Der in Wien geborene Wahl-Tiroler Hakon Hirzenberger ist ein kultureller Tausendsassa. Er reüssiert als Theaterregisseur, Autor, Drehbuchautor und Schauspieler, pflegt seit geraumer Zeit aber auch seine Liebe zur Musik. Mit seinem Projekt Hakon und die Jungfrauen veröffentlicht er dieser Tage die „Welthits II“, die von Neuer Deutscher Welle über Schlager bis Noise-Pop gehen und diverse Austriazismen mit Geschichte und Ironie vermengen. Ein Gespräch über die heilige Scheinmoral, Alltagsrassismus und den Trend zur Selbstmanipulation.
„Krone“: Hakon, ein neues Album von Hakon und die Jungfrauen braucht immer eine gewisse Zeit, da du vor allem als Theaterregisseur und Autor umtriebig bist. Muss man sich für eine Musikproduktion extra konzentrieren?
Hakon Hirzenberger: Es war eine sehr lange Reise, aber das geht nicht anders. Mit einem Beruf als Regisseur, Schauspieler und Autor ist es nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bringen. Hakon und die Jungfrauen entstanden aus Hakon und Moritz. Wir haben eine Zeit lang sehr viel gespielt, aber dann gab es Ermüdungserscheinungen und mir ging die Luft aus. Irgendwann fehlte mir das Projekt und dann rief mich eine Schülerin an, die meinte, sie finde die Musik super und würde um mich herum gerne eine Frauenband formieren. Das haben wir dann auch gemacht und war eine weitere illustre Reise. Kurz vor einem Donauinselfest-Gig kam besagter Moritz in Frauenkleidern wieder zurück. Die Frauen wurden durch ein männliches Musiktheater ersetzt, aber die Frauenkleider sind geblieben. Und ich als Konstante.
Zwischen den „Welthits II“ und den „Welthits“ von damals, also dem letzten Album, liegen ganze zehn Jahre …
Das ist ein Wahnsinn - Kinder, wie die Zeit vergeht. Gestern war übermorgen und heute ist vorgestern. So kann man das sagen. In der Pandemie gab es ein neues Mastering von Martin Scheer und er hat das zur allgemeinen Zufriedenheit zurechtgebastelt. Wir haben aber dann gewartet, weil man zu Corona nicht auftreten konnte. Jetzt geht es wieder, das passt. Ich habe eine große Freude daran, Musik zu machen. Sie ist intim und geht direkt ins Herz. Das Wort braucht die Musik, um ins Herz zu dringen.
Ist die Musik die für dich die freieste Kunstform, weil sie für deinen persönlichen Lebensunterhalt am wenigsten notwendig ist?
Ich habe zum Glück nicht den Druck, von der Musik leben zu müssen und das erleichtert mit Sicherheit das Leben.
Welchen Platz nimmt die Musik in deiner persönlichen Kulturwelt ein?
Einen sehr großen. Sie ist die größte Form der Freiheit. Singen ist eine gesunde Tätigkeit und hat mit Mut zu tun, dazu schwingt der ganze Körper. Ich beschäftige mich schon mein ganzes Leben lang mit Musik und deshalb ist es nichts, was ich mir eifrig auftrainieren muss. Es ist mehr wie Meditation.
Im Gegensatz zum Schauspiel geht es in der Musik meist bewusst um Authentizität, um das Echte.
Ich finde, im Theater ist das auch so - auch wenn man es selten sieht. Die höchste Form des Theaters ist, wenn es authentisch ist. Das Theater ist nicht so schnell wie die Musik, aber beides ist unmittelbar und live. Man ist mit dem Jetzt konfrontiert. Wenn Fehler passieren, dann ist der Moment so passiert. Wenn ich Zuseher verliere, sind sie weg. Packe ich sie aber und kann sie auf die Reise mitnehmen, ist das für alle unvergesslich.
Ist es für dich eine große Herausforderung, für ein Konzert auf der Bühne zu stehen und zu performen?
Es ist hoffentlich ein guter Fluss. Wenn man seine Gedanken so weit konzentrieren kann, dass man den Ist-Zustand erleben darf und mit den Fans eins wird, ist das unbezahlbar.
Kannst du dich in der Musik anders ausdrücken, als es in anderen Kunstformen der Fall ist?
Das Format eines Songs ist komprimierter als ein Stück. Man kann in vier Zeilen ein ganzes Leben erzählen oder einen Moment detailliert beschreiben und mit Musik begleitet darstellen. Musik lässt sich in purer Form zelebrieren, wenn man will. Es gibt natürlich Orchester, aber es reicht auch eine Stimme oder ein Klavier, um zu begeistern - das geht im Theater natürlich nicht. Dort braucht man Licht, Kostüm, Bühne, Assistenten und Darsteller. Da geht nichts ohne einen großen Apparat. Kann man von der Musik leben, ist man dort noch sehr frei.
Auf den Songs der „Welthits II“ scheinst du sehr viel über das Leben und Wesen des gemeinen Österreichers zu erzählen …
Findest du? Es gibt ein Stück von Florian Zeller namens „Die Wahrheit“ und ein Folgestück namens „Die Lüge“. Wer die Wahrheit nicht kennt, der findet die Lüge dann auch gut. Als Wortspiel fand ich das aus dem Stück herauskommend sehr gut und das war sicher eine Inspiration. Es geht am Album um Wahrheit und um Lüge und vielleicht wirklich um Österreicher. Hast du dich oder österreichische Verhaltensweisen darin erkannt?
In „Heilig“ spielst du etwa mit Dogmen der Kirche und mit der Scheinmoral.
Damit sind wir alle aufgewachsen. Eigentlich mag ich den Grundsatz und die Toleranz der katholischen Kirche. Christliche Werte sind an sich nichts Schlechtes. Otto von Corvins Buch „Pfaffenspiegel“ hat mir die Augen geöffnet. Man liest dort, durch welche wahnsinnigen Entwicklungen dieser Verein gegangen ist. Das Buch ist am Index der katholischen Kirche, aber unglaublich gut geschrieben. Ich kann es nur schwer empfehlen. Der Song ist ein bisschen eine Kritik an die Instanz, aber ich will nicht auf sie treten, weil ich sie wichtig finde. Ich verstehe aber nicht, warum Frauen dort nicht viel dürfen, das ist total widersinnig. Um junge Menschen dafür zu interessieren, muss die Kirche sich öffnen. Es ist niemand mehr in der Kirche, aber es wäre ein toller Beruf, wenn man es zeitgemäßer aufnehmen würde.
Du hast also ein ambivalentes Verhältnis zur Kirche, aber nicht zur Religion an sich?
Ja. Je älter man wird, umso schwieriger wird es zu glauben, dass etwas weitergehen soll. Es ist schön zu glauben, dass es eine Form von Gerechtigkeit gibt und die Despoten das nächste Mal als Eintagsfliege wiederkommen. (lacht) Aber ich sehe kaum Bewegung. Sie versuchen es, aber es passiert nichts. Global gesehen hat die Kirche kein Problem. In Afrika und Südamerika wächst der Zuspruch, deshalb sind sie hier in Europa wohl auch noch recht gelassen.
Was ist denn dir im Leben heilig?
Kinder, Frau und Familie. Im weitesten Sinne auch die Freunde.
Auf deinem Album kommt zu Beginn der „Kummer“ vor dem „Alkohol“. Im echten Leben ist das nicht nur, aber oft auch umgekehrt der Fall.
(lacht) Die Lieder sind sehr unterschiedlich und es gibt keinen klaren Stil. Die Reihenfolge ist nach musikalischen Höhen und Tiefen ausgesucht. Mit „Kummer“ zu beginnen ist sehr österreichisch. „Wer vü sudert, wird net…“ und so weiter. (lacht) „Alkohol“ entstand aus einer Musiktheaterproduktion. Genau wie „Soliman“, „Schön“ und „Wer küsst mich“. Das Theater ist mit der Musik verknüpft. Ich wuchs neben der Kaisergruft in Wien auf und habe mich in diese Geschichte des Heiligen Maximilian recherchiert. Das war die Basis für das Theaterstück. Es geht quasi darum, dass die Kaisergruft geschlossen werden soll und die Geister der Habsburger kriegen Stress, weil sie nicht wissen, wo sie jetzt hin sollen. Dann kommen verschiedene Besucher wie Soliman. Andere dürfen sich bewegen, aber die Habsburger sind auf ihren Sesseln gefesselt und müssen ihren Tod starr ertragen. Daraus bastelten wir Lieder.
Du bist in Wien geboren, aber seit geraumer Zeit im Heiligen Land Tirol wohnhaft. Das ist dann auch wieder ein ganz anderes Österreich.
Ganz anders, das stimmt. Ich war selbst ewig Ministrant und könnte nicht sagen, dass es in Tirol heiliger zugeht als in Wien. Tiroler haben gewisse Traditionen und Bräuche wie die Schützen und einen näheren Zugang zum örtlichen Pfarrer, aber das hat etwas sehr Vereinendes. Tirol ist bräuchlicher, aber nicht heiliger. Ich bin durch meine Kinder fix nach Tirol gezogen und dort geblieben. Mit Kindern hast du keine Zeit mehr zu säumen und dauernd zu strawanzen. Man muss komprimierter und projektbezogener arbeiten. Man kann sich weniger Zweifel leisten und macht einfach. Dieses Selbstreflektierende hat aber was und macht einen gezielter. Man muss sich nichts mehr beweisen und ist unabhängiger von Kritik. Ob jetzt jemandem gefällt, was ich mache, oder nicht, ist nicht mehr so relevant. Ich will vor allem eine gute Zeit haben und wenn das funktioniert, dann freue ich mich.
„Soliman“ war im 18. Jahrhundert ein Sklave, der es in Österreich zur Berühmtheit schaffte. Spielt er metaphorisch auf den grassierenden Alltagsrassismus an?
Nicht nur in Österreich, das Problem ist ja längst global. Soliman ist aber auch eine gute Figur für jemanden, der den Weg in die Freiheit geschafft hat zu einer Zeit, als das undenkbar war. Er ist eine Kindheitserinnerung, denn im Naturhistorischen Museum haben sie PoC, also schwarze Menschen, ausgestellt. Ich habe ihn leibhaftig gesehen, auch wenn das Museum das heute gerne bestreitet. Es war nicht Soliman selbst, der wurde verbrannt, aber sie haben andere Präparate im Keller. Das hat mich schon damals komisch berührt.
Etwas zu bestreiten, was einem nicht genehm ist oder worüber man gerne den Mantel des Schweigens breiten würde, das ist auch wieder ein klassischer Austriazismus …
Absolut. Es wird gerne verharmlost, drübergewischt und drübergekehrt. Es hat bei uns auch nie eine Entnazifizierung stattgefunden, im Gegensatz zu Deutschland. Der Nationalsozialist war dann plötzlich wieder Sozialist und alles lief normal weiter.
Steht „Soliman“ auch für die Migrationsthemen der Gegenwart? Dafür, dass politische Strömungen die Diskussion gerade wieder sehr stark entfachen?
Es ist immer der Versuch der Versöhnung da. Es ist ein Aufruf, dass wir uns als Menschen sehen sollten, egal welcher Couleur. Das ist aber nicht so einfach, weil es andere anders sehen. Ich finde es schade, wenn man das Trennende immer über das Gemeinsame stellt.
Warum sind wir denn so?
Der Homo Sapiens war nie wegen seiner Friedensfreude berühmt und immer kriegerisch unterwegs. Er hat schnell sein Feld abgesteckt. In Neugier stecken das Wort Gier und das Wort neu. Ich will also mehr, als ich brauche und auch wenn es den anderen gehört, will ich es schnell haben. Das macht den Weg dafür frei, dass wir uns als Spezies ersetzen. Aber das macht auch nichts, denn die Welt wird wohl nicht untergehen, vielleicht aber der Mensch. Wie Josef Hader schon sagt: „Es geht vorbei“.
Das Thema Gier, das direkt in den Kapitalismus überleitet, beschreibst du deutlich auf dem Lied „Was darf denn sein“.
Gier macht einen zufriedener. Wir leben in einer Gadget-Welt, in dem uns dauernd eingeredet wird, dass wir alles Mögliche haben müssen. Es ist so, als würden wir Luft kaufen, aber das kann vielleicht irgendwann einmal wirklich wichtig werden. (lacht) Wir haben ständig Stress und suchen nach Superlativen. Alle machen heute Yoga oder Waldbaden, anstatt sich einmal pro Tag für zehn Minuten hinzusetzen, um absolut nichts zu tun. Man sollte es sich gönnen, einmal am Tag auszuatmen und alles sein zu lassen. Aus Langeweile kann so viel entstehen, denn erst, wenn mir wirklich fad ist, beginne ich etwas zu kreieren. Langeweile liegt immer an einem selbst und ich freue mich sogar, wenn meine Kinder sagen, es wäre ihnen fad. Kinder fangen dann an zu malen, zu schreiben oder was anderes zu tun.
Fällt es dir selbst leicht, manchmal innezuhalten und Ruhe zu geben? Oder ist das bei dir gar nicht nötig, weil du deine Jobs sowieso mit Leidenschaft ausführst?
Mein Job macht mir Riesenfreude und ich bin erstaunt, dass das bis heute so durchgegangen ist. (lacht) Ich bemühe mich, dass ich immer wieder Freude verspüre. Manchmal geht es natürlich nicht, aber ich versuche es immer wieder.
Muss man den Menschen die Ruhe im Leben richtig verkaufen? Weil alles auf dieser Welt durch den Kapitalismus gelabelt werden muss?
Man braucht irrsinnig viele Hilfsmittel, um Ruhe zu finden. „Komm zu dir selbst und finde mit dir deine Ruhe“ oder ähnliche Sprüche schreien einem überall entgegen. Jeder ist auf der Suche nach sich selbst, aber wir leben im Zeitalter des Narzissmus und posten uns alle nur noch selbst. Sich dieser Reizüberflutung zu entziehen wird immer wichtiger, denn das ist eine Sucht. Wie Drogen oder Alkohol. Meine Zwillinge sind 13 und meine kleine Tochter ist 8. Der Computer, die Playstation und das Handy sind natürlich ein Thema. Sie machen gefühlt neun Sachen gleichzeitig, aber das ist die Zukunft. Das kann und will ich ihnen auch nicht verbieten, es wäre falsch. Sie können sich auf Dinge konzentrieren, wo ich völlig überfordert wäre. Ich animiere sie aber auch dazu, Klavier zu lernen und ein bisschen Geige zu spielen. Wenn du das zusammenkriegst, hast du schon sehr viel fürs Gehirn gemacht. Ansonsten sollen sie machen, was sie wollen. Sie spielen viel Fußball und unsere Tiroler Heimat ist für sie wie Bullerbü.
„Was darf denn sein“ spielt auch mit pharmazeutischen Begriffen und Suchtmitteln.
Chemie ist großartig und hilft. Jeder will einmal 100 werden und 50 bleiben, aber keiner weiß wie. 50 ist dann das neue 20. (lacht) In Amerika kriegt man Xanax in Eimern, ca. 300 Tabletten auf einmal, und die Leute werden davon abhängig. In Österreich ist das verboten. Offenbar braucht die Gesellschaft heute diese Chemie. In der Leistungsgesellschaft musst du sie fast schon verwenden, um dabei zu sein und mithalten zu können.
Internationale Top-Manager schreiben Ratgeber, in denen sie Morgensport ab 4 Uhr propagieren, dann 14 Stunden arbeiten, Afterwork-Dates haben und kaum noch schlafen. Wie soll das ohne chemische Hilfsmittel auf Dauer möglich sein?
Es wird uns allen suggeriert, es sei super, immer und überall dabei zu sein. Eine wilde Entwicklung, die eigentlich nichts mit der durchschnittlichen Lebensrealität zu tun hat. Man kann das natürlich probieren, aber es macht dich sicher nicht glücklich. Du kannst es dir aber einreden.
„Wer küsst mich“ klingt für mich wie ein Song über Vergänglichkeit. Dazu, dass man sich selbst gar nicht so ernst nehmen sollte, weil irgendwann sowieso alles vorbei ist.
Der Text dazu ist 150 Jahre alt und stammt von Ferdinand Raimund - nur der Refrain ist von mir. Er stimmt aus dem Stück „Alpenkönig und Menschenfeind“ und es ist ein Lied für den Menschenfeind. Bei Raimund gibt es keine tröstliche Zeile, dort hasst der Protagonist alle. Er sehnt sich im Original nach nichts, aber die Sehnsucht wollte ich darin verknüpfen. Das Thema damit sozusagen vergegenwärtigen.
Welche Sehnsüchte hast du auf dieser Welt?
Ich habe die Sehnsucht nach etwas mehr gesellschaftlicher Liebe und Respekt. Auch nach Achtung und Toleranz. Dann würde es vielen Leuten noch viel besser gehen. Wir leben in Österreich eigentlich im Paradies, aber wir befinden uns in einer heißen Phase, wo dieses Paradies gefährdet ist. Mit Begriffen wie Respekt, Achtung oder Gemeinschaft wird leider immer fahrlässiger umgegangen.
Verstreust du Botschaften wie diese auf deinem Album in vollem Bewusstsein?
Die Musik auf „Welthits II“ ist tanzbar. Wir spielten einmal auf einem riesigen Fest in Deutschland und die Leute standen am Tisch und tanzten. Sie wollten nicht, dass wir gehen. Da habe ich niemanden bekehrt, denn es hat einfach gepasst. Das sind die schönsten Momente. Die Botschaft ist, dass es den Leuten bei uns gutgehen soll. Wir schreiben Musik, die wir selbst mögen und die hoffentlich auch bei anderen Wirkungen entfachen.
Wie viel vom Album ist autobiografisch bzw. recherchiert und wie viel rein fiktiv?
Alles, was du schreibst, ist irgendwo und irgendwie autobiografisch und kommt aus dir. Ich kann mich aber auch nicht neu erfinden. Alles, was ich hier beschreibe, ist wahrscheinlich irgendwie schon hier.
Wenn man 2014 schon mit „Welthits“ beginnt, muss man zehn Jahre später natürlich die „Welthits II“ drauflegen. Gibt es für dich in irgendeiner Form Verbindungen zwischen den zwei Alben?
Die Welt heute ist schon eine ganz andere. Ich habe jedenfalls weniger Stress als vor zehn Jahren und bemühe mich persönlich darum, die Dinge ruhiger und entspannter anzugehen. Bei Dingen, die ich nicht ändern kann, ärgere ich mich nicht mehr. Es macht keinen Sinn. Gelassenheit kann man sich aber auch nur einreden, und das ist eine ähnliche Selbstmanipulation wie das Yoga-Thema vorher. Es ist aber sinnvoller, sich nicht zu ärgern, als sich zu ärgern. Das muss man sich stets vergegenwärtigen. Mich beruhigt Lesen sehr, weil ich da das eigene Tempo bestimme. Ich denke mir immer: Jeder Tag ist ein Geburtstag. Das Morgen kann nämlich schon ohne dich stattfinden.
Das Album weist öfters retrospektive Züge auf. Hat es viel mit Vergangenheit und Nostalgie zu tun?
Nein, das würde ich nicht so sehen. Vielleicht ist das mein Naturell, aber ich hatte keine nostalgischen Gründe. Ich wollte das Projekt endlich abschließen, weil ich schon so viel Zeit hineininvestiert habe. Es gibt von 25 Theaterstücken keines, dass wir nicht aufgeführt haben. Mein allererstes Drehbuch war lange von einer Filmfirma in München optioniert und wurde dann nichts, aber ansonsten habe ich wirklich alles, an dem ich arbeitete, auch fertiggestellt. Man muss sich vor Ideen hüten. Sie sind super, aber sie können mitunter zehn Jahre kosten.
Läufst du manchmal nicht Gefahr, dich zu übernehmen?
Manchmal wird es viel und dann muss ich mich disziplinieren. Wenn ich schreibe, schreibe ich. Wenn ich gehe, gehe ich. Und wenn ich keine Zeit habe, muss ich sie mir irgendwie nehmen. Man darf nur den Glauben nie verlieren und die Selbstüberforderung ist ein Teil der Kunst. Wenn du das nicht tust, wird es meist auch nichts.
Hat „Welthits II“ für dich einen inhaltlichen, roten Faden?
Es sind Bestandsaufnahmen von verschiedenen Momenten - das ist wohl der rote Faden. Das Album könnte auch gut „Augenblicke“ heißen, aber „Welthits II“ ist eine andere Ansage. (lacht) Das erste Album kennt auch kaum jemand, wo war also „Welthits I“? Ich finde das neue Album voller und vor allem freier.
Das Album ist musikalisch durchaus breit. „Alkohol“ kokettiert mit dem Schlager, es gibt viel Art-Pop und New-Wave-Einflüsse. Manchmal hat man sogar das Gefühl, es geht ein bisschen Richtung Noise.
Für unsere genormte Welt ist das gar nicht so gut, weil man die Musik schwer einordnen kann. Aber das Leben ist mehr als nur schwarzweiß und wir wollten wirklich das machen, was uns gefällt. Das kann dann manchmal auch Reggae sein oder ein bisschen gen Schlager gehen. Vielleicht kann ich mit 65 dann auch als Kapitän aufs „Traumschiff“. (lacht)
Live wirst du die neuen Songs mit den zehn Jahre alten verknüpfen?
Mit einigen sicher. Lieder wie „Herz“, „Nicaragua“ oder „Welthit“ haben von ihrer Aktualität auch nichts verloren und passen inhaltlich sehr gut dazu. Das kann man sehr gut verknüpfen.
Hast du überhaupt Zeit und Lust, mit dem Projekt abseits der Release-Show Wien öfter auf die Bühne zu gehen?
Eine Woche auf kleiner Tour ginge schon, das müsste man sich einfach nur einteilen. Wir sind früher auch Touren gefahren. Von Gigritzpotschn bis Hinterscheißleiten. (lacht) Ich würde es aber viel gemütlicher machen. Wenn wir eine schöne Tour zusammenkriegen würden und man sich denkt, das macht Sinn, kann man sich das schon gut einteilen. So wie das eine junge Band macht, dafür bin ich mittlerweile aber zu alt.
Was ist dir beim Texten besonders wichtig?
Authentisch zu sein und den offensichtlichen Reim zu bekämpfen, was schwierig ist, weil man nicht immer dran vorbeikommt. Es soll einfach nicht „bochn“ sein. (lacht)
Live im Wiener Chelsea
Nach einem gelungenen Abend im Innsbrucker Treibhaus stellen Hakon und die Jungfrauen ihre „Welthits II“ am 7. März auch noch im Wiener Chelsea vor. Unter www.ntry.at gibt es noch Tickets für das Konzert. Weitere Termine sind nicht ausgeschlossen, aber bislang noch nicht fixiert.
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