Hot Dog oder Pizza

Wie viel Italien steckt im Lancia Flavia Cabrio?

Motor
02.07.2012 11:44
Wer in einem Cabrio nicht nur Sonne und Fahrspaß genießen will, sondern auch Ansprüche an Alltagstauglichkeit und Transportkapazität stellt, muss einen Viersitzer wählen. Doch anders als bei Roadstern oder kompakten Modellen mit Notsitzen im Fond ist das Angebot in diesem Marktsegment eher spärlich. Nun stoßen die Italiener von Lancia in die Nische, die aktuell nur eine Handvoll von Premiummarken besetzen – zum All-inclusive-Preis von 39.900 Euro.
(Bild: kmm)

Den Flavia gibt es nur in einer Variante – und die ist schon fast komplett ausgestattet. Klimaautomatik, Soundsystem, Navigation und Ledersitze etwa sind serienmäßig an Bord. Einzig wer sein Cabrio nicht in Rot ordern möchte, muss noch einmal 1.150 Euro für Weiß, Schwarz, Silber oder Dunkelgrau drauflegen. Oder 40 Euro für einen Aschenbecher. So wird der Italiener (zumindest preislich gesehen) zum Schnäppchen: Konkurrenten wie Audi A5, Mercedes E-Klasse Cabrio oder BMW 3er sind bereits bei deutlich schlichterem Komfortprogramm viel kostspieliger. 

Lancia Flavia ist ein alter Ami
Der günstige Preis wird auch dadurch möglich, weil es sich nicht um ein komplett neu entwickeltes Modell handelt. Denn wie zuvor bei Thema und Voyager profitiert Lancia auch in diesem Fall von der Verbindung des Mutterkonzerns Fiat zur US-Marke Chrysler. Die stiftete für die europäische Schwester ihr auf dem Heimatmarkt bereits seit 2011 angebotenes Chrysler 200 Convertible. Der wiederum ist der stark überarbeitete Nachfolger des Chrysler Sebring Cabrio, das wiederum auf der Technik des Mitsubishi Galant basierte.

Seine Herkunft kann der Flavia dann auch kaum verbergen. Vor allem, da für den Europa-Einsatz äußerlich lediglich das Logo auf Kühlergrill und Lenkradtopf geändert wurde. Allein die Länge von 4,95 Metern sprengt die Dimensionen der europäischen Mittelklasse – davon geht jedoch viel auf das Konto der langen Karosserieüberhänge vorn wie hinten. Und auch der Kofferraumdeckel im Format eines Hubschrauberlandeplatzes sorgt dafür, dass die Insassen im Flavia zwar auf allen vier Plätzen relativ luftig sitzen, aber am Ende auch nicht spürbar mehr Platz haben als bei der durchweg rund 25 Zentimeter kürzeren Konkurrenz. Zumindest der Kofferraum entspricht den äußerlich geweckten Erwartungen. Mit 377 Liter ist er im Vergleich der geräumigste – allerdings nur bei geschlossenem Dach. Wird das Verdeck weggeklappt, bleiben nur noch 198 Liter übrig. 

Innen gleicht der Flavia fast aufs Haar dem US-Modell, allerdings haben sich bereits die Chrysler-Designer bemüht, die ansonsten übliche US-Kargheit mit aufgeschäumtem Kunststoff, glänzenden Blenden, Chrom und Leder auszutreiben. Das Ergebnis lässt sich bei Verarbeitung und Materialauswahl durchaus sehen. Mit der Premium-Konkurrenz kann und will man jedoch nicht mithalten, und von Italianitá kann auch keine Rede sein. Zudem endet die Eleganz hinter den Vordersitzen. Wer hinten Platz nimmt muss sich mit Hartplastikverkleidungen zufrieden geben. 

Cruisen statt rasen
In Fahrt gebracht wird der Flavia von einem 2,4-Liter-Benziner, der unter anderem aus dem Jeep Compass bekannt ist und 170 PS leistet. Das Triebwerk muss ohne moderne Zutaten wie Direkteinspritzung und Downsizing-Turbo auskommen, was in mäßigen Fahrleistungen (null auf 100 km/h in 10,8 Sekunden) und recht hohem Verbrauch (9,4 Liter laut Norm) resultiert. Zumindest die zeitgemäße Sechsstufenautomatik reißt mit einer guten Abstimmung wieder etwas heraus, so dass der schwere Flavia als gemütlicher und komfortabler Cruiser eine gute Figur macht. Der Motor hält sich dabei akustisch angenehm im Hintergrund, zumindest solange ihm keine Beschleunigungsleistung abverlangt wird. Die quittiert er mit einem eher angestrengt wirkenden Klangbild. 

Passend zum gemütlich Triebwerkscharakter zeigt sich das Fahrwerk des Fronttrieblers, das gegenüber der US-Version noch einmal gestrafft wurde. Insgesamt eher auf die sanfte Tour ausgelegt, ermöglicht es aber auch eine etwas zügigere Gangart auf sonnenbeschienenen Serpentinen. Kein Vergleich mehr zu dem gefühllosen, durch Kurven stets torkelnden Vorgänger Sebring. Seine Cabrio-Rolle erfüllt der Viersitzer durchaus ordentlich; bis Tempo 120 sind auch bei geöffnetem Verdeck und heruntergelassenen Scheiben Unterhaltungen möglich. Trotzdem geht das Open-Air-Gefühl nicht verloren, da die Frontscheibe vor dem Scheitel der Insassen endet. Kleines Manko: Da zum Öffnen des Dachs der Kofferraumdeckel entgegen der Fahrtrichtung zurückgeklappt wird, ist dies nur im Stand möglich. 

Exotendasein zum Billigpreis
Wem eine Mittelklasselimousine zu langweilig ist, kann beim Flavia-Cabrio durchaus einen Blick riskieren. Denn der Lancia verbindet ordentliches Platzangebot mit einem vernünftigen Preis. Trotzdem wird der Italoamerikaner hierzulande ein Exot bleiben. Die ganz großen Absatzambitionen scheinen die Italiener sowieso nicht zu haben. Der in den USA als Antriebsalternative angeboten V6-Benziner schafft es ebenso wenig über den großen Teich wie das klappbare Hardtop oder gar die dort ebenfalls erhältliche Limousinen-Variante. 

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(Bild: kmm)



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