Interview: „Krone“-Kolumnist und Star-Politologe Peter Filzmaier erklärt in seinem neuen Buch „Olympia: Die Spiele als Bühne für Sport und Politik“, was neben Sport eigentlich noch alles untrennbar mit den Olympischen Spielen verbunden ist.
„Krone“: Herr Filzmaier, das Selbstverständnis der Olympischen Spiele ist, unpolitisch zu sein. Friede und Antidiskriminierung sind Grundprinzipien in der IOC-Charta
Peter Filzmaier: Was an sich ja schon politisch ist! Wenn man für Demokratie, für Menschenrechte steht, ist das eine Botschaft. Das Grund-Dilemma ist, dass wir über 200 Nationale Olympische Komitees haben - nur haben wir je nach Zählweise knapp 70 Demokratien. Die Mehrheit haben nichtdemokratische Staaten. Und zu glauben, dass dort ein Olympisches Komitee unabhängig von der Politik sei, ist mehr als naiv.
Sie sprechen im Buch vom Hang der Nationalisten, die Spiele mit ihrer Internationalität als Bühne des Hasses auf andere Nationen zu nutzen.
Was ja ein Widerspruch in sich ist. Wobei auch die Medien mitschuldig sind. Denn die Selbstdarstellung beruht meistens auf dem Medaillenspiegel - da muss man das IOC in Schutz nehmen, offiziell gibt es den gar nicht. Patriotismus ist Liebe zu den Seinen, das soll man beim Jubeln tun. Nationalismus ist Hass auf andere.
Österreich ist bei den Statistiken zum Nationalstolz immer weit vorne dabei
Wir waren in der Monarchie Großmacht, wurden zum Kleinstaat mit Minderwertigkeitskomplexen - in der Zwischenkriegszeit gab es ja Zweifel an der Überlebensfähigkeit Österreichs. Deshalb sind wir auch auf unsere Skifahrer besonders stolz. Für einen kleinen Staat macht es Sinn, sich auf Nischen zu konzentrieren. Und alle, damit es nicht immer nur das Skifahren betrifft, Wintersportarten sind solche, die oft nur von zwei Handvoll Nationen professionell betrieben werden.
Ich konsumiere bei Olympia alle Sportarten. Mein Freundeskreis freut sich, dass ich diesmal im Gegensatz zu Tokio nicht meinen Lebens- und Schlafrhythmus umstelle.
Sport-Fan Peter Filzmaier
Bild: Uni Krems
Wie skurril sind die Olympischen Spiele, wenn man an die Legenden rund um den Marathon denkt, oder an einen 5000-m-Läufer, der Zitronen lutschend in das Ziel spazierte?
Der Zitronenlutscher wurde 1908 als überzähliger Läufer für den Mannschaftssieg nicht gewertet, musste aber ins Ziel kommen. Derart absurde Regeln fördern die Legenden-Bildung. Wie beim historischen Marathonlauf, als ein Bote nach gewonnener Schlacht 41,295 km gelaufen ist, um den Sieg zu vermelden. In voller Rüstung! Warum hat dieser Idiot die Rüstung anbehalten? Harmlos, aber auf solchen Erfindungen beruht auch politische Instrumentalisierung. Etwa, dass Hitler afroamerikanerischen Siegern nur die Hand nicht schüttelte, weil es das Protokoll nicht vorgesehen habe. Er hat es nicht gemacht, weil er Rassist war! Auch in den USA ist man mit eigenen Olympiasiegern zutiefst rassistisch umgegangen. Jesse Owens musste bei Jahrmärkten gegen Pferde rennend sein Geld verdienen.
Wären Sie ein Zuseher bei den „Enhanced Games“, die mit Bewerben ohne Dopingkontrollen locken?
Nein, ich bin ja auch nicht für olympische Sauf-Bewerbe. Jeder, der dafür ist, sollte ein Buch lesen über die Langzeitfolgen der zwangsgedopten DDR-Schwimmerinnen, die keine Kinder mehr bekommen konnten, und Ähnliches.
Der Auftritt von Österreichs Delegation im Umgang mit Putin 2014 in Sotschi liegt Ihnen im Magen
Weil man Diktatoren keine Bühne bieten sollte. Man hätte Daniela Iraschko als Fahnenträgerin nominieren können. Was gezeigt hätte, dass wir Antidiskriminierung, auch gegenüber Menschen einer anderen sexuellen Orientierung, anders verstehen als in Russland.
Athleten aus Russland und Belarus sind 2024 in Paris als neutrale Sportler startberechtigt. Zu Recht?
Erst wollte man Russland ausschließen, dann kommt man aber mit dem Ausschließen nicht nach, weil man aktuell 60, 70 bewaffnete Konflikte hat. Daher die Kompromisslösung, die lauter Haken hat. Das Bild des neutralen Sportlers ist absurd - weil jeder Russe den Krieg entweder befürwortet oder ablehnt.
Wie viele Medaillen holt Österreich in Paris?
Alles, was größer null ist, wäre für uns ein Erfolg.
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