwalt auch nicht zu einer zufriedenstellenden Antwort gekommen. „Ihm wurde gesagt, dass er bereits der siebente Anrufer an diesem Tag sei“, schrieb Jarmysch. „Und der Leichnam Alexejs befinde sich nicht bei ihnen im Leichenschauhaus.“

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Sie lügen buchstäblich jedes Mal, lassen uns im Kreis rennen und verwischen ihre Spuren.

Kira Jarmysch, Sprecherin von Alexej Nawalny

Einem weiteren Anwalt Nawalnys, der sich an die Untersuchungskommission in Salechard gewandt habe, sei erklärt worden, dass „die Todesursache von Alexej noch nicht feststeht“ und eine neue Untersuchung des Gewebes durchgeführt worden sei. Die Ergebnisse sollten demnach nächste Woche feststehen, so Kira Jarmysch.

Die Kommission habe erklärt, dass der Leichnam erst übergeben werde, wenn die Untersuchung abgeschlossen sei. „Es ist offensichtlich, dass sie lügen und alles tun, um die Leiche nicht aushändigen zu müssen“, schrieb sie auf X. Denn erst kurz davor habe man den Anwälten erklärt, dass die Ermittlungen abgeschlossen seien.

„Russische Wehleidigkeit ist fehl am Platz“
Unterdessen verbat sich Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) Kritik der Moskauer Regierung an den Reaktionen auf den Tod Nawalnys. Jene, die sich am Freitag am meisten aufgeregt hätten, sollten sich am ruhigsten verhalten, sagte Schallenberg am Samstag am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. „Die russische Wehleidigkeit ist hier fehl am Platz“, sagte er zum Protest der russischen Botschaft gegen einen Kommentar von Bundespräsident Alexander Van der Bellen.

Schallenberg bei der Münchner Sicherheitskonferenz (Bild: APA/BMEIA/MICHAEL GRUBER)
Schallenberg bei der Münchner Sicherheitskonferenz

Van der Bellen hatte in seiner unmittelbaren Reaktion auf X von „Wladimir Putin und seinem mörderischen Regime“ gesprochen. Die russische Botschaft in Wien konterte mit einer Protestnote ans Außenamt. Schallenberg sagte dazu, dass er sich nicht an Verschwörungstheorien beteilige. Zugleich stellte er klar: „Wir wissen, dass es einen Giftanschlag auf ihn gab, dass er in den Gulag gesteckt wurde.“ Anders als zahlreiche internationale Politiker hatte Schallenberg eine direkte Schuldzuweisung an Moskau nach dem Tod Nawalnys vermieden, aber eine vollständige Untersuchung der Todesumstände gefordert.

Demo vor russischer Botschaft in Wien
In zahlreichen europäischen Städten, darunter Wien, demonstrierten Menschen vor den jeweiligen russischen Botschaften und nannten Kremlchef Wladimir Putin einen Mörder. Trotz Festnahmen und Drucks der Behörden hielten auch in Russland die öffentlichen Beileidsbekundungen für Nawalny an. Nach Informationen von Menschenrechtlern wurden inzwischen landesweit mehr als 200 Menschen festgenommen.

Der am Freitag verstorbene Alexej Nawalny bei einer seiner vielen Anhörungen vor Gericht vergangenes Jahr (Bild: ASSOCIATED PRESS)
Der am Freitag verstorbene Alexej Nawalny bei einer seiner vielen Anhörungen vor Gericht vergangenes Jahr
„Nicht getötet, sondern ermordet“ steht auf dem Plakat dieser Russin. (Bild: AP)
„Nicht getötet, sondern ermordet“ steht auf dem Plakat dieser Russin.
Die Polizei nimmt einen Mann fest, der in St. Petersburg Blumen für Nawalny niederlegen wollte. (Bild: ASSOCIATED PRESS)
Die Polizei nimmt einen Mann fest, der in St. Petersburg Blumen für Nawalny niederlegen wollte.

In Moskau und anderen Städten räumten Männer in Zivil oder Mitarbeiter der Stadtreinigung spontan errichtete Erinnerungsstätten für den 47-Jährigen, der in Haft in der Polarregion unter ungeklärten Umständen starb. Sie packten Blumen in Müllsäcke, sammelten Kerzen und Bilder ein. Medien in vielen Teilen Russlands berichteten am Samstag, dass trotzdem weiter frische Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und Bilder zur Erinnerung an Nawalny aufgestellt wurden.

„Große Angst vor einem Toten“
„Wie groß doch selbst die Angst des Machtapparates vor einem Toten ist, wenn sogar das Ablegen von Blumen zu seinem Andenken als Verbrechen angesehen wird“, schrieb der russische Friedensnobelpreisträger und Gründer der kremlkritischen Zeitung „Nowaja Gaseta“, Dmitri Muratow, am Samstag auf Telegram.

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