„Zermürbungsfalle“

Awdijiwka: Russen zahlen hohen Preis für Einnahme

Ausland
18.02.2024 19:28

Nach der bittersten Niederlage seit einem Dreivierteljahr versuchen ukrainische Offizielle dem Fall der Stadt Awdijiwka an Russland positive Seiten abzugewinnen. Oleksandr Tarnawsky, bis zum Rückzug ukrainischer Truppen am Samstag der kommandierende General vor Ort, behauptete am Sonntag, Moskau habe bei der Eroberung der nordwestlich von Donezk gelegenen Stadt in der Ostukraine knapp 47.200 Soldaten durch Tod oder Verwundung verloren. Andere Analysen besagen, dass die russische Armee in den viermonatigen Kämpfen zehn Prozent ihrer eingesetzten Panzer verlor. 

Die Eroberung von Awdijiwka ist für Moskau der größte militärische Erfolg seit der Einnahme von Bachmut im Mai 2023 - und Folge dramatischer Überlegenheit an Soldaten, Artilleriegranaten und erstmals auch in der Luft.

Auch viele zivile Häuser zerstört
Sowohl ukrainische Militärs, wie Experten des Instituts für Kriegsstudien (ISW) in Washington analysierten, als auch Hunderte Gleitbomben mit einem Gewicht von bis zu jeweils drei Tonnen, abgefeuert von Flugzeugen aus einer Entfernung von bis zu 70 Kilometern, hätten ukrainische Verteidigungsstellungen in ehemaligen Fabriken ebenso zerstört wie zivile Häuser.

Russland verlor in und um Awdijiwka 224 Panzer 
Doch der Preis dafür dürfte sehr hoch gewesen sein. „Mit der Eroberung einiger Quadratkilometer zerstörten und entvölkerten städtischen Geländes hat der Kreml fast genau eine ganze Panzerdivision geopfert“, analysierten Militärblogger für „Forbes“. Demnach haben die 2. und 41. Armee Russlands 224 Panzer verloren.

Russen verloren 655 Kriegsobjekte
Hauptsächlich soll es sich um die Panzertypen T-72 und T-80 handeln, aber auch einige hochwertige T-90 sollen darunter sein. Die ukrainische Armee habe dagegen „nur“ 21 Panzer verloren. Insgesamt hätten die Russen 655 Kriegsobjekte (Panzer, Fahrzeuge, Ausrüstung, etc.) verloren, die Ukraine „nur“ 50. „Die Verluste an russischen Panzern in und um Awdijiwka belaufen sich auf möglicherweise mehr als ein Zehntel aller Panzer, die die russischen Streitkräfte in der Ukraine haben“, ist im „Forbes“ weiters zu lesen. 

„Russland ist in eine Zermürbungsfalle getappt“
Fazit der Militärblogger: „Indem sie viermal so viele Panzer verloren, wie sie eigentlich hätten verlieren müssen, sind die Russen in eine Zermürbungsfalle getappt. Sie könnten das, was von Awdijiwka übrig ist, einnehmen. Aber sie werden die Ruinen zu einem Preis an Menschen und Ausrüstung gewinnen, den sie wahrscheinlich nicht so schnell wieder wettmachen können - und wahrscheinlich nicht, ohne das Tempo der Operationen anderswo entlang der Front in der Ukraine zu verlangsamen.“

Ukraine-Krieg forderte bereits über 400.000 tote russische Soldaten
Während sich russische und ukrainische Truppen auf anderen Schauplätzen weiterhin heftige Kämpfe im Osten der Ukraine liefern, veröffentlichte der ukrainische Generalstab neue Zahlen zu russischen Verlusten. Demnach wurden in den vergangenen 24 Stunden mehr als 1800 russische Soldaten getötet oder verletzt. Damit hat die Zahl der seit Kriegsbeginn getöteten oder verletzten russischen Soldaten 400.000 überschritten. Zu den Verlusten der Ukrainer fehlen Angaben, aber auch sie dürften mindestens in die Tausende gehen.

Militärexperte: „Moskaus Einheiten wachsen zahlenmäßig gleichwohl“
Doch selbst wenn die Eroberung von Awdijiwka Russland Zehntausende Soldaten gekostet haben sollte, dürfte dies seine Armee nicht wesentlich beeinträchtigen, wie Jack Watling vom Londoner Militärforschungsinstitut Rusi analysierte: „Moskaus Einheiten erlitten zwar bedeutende Verluste, wachsen aber zahlenmäßig gleichwohl“. Seit Beginn 2023 habe Russland die Größe seiner Streitkraft in der Ukraine von 360.000 auf 470.000 Truppen gesteigert. Moskau habe zudem seine Rüstungsproduktion hochgefahren und setze auf einen Sieg bis 2026. Die Ukraine zählt dem Londoner Thinktank IISS zufolge 800.000 aktive Militärs, hat aber erhebliche Probleme bei neuen Einberufungen und Nachschub für die Armee.

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