Die neue Ausstellung „In the Eye of the Storm“ erzählt von der bewegten Geschichte der kulturellen Identität der Ukraine und zeigt große Kunst von international teils kaum bekannten Künstlern.
Die Laster verließen Kiew am Morgen, kurz danach begann der schlimmste Bombenhagel der Russen in diesem nun schon viel zu langen Krieg. Es war im November 2022, als inmitten dieser Zerstörungswut wertvolle Bilder aus dem Land geschafft werden sollten. „Wir waren erleichtert, als sie endlich die polnische Grenze erreicht hatten“, erinnert sich Kuratorin Katia Denysova. „Doch dann schlug eine russische Rakete in Polen ein, und die Grenze wurde dichtgemacht . . .“ Nach langen diplomatischen Diskussionen erreichten sie endlich Madrid, die erste Station der Wanderausstellung „In the Eye of the Storm“. „Dort sind Tränen der Freude geflossen“, so Denysova.
Ursprünglich plante der Kunsthistoriker und Kurator Konstantin Akinsha die Ausstellung schon vor dem Krieg, um ukrainische Kunst in Europa bekannter zu machen. In Budapest scheiterte seine Pläne an einer diplomatischen Krise beider Länder, in Deutschland „wollte man sich lieber keine Probleme mit den Russen machen“, erzählt er im „Krone“-Interview. „Als der Krieg begann, war ich panisch, was mit den Museumskollektionen passieren wird.“ Und setzte alles daran, einige bedeutende Werke im Zuge dieser Ausstellung in Sicherheit zu schaffen. Nach Madrid und Brüssel ist sie nun im Unteren Belvedere angekommen. Für Wien konnte man noch mehr Bilder aus der Ukraine holen, nicht nur aus Kiew, sondern auch aus anderen umkämpften Regionen. Um so die gesamte Bandbreite der ukrainischen Moderne von 1900 bis 1930 zu zeigen - vom Jugendstil bis zum Konstruktivismus.
„Die Moderne in der Ukraine entwickelte ihre progressive künstlerische Kraft in äußerst turbulenten Zeiten und unter widrigen gesellschaftspolitischen Umständen. Die in der Ausstellung versammelten Werke trotzten gesellschaftlichen wie künstlerischen Konventionen ihrer Zeit, was sie damals wie heute zu Botschaftern einer modernen, auf kulturellen Werten aufgebauten Zivilisation macht“, so Belvedere-Direktorin Stella Rollig.
Die Schau erzählt davon, wie Künstler die Einflüsse aus der globalen Kunstwelt in Paris, München, Wien oder Krakau nachhause mitbrachten - und im Streben nach kultureller Autonomie einen nationalen Stil entwickelten. Man sieht die überschäumende Kreativität von hier kaum bis gar nicht bekannten Künstlern wie Mychajlo Bojtschuk und seiner Künstlergruppe, den Bojtschukisten, den Futuristen Oleksandr Bohomasow oder der einflussreichen „konstruktiven“ Malerin Alexandra Exter. Eine kreative Phase, die1930 abrupt endete. Viele Werke wurden unter Stalin zerstört, Künstler hingerichtet, vieles später dann der russischen Avantgarde zugerechnet.
„Mit dieser Ausstellung wollen wir nicht nur Werke bewahren, sondern auch die komplexe Geschichte unserer kulturellen Identität bekannter machen“, so Katia Denysova. „Und natürlich wollen wir an die Ukraine erinnern - und zeigen, wofür wir auch kämpfen.“
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