Während drei weitere Polizeibeamte einen 19-Jährigen zu Boden drückten, soll ein Kollege seinen Kopf zweimal mit voller Wucht gegen den Asphalt geschlagen haben. Weil sich am Schauplatz kurz davor ein Mord ereignete, zeigen Videoaufnahmen die Amtshandlung deutlich. Der Angeklagte fordert vor Gericht in Wien einen Freispruch. Den bekommt er auch ...
Es sind erschütternde Videoaufnahmen, die auch am zweiten Prozesstag im Wiener Landesgericht am Mittwoch mehrmals vorgespielt werden. Sie zeigen, wie vier Polizisten einen jungen Mann zu Boden ringen, einer der Beamten seinen Kopf zweimal auf den Boden schlägt - bis der 19-Jährige blutet.
Gewalt gegen Unbeteiligten bei Mordermittlungen
Missbrauch der Amtsgewalt, klagt die Staatsanwältin den 34-jährigen Polizisten an. „Er hat massive Gewalt gegenüber dem Opfer gesetzt. Dieses Verhalten ist durch nichts zu rechtfertigen. Beamte sind dazu ausgebildet, auch in solchen Stresssituationen einen kühlen Kopf zu bewahren.“
Eine Stresssituation war es in dem Moment sicherlich. Denn der Vorfall teilt sich den Schauplatz mit dem Simmeringer Druckerei-Mord - ein Iraner (35) hatte in einem kleinen Copyshop einen Landsmann erschossen, fasste dafür bereits 15 Jahre Haft aus. Kurz nach den tödlichen Schüssen am 7. Mai 2023 wollte der 19-Jährige im abgesperrten Tatortbereich zu einem Bankomaten. Als ihn die Polizisten aufforderten, sich auszuweisen, weigerte sich das junge Opfer.
Er hat nicht nur einmal, sondern zweimal mit voller Wucht den Kopf des jungen Mannes auf den Asphalt geschlagen.
Die Staatsanwältin im Wiener Landesgericht
Die angeklagten Gewalthandlungen danach wurden aus mehreren Perspektiven von anwesenden Medienteams und Überwachungskameras von umliegenden Geschäftslokalen auf der Simmeringer Hauptstraße gefilmt. „Er hat nicht nur einmal, sondern zweimal mit voller Wucht den Kopf des jungen Mannes auf den Asphalt geschlagen“, verdeutlicht die Staatsanwältin.
„Vielleicht habe ich aus Versehen zu stark gedrückt“
Der angeklagte Polizist bestreitet den auf Video dokumentierten Vorfall. Er habe den Unbeteiligten nur zu Boden gedrückt, da er sich massiv gegen die Amtshandlung gewehrt habe: „Vielleicht habe ich aus Versehen zu stark gedrückt. Aber ich wüsste nicht, was ich hätte sonst tun sollen.“
Zu dem Zeitpunkt habe er nicht gewusst, ob der Mann nicht vielleicht in den gerade verübten Mord involviert gewesen war. „War bei der Festnahme des mutmaßlichen Mörders schon klar, dass es nur einen Täter gibt?“, hakt sein Verteidiger nach. „Nein, war es nicht. Es war von Anfang an die Rede von mehreren Männern, die in dem Geschäft gestritten haben“, erinnert sich der angeklagte Beamte.
Für die Staatsanwältin ist aber auch am zweiten Prozesstag klar, dass das Vorgehen des Wieners Amtsmissbrauch gewesen sei: „Ein Rechtsstaat muss solch ein Vorgehen mit voller Härte sanktionieren. Es geht hier darum, dass das Grundrecht der körperlichen Unversehrtheit des Opfers verletzt wurde.“
„Nicht das gerechtfertigte Ausmaß“ an Gewalt überschritten
Nach knapp einer Stunde Beratung fällt die Entscheidung des Schöffensenats: Der angeklagte Polizeibeamte bekommt seinen geforderten Freispruch. Der Schöffensenat sieht keinen wissentlichen Befugnismissbrauch, der Angeklagte habe bei seiner Gewaltausübung auch „nicht das gerechtfertigte Ausmaß“ überschritten.
Zum Entsetzen der Staatsanwältin: Noch in der Verhandlung legt sie Nichtigkeitsbeschwerde ein. „Das Urteil wurde offensichtlich vorher vorgeschrieben und abgelesen“, wirft sie dem Richter vor. Die Entscheidung sei nicht nach eingehender Beratung mit den Schöffen gefallen.
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