Trauernde bestraft
Nawalnys Mutter Zutritt zu Leichenhalle verweigert
Vor drei Tagen wurde der Tod des wohl bekanntesten Kreml-Kritikers Alexey Nawalny bekannt gegeben - doch noch immer wird sowohl Familie als auch Anwälten der Zugang zu seiner Leiche verwehrt. Die Sprecherin Nawalnys, Kira Jarmysch, teilte am Montagmorgen mit, dass seine Mutter und seine Verteidiger der Zutritt in die Leichenhalle verwehrt wurde. Zahlreiche Russen trauerten indes öffentlich um den Kreml-Kritiker - es wurden bereits Hunderte Trauernde mit Haft- oder Geldstrafen belegt.
Ein Anwalt, der ebenfalls Zugang zu der Leichenhalle gefordert hatte, sei regelrecht hinausgedrängt worden. „Auf die Frage, ob sich dort Alexejs Körper befindet, antworten die Mitarbeiter nicht“, erklärte Kira Jarmysch auf der Plattform X. Das Ermittlungskomitee erklärte Angehörigen und Verteidigern lediglich, dass die Überprüfung von Nawalnys Tod verlängert worden sei.
In diesem Beitrag auf X berichtet Jarmysch über den Vorfall vor der Leichenhalle:
Nawalnys Team vermutet Verzögerungstaktik
Angehörige und das Team Nawalnys fordern den russischen Machtapparat seit Tagen zur Herausgabe der Leiche auf. Nach offiziellen Angaben war der Gegner von Machthaber Wladimir Putin am Freitag im Straflager gestorben. Die Gründe des Todes sind immer noch „nicht festgestellt“, teilte Jarmysch mit. Nawalnys Team macht Putin für den Tod Nawalnys verantwortlich und wirft den Behörden Verzögerungstaktik vor.
Nawalys Witwe vermutet Giftanschlag
Die Witwe Nawalnys warf den russischen Behörden vor, den Leichnahm ihres Mannes zurückzuhalten. Die Behörden warteten ab, bis keine Spuren des Nervengifts Novitschok mehr nachzuweisen seien, erklärte Julia Nawalnaja am Montag in einer Videobotschaft. Sie warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, ihren Mann getötet zu haben, weil er Nawalny nicht habe brechen können. Sie werde das Werk ihres Mannes fortführen und für ein freies Russland kämpfen.
Nawalnaja war am Montag zum EU-Außenministertreffen in Brüssel eingeladen. Sie hatte am Vorabend erstmals seit dem Tod ihres Mannes auf Instagram einen Beitrag abgesetzt - ein Foto, auf dem Nawalny sie liebkoste und mit den Worten: „Ich liebe dich“. Tausende Menschen sprachen in Kommentaren Julia Nawalnaja Mut zu und wünschten ihr Kraft. Am Montagmorgen hatte der Eintrag mehr als eine halbe Million Aufrufe.
Das rührende Instagram-Posting von Julia Nawalnaja:
Viele zeigten Trauer trotz Maßnahmen der Behörden
Viele Menschen legten an offiziellen Denkmälern für die Opfer politischer Gewalt Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Behörden versuchten weiter, die spontanen Gedenkstätten zu zerstören, Blumen wurden in Mülltüten gestopft und abtransportiert. Auch westliche Botschafter legten in Moskau gegenüber der Geheimdienstzentrale an der Lubjanka Blumen nieder und erinnerten an Nawalnys mutigen Widerstand gegen Putin.
Hunderte Trauernde mit Haft- oder Geldstrafen belegt
Nach dem Tod des Kremlgegners haben russische Gerichte in Eilverfahren bisher mehr als 200 Strafen gegen die an spontanem Gedenken teilnehmenden Trauernden verhängt. Allein in St. Petersburg ordneten die Gerichte der Millionenmetropole gegen 199 Menschen Arrest oder Geldstrafen an, auch in der russischen Hauptstadt Moskau gab es mehrere solcher administrativen Strafen. In St. Petersburg kamen mehr als 154 Menschen in eine Arrestzelle, die meisten für mehrere Tage.
Putin schweigt weiterhin zu Nawalnys Tod
Der russische Präsident, der in einem Monat wiedergewählt werden will, hat sich bisher nicht geäußert zum Tod seines schärfsten Gegners. Der nach vielen Tagen in immer wieder angeordneter Einzelhaft körperlich geschwächte Nawalny war nach russischen Behördenangaben am Freitag bei einem Hofgang in seinem sibirischen Straflager bei eisigen Temperaturen zusammengebrochen. Wiederbelebungsversuche waren nach Angaben des Strafvollzugs erfolglos.
Witwe von Giftopfer Litwinenko: „Putin ist Monster“
Für die Witwe des in London vergifteten russischen Ex-Spions und Putin-Kritikers Alexander Litwinenko ist dagegen klar, dass nur Putin für den Tod Nawalnys verantwortlich sein kann. „Putin ist ein Monster“, sagte sie und fügte hinzu: „Ich war so wütend, weil Putin wieder getötet hat, den prominentesten Politiker und die Hoffnung eines neuen Russlands getötet hat.“ Sie sorge sich auch um weitere politische Gefangene in Russland, fügte sie hinzu
Alexander Litwinenko starb 2006 in London nach einem Anschlag mit dem Strahlengift Polonium 210, das ihm einem Untersuchungsbericht zufolge in einem schicken Londoner Hotel in den Tee gemischt worden war. Vom Krankenhausbett beschuldigte er Putin, hinter dem Mordanschlag zu stecken. Der Ex-Geheimdienstler gehörte damals zu den schärfsten Kritikern des Kremls. Unter anderem hatte er den Inlandsgeheimdienst FSB, für den er gearbeitet hatte, beschuldigt, für Bombenanschläge auf Wohnhäuser in Russland verantwortlich zu sein, die 1999 einen Vorwand für den zweiten Tschetschenien-Krieg liefern sollten.
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